Schüler erstach Mutter

Nach Bluttat in NÖ: Wenn Kinder töten …

Österreich
25.07.2019 06:00

Wenn Kinder töten: Der Schock nach der Bluttat in Niederösterreich - ein 14 Jahre alter Schüler erstach wie berichtet seine eigene Mutter - ist groß. Doch es ist nicht die erste Horror-Tat in Österreich. International schockten etwa zwei britische Buben in den 1990er-Jahren die ganze Welt. Laut Gesetz ist man in Österreich unter 14 Jahren nicht strafbar. Konsequenzen für kriminelle Kinder gibt es aber dennoch.

Wenn Kinder töten, ist selbst das Unfassbare noch unbegreiflicher. Erst am Montag erschütterte - wie berichtet - so ein Kapitalverbrechen eine 3000-Seelen-Gemeinde im südlichen Niederösterreich: Ein Schüler (14) stach nach einem Streit mit einem Messer fünf- bis siebenmal auf seine Mutter ein. Danach vergingen mehrere Stunden, ehe der Jugendliche selbst den Notruf wählte und in den Hörer sagte: „Kommt’s schnell, Mama ist tot!“ Für die 55-Jährige kam aber jede Hilfe zu spät. Der Onkel des mutmaßlichen Täters (es gilt die Unschuldsvermutung) wurde in der Nacht an den Tatort geholt.

In diesem Wohnhaus kam es zur Bluttat. (Bild: Andi Schiel)
In diesem Wohnhaus kam es zur Bluttat.

Im Gespräch mit der „Krone“ sagte er mit Tränen in den Augen: „Dass es soweit kommt, hätte ich mir nie gedacht. Der Bua saß ganz ruhig da und dann haben sie ihn mitgenommen.“ Jetzt sitzt der „Bua“ in der Justizanstalt Wiener Neustadt und wartet auf seinen Strafprozess.

Nicht das erste Kind, das tötete
Doch der 14-Jährige ist nicht das erste Kind, das tötete. Im Jahre 1993 gingen „Verbrecher-Bilder“ zweier harmlos aussehender Knirpse aus der Beatles-Stadt Liverpool um die ganze Welt: Die beiden Kinder entführten in einem Einkaufszentrum den knapp dreijährigen James, traktierten ihn, schlugen mit einer zehn Kilogramm schweren Eisenstange immer wieder auf ihn ein, bis sein völlig zerfetzter, lebloser Körper bei Bahngleisen gefunden wurde.

Jon und Robert wurden 1993 im englischen Liverpool nach der Verhaftung fotografiert. Die beiden Zehnjährigen erschlugen den knapp dreijährigen James aus Langeweile. (Bild: APA)
Jon und Robert wurden 1993 im englischen Liverpool nach der Verhaftung fotografiert. Die beiden Zehnjährigen erschlugen den knapp dreijährigen James aus Langeweile.

Robert K. soll als 16-Jähriger dem Nachbarskind Hadishat (7) in einem Wiener Gemeindebau den Hals aufschnitten und ihre Leiche dann im Mistkübel entsorgt haben. Wegen eines Verfahrenfehlers muss der Prozess heuer wiederholt werden (siehe auch Video unten).

(Bild: APA/Helmut Fohringer, Kronen Zeitung, krone.at-Grafik)

In Wien-Margareten hatte die 14-jährige Angelika 2010 ihre Mutter erstochen, flüchtete nach der Bluttat in einen Wald, im Gefängnis schluchzte sie dann: „Mami, komm bitte wieder zu mir!“ Nach fünf Jahren wurde sie aus der Haft in die Freiheit entlassen. Das Plädoyer ihres Anwaltes Ernst Schillhammer, der auch den 14-Jährigen jetzt vertreten will, damals: „Meine Mandantin ist keine Mörderin, sie hat ihre Tat im Affekt begangen, nach jahrelangen Quälereien durch ihre Mutter!“

Angelika (14) beim Mordprozess in Wien (Bild: Zwefo)
Angelika (14) beim Mordprozess in Wien

Ein ewiges Rätsel hingegen bleibt die Tat des Vorarlbergers Leon. 2017 hatte der damals 14-Jährige seinen Vater in Götzis erstochen. Zurück bleiben eine verstörte Mutter und achselzuckende Psychiater. Denn Leon sagte nur: „Ich weiß doch auch nicht, warum ich meinen Papa umgebracht habe. Denn ich hab ihn ja lieb.“

„Außer Kontrolle geraten!“
 Die „Krone“ fragte bei der Wiener Jugend- und Kinderpsychologin Mag. Valerie Reich-Rohrwig nach, wie es zu solchen Gewaltexzessen kommen kann.

Die Wiener Jugend- und Kinderpsychologin Mag. Valerie Reich-Rohrwig (Bild: Andreas Schiel; vrr; krone.at-Grafik)
Die Wiener Jugend- und Kinderpsychologin Mag. Valerie Reich-Rohrwig

„Krone“: Was geht in den Köpfen der Kinder vor, die töten?
Valerie Reich-Rohrwig: Kinder und Jugendliche, die töten, lösen stets Verwunderung, Entsetzen und Unverständnis aus. Sie tun dies meist nicht vorsätzlich. Sie befinden sich in einer psychischen Ausnahmesituation und geraten außer Kontrolle.

Kann man das irgendwie abstoppen, rechtzeitig?
Sie sind meist nicht mehr in der Lage, ihre aggressive Handlung zu unterbrechen. Motive sind denen der Erwachsenen ähnlich, jedoch nimmt man an, dass bei Kindern und Jugendlichen die Toleranzschwelle niedriger ist und es eher um Alltags-, Beziehungskonflikte, Macht und Neid geht.

Gibt es Risikofaktoren?
Eigenes Gewalterleben in der Familie, Mobbing, Drogen, exzessives Gaming, Schulabbruch und niedriges soziales Niveau.

Ab wann Gerichte zuständig sind
 Unter 14 Jahren ist man nicht deliktfähig, also nicht strafbar. Anklagen, Prozesse, Haftstrafen gibt es nicht für Kinder, die Delikte begehen. Konsequenzen aber schon: etwa erzieherische Maßnahmen, Fremdunterbringungen, Anti-Aggressions-Therapien, erläutert etwa Anwältin Astrid Wagner im krone.tv-Brennpunkt.

krone.tv-Diskussion mit Psychiaterin Sigrun Roßmanith, Christoph Wiederkehr (NEOS), Katja Wagner, Hans-Jörg Jenewein (FPÖ), Anwältin Astrid Wagner (von li. nach re.) (Bild: Klemens Groh)
krone.tv-Diskussion mit Psychiaterin Sigrun Roßmanith, Christoph Wiederkehr (NEOS), Katja Wagner, Hans-Jörg Jenewein (FPÖ), Anwältin Astrid Wagner (von li. nach re.)

Ab 14 Jahren erlangen Jugendliche die sogenannte Strafmündigkeit und werden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Dazu müssen sie aber reif genug sein, ihr Unrecht einzusehen, und zumindest auch fähig sein, entsprechend handeln zu können. Als Jugendliche bezeichnet das Jugendgerichtsgesetz (JGG) Menschen zwischen 14 und 18 Jahren. Der Strafrahmen ist niedriger als bei Erwachsenen, das Höchstmaß der jeweils angedrohten Freiheitsstrafen grob gesagt um die Hälfte herabgesetzt. Besonderheiten sieht das Gesetz auch für junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren vor.

Wie Gerichtsgutachterin Sigrun Roßmanith im krone.tv-Brennpunkt (siehe auch Video oben) sagte: „Kriminelle Jugendliche fallen nicht vom Himmel.“ Sie sieht sie als „Spiegel destruktiven Potenzials in der Gesellschaft“.

Matthias Lassnig, Florian Hitz und Silvia Schober, Kronen Zeitung

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