Immer weniger junge Männer treten zur Musterung an. Die Hilfsorganisationen sind aber auf Zivildiener angewiesen. Das Bundesheer hält sich in der Debatte zurück. Ein „Krone“-Brennpunkt zum Tauziehen um die Tauglichkeit.
Schlusspfiff auf dem Fußballplatz einer mittelgroßen Gemeinde in Oberösterreich. Die Heimmannschaft - immerhin Bezirksliganiveau - siegt. Zumindest zwei Spieler konnten sich nach Abschluss ihrer Ausbildung voll auf den Job konzentrieren - und den Sport. Der eine leidet an einem eingeschränkten Gehör, der andere weist ebenfalls körperliche Defizite auf. Untauglich für den Dienst an der Waffe! Kein Bundesheer, kein Zivildienst. Beide fielen aus dem System. Aufgrund geburtenschwacher Jahrgänge und einer Zunahme von diversen Krankheitsbildern hat sich die Lage zuletzt weiter verschlechtert. Genau hier setzt die aktuelle Debatte an.
Heer will nicht Spielball der Politik werden
Wie berichtet, will die ÖVP die Kriterien für eine Befreiung vom Grundwehrdienst (und damit auch vom Zivildienst) verschärfen. Wer nicht fit genug für den Schutz der Grenzen, den Katastropheneinsatz oder Gefechtsübungen im Felde ist, soll als „Systemerhalter“ in den Kanzleien und Küchen seinen Beitrag fürs Vaterland leisten. Oder eben als Zivildiener bei Rettungsdiensten, in der Altenpflege oder als Schülerlotse seine Monate ableisten. Während sich soziale Einrichtungen, die mit einem Schwund an „Zivis“ zu kämpfen haben, für eine Reform der Tauglichkeitskriterien aussprechen, bleibt das Bundesheer in Deckung. Man wolle nicht zum Spielball der Politik werden, heißt es.
Grundsätzlich ist jeder männliche Staatsbürger ab dem 17. Lebensjahr stellungspflichtig. Nach der sogenannten Musterung entscheidet eine Stellungskommission, bestehend aus je einem Offizier, Arzt und Psychologen, ob der Kandidat für den Grundwehrdienst geeignet ist - oder nicht.
Jeder fünfte ist „untauglich“
Christoph Hofmeister ist Hauptmann im Militärkommando Kärnten und stand der „Krone“ zur aktuellen Musterungs-Situation Rede und Antwort.
„Krone“: Österreichweit geht die Zahl der tauglichen Wehrpflichtigen zurück. Warum?
Christoph Hofmeister: Die sinkende Zahl an Rekruten ist auf die rückläufige Entwicklung der Geburtenjahrgänge zurückzuführen. Das Verhältnis zwischen Tauglichen und Untauglichen bleibt mit etwa 70:20 seit Jahren unverändert - ohne Berücksichtigung der „vorübergehend Untauglichen“ (ca. zehn Prozent).
Sozusagen ist dann in etwa jeder Fünfte untauglich?
Ja, zumindest seit dem Jahr 2008. Damals waren von 55.887 bei der Stellung Untersuchten 39.561 tauglich. 2018 schafften es 30.728 von 46.519.
Was sind die häufigsten Gründe für Untauglichkeit?
Einschränkungen des Bewegungs- und Stützapparates sowie alle Arten innerer Erkrankungen wie Essstörungen, Asthma oder Neurodermitis sowie Sehbeeinträchtigungen und Unverträglichkeiten. Aber auch psychologische Faktoren spielen eine Rolle.
Zusätzlich zu Tauglichkeitsstufen (null bis neun) gibt es für Soldaten ja auch „Befreiungen“, welche bei körperlichen Gebrechen ausgestellt werden.
Befreiungen können aufgrund von Verletzungen während des Grundwehrdienstes ausgestellt werden. So gibt es zum Beispiel Trage- oder Marschbefreiungen, die dem körperlichen Zustand des jeweiligen Soldaten angepasst sind.
Warum leidet unser wehrpflichtiger Nachwuchs an derartig vielen Gebrechen?
Das Heer muss nur feststellen, ob Männer tauglich sind. Viele haben erst bei der Musterung ihre erste große körperliche Untersuchung. Dabei können Krankheiten festgestellt werden, die vorher noch unbekannt waren.
Oliver Papacek und Alexander Schwab, Kronen Zeitung
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