NGO-Pilot über Kurz:
„Er kann uns schikanieren, haben Schiffe und Geld“
Während Kapitänin Carola Rackete in den französischen Alpen auf ihren Prozess in Sizilien wartet (siehe Video oben), erhebt ein weiterer Seenotretter des deutschen Vereins Sea Watch schwere Vorwürfe an EU und Österreich. In einem Interview mit der Wiener Stadtzeitung „Augustin“ schildert Tamino Böhm die problematische Situation im Mittelmeer. Die EU-Außenminister konnten sich am Donnerstag nicht auf einheitliche Regeln zur Seenotrettung vor der libyschen Küste einigen. Dabei erwähnt der in Griechenland aufgewachsene Seenotretter und Pilot ganze dreimal Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Tamino Böhm ist seit 2016 beim deutschen Verein Sea Watch tätig. Für ihn ist die Rettung aus Seenot ein universelles Recht: „Kurz kann uns schikanieren und festsetzen und uns mit seiner Hetze überziehen, aber er kann uns nicht davon abhalten, das Richtige zu tun. Wir haben die Schiffe, wir haben die Crews, wir haben das Geld und wir haben den Willen, Menschen nicht ertrinken zu lassen“, so Böhm.
Er fliegt das Aufklärungsflugzeug Moonbird 20 bis 100 Seemeilen nördlich von der libyschen Küste. Sieht er ein Boot in Seenot, startet er den Rettungseinsatz und alamiert die Schiffsbesatzungen. Er erklärt, dass Handelsschiffe davor Angst haben, nicht mehr anlegen zu dürfen, sofern sie Flüchtlinge auflesen, zeitgleich werden NGO-Schiffe potenziell, wie bei der Sea-Watch 3, im Hafen von Lampedusa festgesetzt: „Inzwischen gilt es aber schon fast als linksradikal, Menschenrechte umzusetzen.“ Und: „Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz diffamierte Seenotretter, indem er davon sprach, dass der ,NGO-Wahnsinn‘ beendet werden muss.“
Kurz behauptete, NGOs geben Schleppern Lichtsignale
Einer der Vorwürfe vom Ex-Bundeskanzler lautete: NGOs würden Schleppern Lichtsignale geben. Dies dementiert der Pilot mit Humor: „Das Licht (kann) aufgrund der Masthöhe, der Erdkrümmung und der Entfernung niemals die libysche Küste erreichen. Aber vielleicht glaubt Kurz ja noch an eine flache Erde.“
„Kurz und Salvini schüren Angst und Hass“
Es bleiben nur mehr die Schiffe wie die des Vereins, so Böhm. Den europäischen Frontalangriff gegen Seenotretter erklärt er so: „NGOs übernehmen seit Jahren staatliche Aufgaben, weil die EU Menschen ersaufen lässt. Nun sollen mögliche Zeugen dieses Sterbenlassens verhindert werden.“ Sein Vorschlag? „Wir müssen in unseren Kommunen sichere Häfen schaffen und fordern, dass Flüchtlinge zu uns kommen können. Wo Salvini (Italiens Außenminister Matteo Salvini, Anm.) und Kurz Angst und Hass schüren, zeigen wir Solidarität.“
Das Schlimmste ist für Tamino Böhm die Heimreise: „Der Moment der Ohnmacht und Wut kommt meistens auf Linienflügen. Ich sitze in der Kabine mit Hunderten Leuten, die aus ihrem Mittelmeerurlaub kommen. Dann kommt mir alles hoch.“
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