Skandal im Salzkammergut: Ein Mediziner soll jahrzehntelang Buben sexuell missbraucht haben. Mittlerweile sind 95 mögliche Opfer namentlich bekannt.
Der Mantel des (Ver-)Schweigens hielt lange. Viel zu lange. Seit dem Jahr 2000 soll sich ein heute 55 Jahre alter Urologe aus dem Salzkammergut immer wieder an Buben vergriffen haben. Bis sich eines der mutmaßlichen Opfer endlich seiner Mutter anvertraute, welche die Behörden informierte.
Seit Ende Jänner sitzt der beschuldigte und zum Teil geständige Mediziner in Wels in Oberösterreich in Untersuchungshaft. Er gibt an, seine „Untersuchungen“ im Anal- und Genitalbereich seien medizinisch notwendig gewesen. Ein Gutachten sagt das Gegenteil. Währenddessen wird die Zahl der Opfer immer größer.
„Er wirkt durchaus sympathisch“
Doch wie konnte der Urologe so lange unbehelligt vom Heiler zum Täter werden? Franz Hofmann, Anwalt in Vöcklabruck, vertritt neun Opfer: „Ich kenne den Verdächtigen sicher seit 30 Jahren. Er wirkt durchaus sympathisch, ist sozial bestens integriert. Er stammt aus einer Unternehmerfamilie, hat überall Freunde und Bekannte.“
Doch hinter der Maske des angejahrten „Sonnyboys“ soll sich ein pädophiler Serientäter verborgen haben. „Eltern haben sich vertrauensvoll an ihn gewandt. Er galt als der große Ansprechpartner für alle möglichen Unterleibsprobleme. Ein Freund des Hauses, der auch am Wochenende gerne Zeit hatte“, sagt Hofmann.
Dann soll der Urologe des Grauens aber die Kinder und Jugendlichen immer stärker in seinen Dunstkreis gezogen haben. Mit Essenseinladungen und Geldgeschenken, immer als lässiger, cooler „Onkel“, mit dem man auch über die intimsten Probleme locker reden konnte. „Leider sind es genau solche Typen, die wissen, wie sie das Vertrauen ihrer jungen Opfer erwerben können“, warnt Kinder- und Jugendpsychiaterin Bettina Matschnig aus Wels.
„Prüfen jeden Verdacht“
Das schwarze Schaf im weißen Kittel erschüttert auch Ärztekammer-Chef Thomas Szekeres.
„Krone“: Herr Dr. Szekeres, als Kammerchef vertreten Sie in Österreich mehr als 46.000 eingetragene Ärzte. Ordinieren irgendwo noch andere schwarze Schafe?
Thomas Szekeres: Fast 100 Prozent unserer Mediziner heilen und helfen pflichtbewusst mit beherztem Engagement. Einzelne „schwarze Schafe“ gibt es leider, doch versuchen wir alles, diese von der Behandlung von Patienten fernzuhalten.
Versagen da aber nicht die Kontrollmechanismen?
Wir gehen jedem Verdacht und jeder Anzeige gewissenhaft nach. Die Kammer hat ja das Recht und die Verpflichtung, Vertrauenswürdigkeit und gesundheitliche Eignung der heimischen Ärzte zu prüfen.
Dieser Urologe in Oberösterreich konnte offenbar aber dennoch jahrelang schwere Verbrechen begehen!
Wir führen regelmäßige strenge Kontrollen durch! Wie in anderen Berufsständen kann es aber immer einzelne Kriminelle geben, die ihre Verbrechen sehr gut verbergen.
Gibt es bei Verfehlungen wirksame Konsequenzen?
Wir haben Disziplinarhoheit. Vorwürfe werden also geprüft und ähnlich einem Gerichtsverfahren abgehandelt. Die Konsequenzen gehen bis zum Entzug der Berufsberechtigung.
Im konkreten Fall?
Der Kollege hat sich selbst aus der Ärzteliste streichen lassen und ist so dem Verfahren zuvorgekommen.
Christoph Gantner, Mark Perry und Johann Palmisano, Kronen Zeitung
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