Nun tobt Polit-Streit
Erste Migranten verlassen NGO-Schiff auf Lampedusa
Im Gezerre um das NGO-Rettungsschiff Open Arms mit mehr als 130 Migranten an Bord vor der italienischen Insel Lampedusa hat die spanische Hilfsorganisation Proactiva Open Arms einen ersten Teilerfolg erzielt. Neun Migranten durften nach Tagen auf dem Meer das Schiff verlassen und die Insel betreten. Nach Aufhebung eines vom italienischen Innenminister Matteo Salvini erlassenen entsprechenden Verbots durch ein Verwaltungsgericht in Rom legte das Schiff mit mehr als 130 Migranten zuvor im Hafen an. Unterdessen tobt wegen der Open Arms nun ein heftiger innenpolitischer Streit zwischen Salvini und Regierungschef Giuseppe Conte.
Auf Bildern war zu sehen, wie die Migranten das Schiff am Donnerstagabend verließen. Laut der italienischen Nachrichtenagentur Ansa handelte es sich um sechs Frauen und drei Männer aus Eritrea und Somalia. Fünf von ihnen durften wegen „psychologischer Probleme“ von Bord. Seit Donnerstagfrüh sei für die Migranten an Bord „Land in Sicht“, wie die Organisation auf Twitter mitteilte.
Rest der Migranten muss vorerst an Bord bleiben
Der Rest der mehr als 130 Migranten darf allerdings noch nicht anlanden. Die Menschen sind zum Teil seit zwei Wochen an Bord des Schiffs und erhielten zwischendurch auch Besuch von Hollywood-Star Richard Gere. Zeitweise hatten die Seenotretter 160 Migranten an Bord, einige von ihnen wurden unter anderem aus gesundheitlichen Gründen schon frühzeitig nach Malta und Italien gebracht.
Sechs EU-Länder zur Aufnahme von Migranten bereit
Italiens rechter Innenminister Salvini hatte dem Schiff die Einfahrt in die Territorialgewässer des Landes verboten. Nach Angaben von Open-Arms-Gründer Oscar Camps hatte die Organisation dagegen beim Verwaltungsgericht Einspruch eingelegt, das daraufhin die Einfahrt in die Gewässer autorisierte. Sechs EU-Länder (Deutschland, Frankreich, Rumänien, Portugal, Spanien und Luxemburg) hatten sich bereit erklärt, Migranten von der Open Arms zu übernehmen.
Conte kritisiert Salvini: „Unfaire Zusammenarbeit“
Regierungschef Giuseppe Conte ging im Streit um die Migranten zum Angriff auf Salvini über. „Unfaire Zusammenarbeit“, „institutionelle Verstöße“, „politischer Eifer“, „absolute Unnachgiebigkeit“ sind nur einige der Vorhaltungen, die Conte am Freitag in einem langen, auf Facebook veröffentlichten Brief auf den Rechtspopulisten abfeuerte. Das Ganze ist überschrieben mit: „Sehr geehrter Innenminister, lieber Matteo“.
Conte attestierte Salvini, er konzentriere sich zwanghaft auf die Migration. Zudem reduziere er das Thema auf die Formel „geschlossene Häfen“ - und das, um als Politiker an Zustimmung zu gewinnen. „Wenn wir wirklich unsere ,nationalen Interessen‘ schützen wollen, können wir uns nicht darauf beschränken, Positionen der absoluten Unnachgiebigkeit zu vertreten“, erklärte Conte.
Italien steht vor Neuwahlen
Das Schreiben Contes kommt eine Woche nachdem Salvini das Regierungsbündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung und Conte an der Spitze aufkündigte. Salvini will eine Neuwahl, denn in den Umfragen ist seine rechte und ausländerfeindliche Lega mit Abstand die beliebteste Partei im Land. Seit Amtsantritt im Juni 2018 haben seine Zustimmungswerte rasant zugenommen - vor allem wegen seiner harten Hand im Kampf gegen die Zuwanderung aus Nordafrika und gegen private Seenotretter.
Salvini kontert Conte: „Bekenne mich zu meiner Besessenheit“
Salvini nahm das Schreiben als willkommene Vorlage. Gewohnt zynisch antwortete er darauf und verteidigte seinen Kurs. Ja, er sei besessen von der Sicherheit seiner Bürger, die ihm sein Gehalt bezahlten, sagte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im süditalienischen Castel Volturno. „Ich bekenne mich also zu meiner ,Schuld‘, lieber Ministerpräsident, zu meiner ,Besessenheit‘ bei der Bekämpfung aller Arten von Straftaten, der illegalen Einwanderung mit eingeschlossen“, hieß es in einem Antwortschreiben Salvinis.
Salvini-Vertrauter warnt: „Lega könnte in Opposition landen“
Nun regt sich allerdings auch zunehmend Widerstand innerhalb der Lega gegen Salvinis Neuwahlpläne. Diese könne am Ende in der Opposition landen, warnte Staatssekretär Giancarlo Giorgetti, ein enger Vertrauter Salvinis, am Donnerstag. „Wir hätten unsere Regierungsposten behalten können, und jetzt laufen wir Gefahr, dumm auszusehen“, sagte Giorgetti der Zeitung „La Repubblica“. Am Mittwoch hatte Agrarminister Gian Marco Centinaio von der Lega in einem Radiointerview mit Blick auf den bisherigen Koalitionspartner gesagt: „Ich würde niemals eine Tür ganz zuschlagen.“ Doch Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio zeigte am Donnerstag keinerlei Interesse an einer Fortsetzung der Koalition.
Di Maio: „Jeder muss jetzt sein Schicksal selbst in die Hand nehmen“
Di Maio schrieb auf Facebook, Salvini bedauere seinen Schritt jetzt. Doch nun sei der Schaden da. „Jeder muss jetzt sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Viel Glück!“
Derzeit gibt es Annäherungen zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten. Gemeinsam hätten die Parteien rechnerisch eine Mehrheit im Unterhaus und könnten eine Regierung bilden. Eine solche Option, die sie nach der Parlamentswahl im Mai 2018 noch ausgeschlossen hatten, diskutieren nun beide Parteien offen.
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