Bei Protestkundgebung
Zehntausende fordern faire Wahlen in Moskau
In Moskau haben am Samstag Zehntausende Menschen für freie Wahlen demonstriert. In der größten Protestkundgebung seit Jahren verlangte die Menge, dass auch Kandidaten der Opposition zur Kommunalwahl in Moskau im September zugelassen werden. Die Moskauer Wahl gilt als Test für die landesweite Parlamentswahl 2021.
Die Polizei sprach von rund 20.000 Demonstranten. Die Nichtregierungsorganisation White Counter schätzte die Zahl dagegen auf rund 50.000. Es war die größte Kundgebung der Opposition seit den Jahren 2011 bis 2013, als Zehntausende auf die Straße gingen und gegen Wahlbetrug protestierten.
Regierungskritiker nicht zu Wahl zugelassen
Journalisten zufolge strömten viele Menschen selbst lange Zeit nach dem offiziellen Beginn zu der Kundgebung in der Hauptstadt. Sie folgten trotz Regens dem Aufruf der Opposition. Sie will erreichen, dass alle Kandidaten zur Stadtratswahl in vier Wochen zugelassen werden. Regierungskritiker sind dort wegen angeblicher Formfehler bei ihren Registrierungsanträgen nicht zugelassen. Viele prominente Oppositionspolitiker sitzen in Haft. Zu den Protesten haben aber auch bekannte Blogger mit Millionen Followern aufgerufen, um ein Zeichen gegen Polizeigewalt zu setzen.
Die bekannte Oppositionelle Ljubow Sobol wurde einige Stunden vor der Kundgebung von der Polizei festgenommen, ihr Büro wurde durchsucht. Sobol befindet sich im Hungerstreik. Sie ist eine enge Mitarbeiterin von Alexej Nawalny, dem bekanntesten Kritiker von Präsident Wladimir Putin. Die Polizei teilte mit, sie habe Informationen, dass Sobol und andere Aktivisten während der Kundgebung eine Provokation geplant hätten.
Nawalny rief zu „Spaziergängen“ auf
Der inhaftierte Nawalny selbst ließ über soziale Medien einen Aufruf an die Demonstranten verbreiten, sie sollten nach der Kundgebung zu „Spaziergängen“ in Moskau aufbrechen. Die Polizei warnte vor derartigen Protestformen und drohte an, Teilnehmer von illegalen Aktionen festzunehmen.
Am Rande der Demonstration zogen Hundertschaften von Uniformierten in Schutzwesten, mit Schlagstöcken und Helmen auf. Vor den Personenkontrollen der Polizei staute es sich. Menschen mussten lange warten, um überhaupt zum Versammlungsort zu gelangen. Gekommen waren viele junge Menschen, aber auch Eltern mit ihren Kindern und Ältere. Der bekannte Rapper Oxxxymiron nahm an der Demonstration teil und trug ein T-Shirt mit einem Foto des inhaftierten Studenten Jegor Schukow.
„Russland ohne Putin“
Die Demonstranten skandierten im Hinblick auf den Kremlchef „Russland ohne Putin“. Auf Transparenten war etwa zu lesen „Geben Sie Moskau die Wahlen zurück“, „Hier wählen wir“, „Ich habe das Recht auf eine Wahl“ oder „Ich bin wütend“. In anderen Städten Russlands wie St. Petersburg gab es Solidaritätskundgebungen.
„Sie brauchen Blut“, schrieb die Kreml-treue „Komsomolskaja Prawda“ im Hinblick auf die Kundgebung am Samstag. Die Tageszeitung „Wedomosti“ hingegen räumte ein, dass sich ein „Großteil der Gesellschaft“ durch das Regierungssystem unter Präsident Putin „nicht repräsentiert“ sehe. Daher werde „Repression“ die Unzufriedenheit allenfalls „dämpfen“ können, aber nicht „das Problem an der Wurzel fassen“.
Kritik an Vorgehen der Polizei
Die Großkundgebung am Samstag war bereits die vierte in der russischen Hauptstadt in vier Wochen. Anders als vor einer Woche hatten die Behörden die Demonstration diesmal genehmigt. Bei nicht erlaubten Protesten waren an den beiden vergangenen Samstagen mehr als 2000 Menschen vorübergehend festgenommen worden. Sicherheitskräfte gingen massiv gegen friedliche Demonstranten vor.
Die USA und die EU hatten das Vorgehen der Behörden kritisiert. Außenminister Alexander Schallenberg erachtet den Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten in Moskau und die vielen Festnahmen als „unverhältnismäßig und unvertretbar“.
Erneut Dutzende Festnahmen
Auch bei der aktuellen Kundgebung gab es wieder Dutzende Festnahmen. Nach Angaben der NGO OVD-Info wurden in Moskau zumindest 71 Personen von der Polizei abgeführt. In St. Petersburg gab es demnach weitere 80 Festnahmen. Andere Beobachter sprachen von rund 250 Festnahmen.
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