Er zählt zu den größten Opernstars unserer Zeit - jetzt könnte das gute Image von Placido Domingo gewaltige Risse bekommen. Neun Frauen werfen dem 78-Jährigen vor, sie in der Vergangenheit sexuell belästigt und ihnen versprochen zu haben, dass er ihnen gegen sexuelle Gefälligkeiten Jobs verschaffen könnte. Hätte man seinem Drängen nicht nachgegeben, so sei man bestraft worden und habe keine Rollen mehr bekommen, erklärten die Frauen in Interviews mit der AP.
Neben Luciano Pavarotti und Jose Carreras stand er als einer der „Drei Tenöre“ auf der Bühne und wird bis heute von seinen Fans auf der Bühne umjubelt. Hinter den Kulissen soll Placido Domingo aber ein anderes Gesicht von sich gezeigt haben, berichten jetzt neun Frauen, die mit Belästigungs-Vorwürfen gegen den Opern-Star an die Öffentlichkeit gingen.
Hatte es auf junge Kolleginnen abgesehen
Es habe zahlreiche Übergriffe in einem Zeitraum von 30 Jahren gegeben, berichten acht Sängerinnen und eine Tänzerin im Interview mit der AP. In der Opern-Welt sei das sexuell aggressive Verhalten Domingos kein Geheimnis gewesen sein, heißt es. Dutzende Zeugen, darunter Sänger, Musiker oder Gesangslehrer, hätten beobachtet, wie der Tenor sich Frauen aufgedrängt habe.
Opfer seiner sexuellen Avancen seien dabei stets jüngere Frauen zu Beginn derer Karrieren gewesen, die er beharrlich bedrängt und sie sogar nachts telefonisch belästigt habe, obwohl keine von ihnen ihm jemals ihre Nummer gegeben habe.
Oft seien die jungen Frauen schon von Kollegen gewarnt worden, wird berichtet. Man habe ihnen geraten, sich nur mittags mit ihm zu treffen und nie mit ihm allein zu sein. Vor allem bei Veranstaltungen, bei denen Domingo in Management-Posititonen tätig war, habe er sein Machtverhältnis ausgenutzt, heißt es weiter.
Eine Sängerin sprach von einem Erlebnis mit dem heute 78-Jährigen. „Ein Geschäftsessen ist nichts Merkwürdiges. Aber wenn jemand dabei versucht, deine Hand zu halten oder seine Hand auf dein Knie legt, dann ist das befremdlich. Er hat einen immer auf so eine gewisse Art angefasst, dich immer geküsst.“
„Möchte nicht, dass du dich wie eine Prostituierte fühlst“
Eine andere Sängerin berichtete von einem ähnlichen Zwischenfall. Dabei habe Domingo seine Hand unter ihren Rock geschoben. Andere schilderten, der Opern-Star habe ihnen in Garderoben, bei Essen oder in Hotel-Zimmern oft Küsse auf den Mund aufgezwungen. Zwei der Frauen gaben zu, sie hätten Domingos Drängen nachgegeben - aus Angst, keine Jobs mehr zu bekommen, wenn sie es sich mit dem mächtigsten Mann in der Branche verscherzten.
Eine der Frauen erklärte zudem, sie habe zwei Mal Sex mit Domingo gehabt, weil er sich zuvor drei Jahre nicht abwimmeln habe lassen. „Mir sind einfach die Ausreden ausgegangen“, erklärte sie. Nach einem der Treffen habe ihr Domingo beim Verlassen des Hotelzimmers zehn Dollar auf die Kommode gelegt und gemeint: „Ich möchte nicht, dass du dich wie eine Prostituierte fühlst. Aber ich will auch nicht, dass du fürs Parken bezahlen musst.“
„Wer sagt schon Nein zu Gott?“
„Ich fühlte mich wie Beute. Es war, als ob er mich jagen würde“, sprach eine Frau über ihre Erlebnisse mit Domingo. Eine andere erzählte, sie sei 27 Jahre und am Anfang ihrer Karriere gewesen, als Domingo sie in ihrer Garderobe bedrängt und ihr an den Busen gegriffen habe. „Ich war komplett eingeschüchtert und wollte Nein zu ihm sagen. Aber wer sagt schon Nein zu Gott?“, erklärte sie.
Nur eine Frau erlaubte der AP, auch ihren Namen zu veröffentlichen. Patricia Wulf ist Mezzo-Sopran und sang einst mit Domingo an der Washington Opera. Der Opern-Star habe jeden Abend bei ihrem Abgang von der Bühne auf sie gewartet. „Er kam zu mir, so nah er konnte, hielt sein Gesicht direkt in mein Gesicht, senkte seine Stimme und sagte: ,Patricia, musst du heute wirklich nach Hause gehen?‘“
Zuerst habe sie über die Frage nur gelacht, als Domingo mit seinem Drängen aber nicht aufgehört habe, habe sie all ihren Mut zusammengenommen und ihren Standpunkt klar gemacht: „Ich sagte: ,Ja, ich muss heute Abend nach Hause gehen!‘“ Als sie ihn so stehengelassen habe, sei der erste Gedanke gewesen: „Habe ich jetzt meine Karriere ruiniert?“, so Wulf weiter. Die unerwünschten Avancen hätten die gesamte Produktion hindurch aber nicht aufgehört. „Ich kam an einen Punkt, an dem ich mich von der Bühne hinter eine Säule retten wollte. Aber er fand dennoch einen Weg, zu mir zu kommen.“
Alle anderen Frauen, mit denen die AP über die sexuellen Übergriffe Domingos gesprochen hatte, wollten lieber anonym bleiben, da sie noch im Business tätig sind und Angst vor öffentlichen Anfeindungen haben, heißt es. Zusätzlich zu diesen Frauen berichteten noch sechs weitere von unangenehmen zweideutigen Avancen, die der Musiker ihnen gemacht habe.
Domingo: „Anschuldigungen zutiefst bestürzend“
„Die Anschuldigungen der namentlich nicht genannten Personen sind fast 30 Jahre alt und zutiefst bestürzend“, erklärte Domingo in einem ersten Statement gegenüber der AP. Doch sie seien nicht richtig.
„Trotzdem tut es weh zu hören, dass ich jemandem Unwohlsein bereitet haben könnte. Ich habe geglaubt, dass alle Interaktionen und Beziehungen immer begrüßt wurden und einvernehmlich waren. Wer mich kennt oder mit mir gearbeitet hat, weiß, dass ich niemanden absichtlich verletzen, beleidigen oder in Verlegenheit bringen würde. Ich erkenne aber, dass die Regeln und Standards, an denen wir uns heute messen - und messen sollten -, ganz andere sind als in der Vergangenheit.“
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