Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ibiza-Video, das die FPÖ in ihren Grundfesten erschüttert hat, und der Schredder-Affäre um einen ÖVP-Mitarbeiter? Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sagt zumindest nicht Nein, wie eine Anfragebeantwortung des Justizministers zeigt. Da ein Konnex nicht ausgeschlossen werden könne bzw. „nach Ansicht der WKStA mit der für die Annahme einer Konnexität erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, wird das Verfahren bis zur Klärung, ob ein derartiger Konnex besteht, von der WKStA geführt“. Weitere bisher nicht bekannte Ermittlungsstränge: die „Überlassung von Kokain an verschiedene Abnehmer“ und ein Erpressungsversuch.
Die ÖVP hat mehrfach dementiert, das Video bereits vor dessen medialem Bekanntwerden gekannt zu haben. Es habe sich auch nicht auf den zerstörten Speichermedien befunden, betonten Parteichef Sebastian Kurz und sein Generalsekretär Karl Nehammer. Es seien Druckerfestplatten gewesen, und man habe das Video ja wohl nicht ausdrucken wollen, so die Argumentation.
Ermittlungen wegen schwerem Betrug, Sach- und Datenbeschädigung
Laut der Anfragebeantwortung an die NEOS, die der APA und der „ZiB 2“ vorliegt und die am späten Mittwochabend bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft ausschließlich gegen den damaligen Mitarbeiter des Bundeskanzleramts, der die Datenträger schreddern ließ. Es geht um die Vorwürfe des schweren Betrugs, der Sach- und der Datenbeschädigung.
Ibiza-Ermittlungen jetzt auch wegen „Überlassung von Kokain“
Auch weitere Details zu den Verdachtslagen im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video gehen aus der Anfragebeantwortung hervor. Unter anderem steht die „Überlassung von Kokain an verschiedene Abnehmer“ im Raum. Auch ein Erpressungsversuch gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, bei dem im Juni mit Veröffentlichung weiterer Videopassagen gedroht wurde, wird untersucht. Die Behörden vermuten in Sachen Suchtgifthandel ein schwerwiegendes Vergehen. In der betreffenden Passage des Suchtmittelgesetzes geht es um das Überlassen oder Verschaffen von Suchtgift, was mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert wird.
Das Ibiza-Video:
Gegen wen ermittelt wird, also wer mit Drogen gehandelt haben soll, geht aus der Beantwortung nicht hervor. Justizminister Clemens Jabloner betont, wegen der Nichtöffentlichkeit des offenen Verfahrens keine personenbezogenen Daten herausgeben zu können.
Strache mit neuen Video-Auszügen erpresst?
Der Erpressungsversuch gegen Strache soll am 6. Juni, knapp drei Wochen nachdem „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ erste Auszüge aus dem Ibiza-Video publik gemacht hatten, erfolgt sein. Hier soll jemand behauptet haben, im Besitz des Videos zu sein. Gedroht wurde mit der Veröffentlichung weiterer Passagen, sollte nicht gezahlt werden.
Insgesamt werden 19 (großteils bereits bekannte) Vorwürfe genannt, die auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts bzw. auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft oder noch keiner Enderledigung zugeführt wurden. Dazu gehören die Forderung nach einer Parteispende (sowie die Übersetzung ins Russische als Beitragstat), Steuerbetrügereien, Untreue, aber auch die heimliche Aufzeichnung des Videos, das Verwenden falscher Urkunden oder der Lockvogelauftritt der vorgeblichen russischen Oligarchin beim Treffen mit Strache und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus.
Staatsanwaltschaft hat komplettes Ibiza-Video nicht
Interessant ist auch, auf Grundlage welchen Materials die WKStA ihre Ermittlungen führt. Die Frage, ob die Staatsanwaltschaft in Besitz des gesamten Ibiza-Videos ist, beantwortete Jabloner mit einem knappen „Nein“.
NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper sah sich durch den Umfang der Ermittlungen bestätigt, „dass wir es nicht mit einer ,b‘soffenen Gschicht‘ zu tun haben. Hier geht es um schwere Verbrechen gegen die Interessen unserer Republik. Die Enthüllungen zu Ibiza zeigen die ganze Verdorbenheit des ÖVP-FPÖ-Sumpfs.“
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