Mit Quereinsteiger Helmut Brandstätter haben die NEOS einen scharfen Kritiker von ÖVP-Chef Sebastian Kurz in die Partei geholt. Mit der „Krone“ spricht ihr Gönner Hans Peter Haselsteiner über Spenden und Schreddern, Strache und Benko und sein Grausen vor dem Ibiza-Video.
Er sitzt auf der Terrasse seines Hauses in Kärnten, vor ihm eine Kanne Assam-Tee. Sein Blick schweift über den klaren Millstätter See und die Nockberge. „Ich mag die Frische, die dieser See ausstrahlt“, sagt Baulöwe Hans Peter Haselsteiner, „in der Früh geh‘ ich meistens eine Runde schwimmen.“ Den Einstieg des ehemaligen „Kurier“-Herausgebers in die Spitzenpolitik und in den Wahlkampf verfolgte der NEOS-Financier aus 400 Kilometern Entfernung - und mit gespanntem Wohlwollen.
„Krone“: Herr Haselsteiner, haben Sie den Deal mit Helmut Brandstätter eingefädelt?
Hans Peter Haselsteiner: Nein. Ich denke aber, dass er mit seiner bürgerlich-liberalen Grundhaltung gut zu den NEOS passt.
Aber wird er den Pinken wirklich Stimmen bringen?
Das hoffe ich doch!
Hat er sie um Rat gefragt?
Nein, er ist ja schon groß (lacht).
Mit Brandstätter haben die NEOS einen erklärten Kurz-Gegner in die Partei geholt. In seinem Buch wirft er der gestürzten Regierung vor, sie habe Österreich in einen autoritären Staat umbauen wollen. Teilen Sie diese Meinung?
Da gibt es einige Indizien, die das belegen, und bedauerlicherweise auch einige Beispiele in Europa, wo das bereits gelungen ist.
Haben Sie das Buch gelesen?
Quergelesen. Es liegt hier, ich habe es mir für den Urlaub vorgenommen.
Es ist eine einzige Warnung vor einer türkis-blauen Neuauflage. Auch Sie haben nach dem Regierungsbruch gemeint: „Ich bin froh, dass dieser Spuk vorbei ist.“ Welchen Spuk meinten Sie da genau?
Die FPÖ. Ich halte eine Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen für schädlich für unser Land. Jeder, der im Ausland beruflich tätig ist, kann ein Lied davon singen.
Heißt das, dass jetzt die NEOS in die Regierung wollen?
Das heißt es nicht - und von wollen kann schon gar keine Rede sein.
Vielleicht will auch Sebastian Kurz nicht mehr mit den NEOS koalieren, wenn die Nummer zwei ihm vorwirft, ein Antidemokrat zu sein.
Ich glaube nicht, dass Kurz mit Brandstätter ein Problem hat. Ich kann mir aber vorstellen, dass er den Vergleich mit unserer Parteichefin Beate Meinl-Reisinger scheut. Sie ist die einzige Politikerin - Männer sind mitgemeint - in Österreich, die das Zeug hat, es mit ihm aufzunehmen. Das ist es auch, was mich tröstet, sollte der Kelch einer Regierungsbeteiligung nicht an uns vorbeigehen.
Wäre das so furchtbar?
Ich hielte es für eine äußerst schwierige Aufgabe, insbesondere wenn es eine Regierung zu zweit wäre. Da hätte ich die allergrößten Bedenken.
Wenn Türkis-Blau schrecklich und Türkis-Pink schwierig ist, mit wem soll Kurz nach der Wahl dann regieren?
Es gibt die Möglichkeit einer großen Koalition, es gibt auch die Möglichkeit einer Ampelkoalition, egal in welcher Zusammensetzung, da wären die NEOS natürlich dabei. Auch Türkis-Grün ist nicht denkunmöglich. Ich glaube jedenfalls, dass der Herr Ex-Bundeskanzler mehr Möglichkeiten haben wird als nach der letzten Wahl, denn damals - das muss man ihm zugestehen - hatte er nur die Wahl zwischen Fortsetzung der großen Koalition oder Türkis-Blau.
Und die SPÖ wollte ja nicht wirklich.
Das ist jetzt Geschichte und spielt keine Rolle mehr. Er hat jedenfalls eine Variante gewählt, die für Österreich nicht gut war und deren Ende uns der Lächerlichkeit und Häme ausgesetzt hat.
Denken Sie, dass Sebastian Kurz durch die Schredder-Affäre angeschlagen ist?
Das ist zu viel gesagt. Er hat ein paar kleine Kratzer bekommen, mehr nicht in meinen Augen. Obwohl es eine Unglaublichkeit ist. Wie kann so was passieren? Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass Kurz das angeordnet oder gutgeheißen hat. Dafür halte ich ihn für zu klug.
Wird es die Wahl beeinflussen?
Das lässt sich heute noch nicht endgültig abschätzen. Wir wissen ja nicht, was da geschreddert wurde. Es ist ja nicht nur einmal, es ist dreimal geschreddert worden. Die Bruchstücke schwimmen wahrscheinlich irgendwo in der Donau. Das wird die Spekulationen weiterhin anheizen, und nichts ist so spannend wie das Geheimnisvolle, das sich dem Blick des Publikums entzieht.
Es wurde gemutmaßt, dass die Festplatten etwas mit dem Ibiza-Video zu tun hätten, in dem Sie ja auch eine große Rolle spielen. Haben Sie schon geprüft, ob unter Türkis-Blau, wie Strache behauptete, Ihrem Strabag-Konzern Bauaufträge entgangen sind?
Es gibt dafür keinerlei Hinweise.
Also war es nur Prahlerei?
Es war ein Sittenbild der FPÖ. Alles, was auf Ibiza gesprochen wurde, wurde mit Sicherheit auch vorher schon besprochen. Es wäre doch naiv zu glauben, nur Strache und Gudenus hätten darüber geredet, wie man die „Kronen Zeitung“ gängeln oder dem Haselsteiner eins auswischen könnte.
Wer steckt dahinter?
Uninteressant!
Finden Sie das Motiv wirklich uninteressant?
Ja, da wollte halt irgendjemand ein Geschäft machen.
Halten Sie politische Gründe, also letztlich den Sturz der Regierung, für ausgeschlossen?
Eigentlich schon. 2017 war die FPÖ ja noch gar nicht in der Regierung.
Hätten Sie Interesse, das Video in voller Länge zu sehen und es eventuell zu kaufen?
Nein danke! Mir graust es schon vor dem, was ich gesehen habe.
Im Video wird auch der Immobilieninvestor René Benko genannt. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Wir pflegen eine enge, gute Geschäftsverbindung, ich bin ja auch bei seiner Signa beteiligt.
Hat es Sie überrascht, dass Strache auf Benkos Jacht eingeladen war?
Es hat mich überrascht, ja. Aber dann habe ich René Benkos Erklärung zur Kenntnis genommen.
Wie lautete die?
Der Herr Strache ist einfach dort erschienen, und über Bord schmeißen hat ihn René nicht gut können.
Hat Ihr Engagement für die NEOS mit Ihrer Abneigung gegen die FPÖ zu tun? Oder warum zahlen Sie der Partei so viel Geld?
Weil ich glaube, dass eine liberale Stimme im österreichischen Parlament von großer Wichtigkeit ist.
Die NEOS schwächeln, liegen momentan bei sieben Prozent. Warum?
Mir ist egal, wo wir in den Umfragen liegen. Das Einzige, was mir nicht egal ist, das ist unser Abschneiden am 29. September, und dann sehen wir weiter.
War es okay, der Partei kurz vor der Gesetzesänderung noch schnell ein Abschiedsgeschenk von 300.000 Euro zu machen?
Für mich war es okay, für die NEOS war es auch okay. Jeder, der nachdenkt, wird es als Aktion gegen die Mächtigen begreifen, die den Aufstrebenden Steine in den Weg legen. Ja nur kein Wettbewerb! Die Großparteien wollen zwar alle Möglichkeiten für sich ausschöpfen, aber die Kleinparteien sollen nicht profitieren.
Herr Haselsteiner, Sie sind jetzt 75. Werden Sie je von sich sagen können: Ich bin Pensionist?
Das hoffe ich doch nicht. Außer es trifft mich der Schlag und ich bin nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Ich hoffe, dass mir das möglichst lange erspart bleibt. Bis dahin werde ich niemals untätig sein. Nicht, wenn ich nicht muss.
Liberaler Geist und Kunstmäzen
Geboren am 1. Februar 1944 in Wörgl, Tirol. Die Mutter ist Lehrerin, der Vater Innenarchitekt. Studium der Handelswissenschaften, 1972 Eintritt in die Ilbau-AG. Aus dem Regionalunternehmen baut er den internationalen Strabag-Konzern, den er viele Jahre führte. In den Neunzigerjahren war Haselsteiner Mitbegründer und Abgeordneter des Liberalen Forums, nun unterstützt er die NEOS. Der bekennende Freimaurer und Kunstmäzen ist Hauptsponsor der Festspiele Erl. Der Vater von vier Söhnen unterstützt zahlreiche Sozialprojekte.
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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