Letzter Akt vor Urlaub

Merkel: „Seenotrettung ist Gebot der Humanität“

Ausland
19.07.2019 11:57

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat am Freitagvormittag vor ihrem Urlaubsantritt Journalisten in Berlin zur traditionellen Sommer-Pressekonferenz eingeladen. Darin nannte sie die Migration und Fragen des Klimaschutzes als die derzeit wichtigsten Aufgaben für Europa. Merkel bekräftigte etwa, dass bezüglich der aktuellen Flüchtlingsströme im Mittelmeer nicht bei jedem NGO-Schiff über eine Einzellösung verhandelt werden könne. „Die Seenotrettung ist für uns nicht Verpflichtung, sondern sie ist ein Gebot der Humanität“, sagte die Kanzlerin. Es gebe daher den Ansporn, bis zum nächsten EU-Innenministerrat auf Malta ein Ergebnis für die Verteilung von Bootsflüchtlingen zu erzielen. Lob gab es von der Kanzlerin für Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Merkel gab weiters bekannt, den Anlauf der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Konstruktionsfehler bei den Dublin-Regeln für Asylverfahren in der EU beheben will, zu unterstützen. Von der Leyen habe laut Merkel erkennen lassen, dass sie das bisherige System zugunsten der Mittelmeerstaaten reformieren möchte.

Merkel im Kreuzverhör (Bild: APA/dpa/Wolfgang Kumm)
Merkel im Kreuzverhör

„Ich habe nie wirklich verstanden, warum Dublin mit der einfachen Gleichung begann: Wo ein Migrant zuerst europäischen Boden betritt, muss er oder sie bleiben“, sagte die CDU-Politikerin im Bezug auf eine bessere Verteilung der Flüchtlinge. Die Wahl von der Leyens zur neuen EU-Kommissionspräsidentin begrüßte Merkel. Angesichts der internationalen Herausforderungen müsse die EU handlungsfähig sein. Deshalb dürfe man keine Zeit verlieren.

Merkel lehnt Sanktionen gegen EU-Staaten in Migrationsstreit ab
Sanktionen gegen EU-Länder, die bei der Aufnahme von Migranten bremsen, lehnt sie hingegen ab. Man brauche in der EU eine gemeinsame Lösung. „Immer mit der Keule in der Hand an den Verhandlungstisch zu gehen, hat sich nicht bewährt.“ Auch die Mehrheitsentscheidung über den EU-Verteilungsmechanismus für Flüchtlinge habe die EU letztlich nicht vorangebracht, räumte sie mit Blick auf den Widerstand einiger osteuropäischer Länder ein. Sie setze vielmehr auf Bewegung in der Debatte, wenn man einen effektiven Außengrenzschutz in der EU etabliert habe.

Flüchtlinge vom NGO-Schiff Alan Kurdi (Bild: AFP)
Flüchtlinge vom NGO-Schiff Alan Kurdi

„Thunberg hat Klimapolitik vorangetrieben“
Klima-Aktivistin Greta Thunberg und die Bewegung „Fridays for Future“ haben die Politik der deutschen Bundesregierung laut Merkel vorangetrieben. „Sie haben uns sicherlich zur Beschleunigung getrieben“, sagte die CDU-Politikerin. Die Schüler hätten die Politik dazu gebracht, entschlossener an die Sache heranzugehen. Merkel sprach von „außerordentlichen Wetterverläufen“, die zeigten, welche Schäden ein Nicht-Handeln in der Klimapolitik mit sich bringe.

Greta Thunberg bei der „Fridays for Future“-Demo am 31. Mai in Wien (Bild: APA/AP)
Greta Thunberg bei der „Fridays for Future“-Demo am 31. Mai in Wien

Der beste Weg zum Erreichen der Klimaziele sei für Merkel ein CO2-Preis. Dies würden die Wissenschaftler empfehlen. „Das halte ich auch für richtig. Das bedeutet aber auch, dass wir im Gegenzug die soziale Ausgewogenheit beachten müssen.“ Es gehe um eine „sehr umfassende Veränderung“ der Vorgehensweise Deutschlands beim Klimaschutz. Am 20. September soll das Kabinett ein Maßnahmenpaket beschließen.

Merkel bereut Rücktritt als CDU-Chefin nicht
Merkel bereut übrigens keineswegs, nicht mehr CDU-Vorsitzende zu sein. Sie sei überzeugt, dass sie zusammen mit der neuen CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Umfragewerte ihrer Partei wieder steigern könne, wenn man ruhig weiterarbeite. Die Union liege schon jetzt wieder deutlicher vor den Grünen. Weiters nahm Merkel Kramp-Karrenbauer gegen Kritik an deren Eignung für das neue Amt und an der Doppelbelastung in Schutz. Kramp-Karrenbauer sei eine erfahrene Politikerin und bringe als Parteichefin auch politisches Gewicht mit ein.

(v.r.n.l.) Angela Merkel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue deutsche Verteidigungsministerin (Bild: AP)
(v.r.n.l.) Angela Merkel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue deutsche Verteidigungsministerin

Brexit: Merkel offen für Fristverlängerung
Ebenso wie von der Leyen zeigte sich Merkel offen für eine Verlängerung der Brexit-Frist. „Wenn Großbritannien noch mehr Zeit braucht, sollten wir mehr Zeit geben“, so Merkel. Es werde vieles davon abhängen, mit welcher „Marschrichtung“ der neue britische Premierminister zur EU-Kommission kommen werde, erklärte die deutsche Kanzlerin weiter. Sie wolle sich aber nicht in britische Angelegenheiten einmischen: „Das ist Grundsatz. Ich vertraue ganz fest darauf, dass Großbritannien seinen Weg finden wird.“

(Bild: AFP)

Merkel über ihren Gesundheitszustand: „Es geht mir gut“
Auch Merkels Gesundheitszustand war Thema auf der Pressekonferenz. Merkel zeigte Verständnis für wiederholte Fragen und betonte, dass sie ihr Amt als Regierungschefin trotz der Zitteranfälle ausüben könne. Es gehe ihr gut, sagte sie. „Als Mensch habe ich auch persönlich ein hohes Interesse an meiner Gesundheit“, betonte Merkel.

2021 werde sie aus der Politik aussteigen. „Aber dann hoffe ich, dass es noch ein weiteres Leben gibt. Und das würde ich dann auch gerne gesund weiterführen.“ In den vergangenen Wochen hatte Merkel bei mehreren öffentlichen Auftritten heftige Zitteranfälle erlitten - und deshalb zuletzt mehrere Auftritte im Sitzen absolviert.

Merkel zitterte beim Empfang des ukrainischen Präsidenten Selenskyj stark. (Bild: AP)
Merkel zitterte beim Empfang des ukrainischen Präsidenten Selenskyj stark.

Kritik an Trumps Umgang mit Politikerinnen der Demokraten
Scharf verurteilte Merkel die als rassistisch kritisierten Attacken von US-Präsident Donald Trump gegen Politikerinnen der Demokraten. „Ich distanziere mich davon entschieden“, sagte Merkel und betonte, sie fühle sich solidarisch mit den attackierten Frauen. Menschen ganz unterschiedlicher Nationalität hätten zur Stärke der USA beigetragen. Trumps Äußerungen liefen ihrem Eindruck zuwider und konterkarierten die Stärke Amerikas. In einem Tweet hatte der US-Präsident mehrere Demokratinnen aufgefordert, in ihre vermeintlichen Heimatländer zurückzugehen. Alle vier Politikerinnen sind US-Bürgerinnen.

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