Viele fallen durch

Bundesheer: Das Tauziehen um die Tauglichkeit

Österreich
20.07.2019 06:00

Immer weniger junge Männer treten zur Musterung an. Die Hilfsorganisationen sind aber auf Zivildiener angewiesen. Das Bundesheer hält sich in der Debatte zurück. Ein „Krone“-Brennpunkt zum Tauziehen um die Tauglichkeit.

Schlusspfiff auf dem Fußballplatz einer mittelgroßen Gemeinde in Oberösterreich. Die Heimmannschaft - immerhin Bezirksliganiveau - siegt. Zumindest zwei Spieler konnten sich nach Abschluss ihrer Ausbildung voll auf den Job konzentrieren - und den Sport. Der eine leidet an einem eingeschränkten Gehör, der andere weist ebenfalls körperliche Defizite auf. Untauglich für den Dienst an der Waffe! Kein Bundesheer, kein Zivildienst. Beide fielen aus dem System. Aufgrund geburtenschwacher Jahrgänge und einer Zunahme von diversen Krankheitsbildern hat sich die Lage zuletzt weiter verschlechtert. Genau hier setzt die aktuelle Debatte an.

Die Musterung ist für viele der erste große Gesundheitscheck. (Bild: ÖBH)
Die Musterung ist für viele der erste große Gesundheitscheck.

Heer will nicht Spielball der Politik werden
Wie berichtet, will die ÖVP die Kriterien für eine Befreiung vom Grundwehrdienst (und damit auch vom Zivildienst) verschärfen. Wer nicht fit genug für den Schutz der Grenzen, den Katastropheneinsatz oder Gefechtsübungen im Felde ist, soll als „Systemerhalter“ in den Kanzleien und Küchen seinen Beitrag fürs Vaterland leisten. Oder eben als Zivildiener bei Rettungsdiensten, in der Altenpflege oder als Schülerlotse seine Monate ableisten. Während sich soziale Einrichtungen, die mit einem Schwund an „Zivis“ zu kämpfen haben, für eine Reform der Tauglichkeitskriterien aussprechen, bleibt das Bundesheer in Deckung. Man wolle nicht zum Spielball der Politik werden, heißt es.

Caritas-Präsident Michael Landau: „Es ist im Interesse Österreichs, dass wir junge Menschen dafür begeistern, sich sozial zu engagieren. Ich begrüße die aktuelle Debatte, denn alle Maßnahmen, die den Zivildienst als sozialen Lernraum attraktiver machen, sind wünschenswert.“ (Bild: Peter Tomschi)
Caritas-Präsident Michael Landau: „Es ist im Interesse Österreichs, dass wir junge Menschen dafür begeistern, sich sozial zu engagieren. Ich begrüße die aktuelle Debatte, denn alle Maßnahmen, die den Zivildienst als sozialen Lernraum attraktiver machen, sind wünschenswert.“

Grundsätzlich ist jeder männliche Staatsbürger ab dem 17. Lebensjahr stellungspflichtig. Nach der sogenannten Musterung entscheidet eine Stellungskommission, bestehend aus je einem Offizier, Arzt und Psychologen, ob der Kandidat für den Grundwehrdienst geeignet ist - oder nicht.

Jeder fünfte ist „untauglich“
Christoph Hofmeister ist Hauptmann im Militärkommando Kärnten und stand der „Krone“ zur aktuellen Musterungs-Situation Rede und Antwort.

„Krone“: Österreichweit geht die Zahl der tauglichen Wehrpflichtigen zurück. Warum?
Christoph Hofmeister: Die sinkende Zahl an Rekruten ist auf die rückläufige Entwicklung der Geburtenjahrgänge zurückzuführen. Das Verhältnis zwischen Tauglichen und Untauglichen bleibt mit etwa 70:20 seit Jahren unverändert - ohne Berücksichtigung der „vorübergehend Untauglichen“ (ca. zehn Prozent).

Hauptmann Christoph Hofmeister (Bild: Alexander Schwab)
Hauptmann Christoph Hofmeister

Sozusagen ist dann in etwa jeder Fünfte untauglich?
Ja, zumindest seit dem Jahr 2008. Damals waren von 55.887 bei der Stellung Untersuchten 39.561 tauglich. 2018 schafften es 30.728 von 46.519.

Was sind die häufigsten Gründe für Untauglichkeit?
Einschränkungen des Bewegungs- und Stützapparates sowie alle Arten innerer Erkrankungen wie Essstörungen, Asthma oder Neurodermitis sowie Sehbeeinträchtigungen und Unverträglichkeiten. Aber auch psychologische Faktoren spielen eine Rolle.

Zusätzlich zu Tauglichkeitsstufen (null bis neun) gibt es für Soldaten ja auch „Befreiungen“, welche bei körperlichen Gebrechen ausgestellt werden.
Befreiungen können aufgrund von Verletzungen während des Grundwehrdienstes ausgestellt werden. So gibt es zum Beispiel Trage- oder Marschbefreiungen, die dem körperlichen Zustand des jeweiligen Soldaten angepasst sind.

Warum leidet unser wehrpflichtiger Nachwuchs an derartig vielen Gebrechen?
Das Heer muss nur feststellen, ob Männer tauglich sind. Viele haben erst bei der Musterung ihre erste große körperliche Untersuchung. Dabei können Krankheiten festgestellt werden, die vorher noch unbekannt waren.

Oliver Papacek und Alexander Schwab, Kronen Zeitung

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt