Bangen um Salzburgerin

In Portugal vermisst: „Julia, bitte komm zurück!“

Salzburg
04.08.2019 06:00

Sie lebte in Portugal. Hatte dort einen Partner. Schmiedete Zukunftspläne. Schien glücklich zu sein. Dann verschwand die 28-jährige Salzburgerin plötzlich spurlos bei einem Spaziergang. In der „Krone“ sprechen nun der Freund und die Eltern der Vermissten.

Langsam“, sagt Tybo G. mit brüchiger Stimme, „spüre ich, dass ich meine Kraft verliere.“ Körperlich – und psychisch. Seit fünf Wochen, „von Sonnenaufgang an bis zum Einbruch der Dunkelheit“, geht der 31-Jährige jeden Tag die Gegend um Pedralva im Südwesten Portugals ab; durchstreift Felder, Wiesen, Wälder. Spricht Einheimische und Touristen an, zeigt ihnen Fotos von seiner Freundin Julia, spricht über seine verzweifelte Suche nach ihr.

„Es kann doch nicht sein“, schluchzt der Mann dann immer, „dass ein Mensch von der Erde verschwindet, ohne eine Spur von sich zu hinterlassen.“

„Es fehlte uns an nichts“
Und doch ist es irgendwie so gewesen. Am 28. Juni. Als die junge Salzburgerin von einem Spaziergang nicht mehr zurückkehrte; in den Wohn-Van, in dem sie zuletzt mit dem Belgier gelebt hatte. Zwischen Bäumen, nahe dem Haus eines Försters: „Wir halfen ihm manchmal bei der Arbeit, er gab uns dafür einen kleinen Lohn und wir durften seine Nassräume und seine Küche benutzen. Wirklich, es fehlte uns an nichts.“

Der Wohn-Van, in dem das Paar lebte (Bild: Martina Prewein)
Der Wohn-Van, in dem das Paar lebte

„War Julia in Wahrheit unglücklich? Wollte sie nur noch weg von mir? Ist sie bei Aussteigern, von denen es hier so viele gibt, untergetaucht? Hat sie sich etwas angetan? Das sind die Fragen, die mich quälen, auf die ich keine Antwort weiß“, klagt Tybo G., und er beginnt zu erzählen, über sich, über die Vermisste; über ihre Beziehung zueinander. „Julia und ich lernten einander im Dezember 2018 kennen.“ In Portugal. Die Grafikerin und der Maler waren da schon ein paar Monate in ihren Vans unterwegs gewesen, „um ein bisschen die Welt zu erkunden. Und um zu erfahren, was es bedeutet, frei zu sein.“

Mit Gelegenheitsjobs, in Lokalen, bei Landwirtschaftsbetrieben, „schafften wir es, uns finanziell über Wasser zu halten“. Anfangs, so der Belgier, seien er und die Salzburgerin, „bloß Freunde“ gewesen, „aber bald wurde unser Kontakt enger, und wir verliebten uns“. Und dann? „Verbrachten wir wunderbare Wochen. Waren viel in der Natur unterwegs, hatten tolle Gespräche; wir lachten, wir tanzten.“ Bis zum März, da ging der 31-Jährige für einige Zeit nach Südamerika, „Julia begleitete mich leider nicht, weil sie sich mittlerweile in Pedralva extrem wohl fühlte.“

„Plötzlich begann sie sich zu verändern“
 Während seines Trips habe er seine Freundin oft angerufen, „und wir schrieben einander ständig SMS. Weil wir einander sehr fehlten.“ Doch bei seiner Rückkehr im Mai „war Julia anders als zuvor. Nachdenklicher, ernster.“ Warum? „Sie meinte, sie müsse über einiges nachdenken.“ Worüber? „Über ihre Zukunft.“

In Salzburg hatte die Frau früher Kleidungsstücke mit selbst entworfenen Ornamenten bedruckt, „und nun wollte sie in Portugal eine Firma gründen und wieder ihrem Traumberuf nachgehen.“ Auch die Eltern der 28-Jährigen wussten von diesem Plan: „Wir haben ja regelmäßig mit ihr geskypt.“

Unfall warf sie „aus der Bahn“
Was sie allerdings nicht ahnten, wovon sie erst nach Julias Verschwinden in Portugal erfuhren, von den Behörden und von ihrem Freund: Ein Unfall Mitte Juli mit ihrem Van – er war danach nicht mehr benutzbar – hatte die junge Frau, wie Tybo G. es ausdrückt, „aus der Bahn geworfen“. „Das Fahrzeug ist ihre Schlafstätte, ihr Arbeitsplatz, ihr Zuhause gewesen“, so Julias Vater, „der Verlust war für sie kaum verkraftbar.“ Die Hoffnung ihrer Familie: dass Julia in ihrem Frust „freiwillig weitergezogen“ sei; vielleicht an einen anderen Ort in Portugal oder nach Spanien.

Aber warum hätte sie dann all ihre Habseligkeiten, sogar ihre Dokumente, ihr Handy und ihr Geld, bei Tybo G. zurückgelassen? „Ich kann nicht glauben, dass Julia Selbstmord begangen hat“, sagt er, „die Umstände ihres Verschwindens sprechen einfach dagegen.“ Am Abend des 28. Juli hatte der Belgier ein Konzert besucht, „Julia ist währenddessen mit meinem Hund spazieren gegangen. Sie hing sehr an ihm, niemals hätte sie ihn alleine irgendwo zurückgelassen.“

„Niemals hätte sie meinen Hund im Stich gelassen“, ist Tybo G. überzeugt. (Bild: zVg)
„Niemals hätte sie meinen Hund im Stich gelassen“, ist Tybo G. überzeugt.

Als der Mann gegen 22 Uhr heimkam, waren weder seine Freundin noch das Tier in seinem Van: „Ich machte mir deshalb gleich fürchterliche Sorgen und begann die beiden zu suchen.“ Um 3 Uhr fand er den Beagle, „ohne Halsband, und er war völlig verängstigt“. Was ist in den Stunden davor geschehen? „Werde ich das jemals erfahren?“ fragt Tybo G., und wieder laufen Tränen aus seinen Augen.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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