Kapitän schlägt Alarm:
„Explosive Situation“ an Bord von NGO-Schiff
Seit mehr als zwei Wochen harren über 100 Migranten an Bord des spanischen NGO-Schiffs Open Arms vor der italienischen Insel Lampedusa aus. Die Situation an Bord wird Augenzeugen zufolge immer kritischer. „Jede Sekunde, die vergeht, rückt die Explosion dieser Bombe näher. Entweder jemand schneidet jetzt das rote Kabel durch und deaktiviert sie, oder die Open Arms wird explodieren“, warnte Kapitän Marc Reig am Samstag mit Blick auf eine drohende Eskalation der Lage an Bord. Eine Intervention des italienischen Premiers hat nun seine Wirkung gezeigt: 28 minderjährige Migranten durften am Samstagnachmittag das Schiff Richtung Lampedusa verlassen.
Italiens Premier Giuseppe Conte hatte zuvor in einem Brief an Innenminister Matteo Salvini gefordert, dass zumindest die minderjährigen Personen aus humanitären Gründen Lampedusa betreten dürfen. Der spanische Fernsehsender RTVE zeigte am Samstag Bilder erschöpfter und aufgebrachter Migranten, die Land sehen, dieses aber aufgrund eines Salvini-Dekrets nicht betreten dürfen. „Warum? Warum?“, rief ein Mann immer wieder.
Kapitän Reig versuchte, ihn und andere resignierte Migranten zu beruhigen. „Die Menschen verlieren die Geduld und sind sehr nervös“, sagte eine Reporterin an Bord. Es sei schwer zu ertragen, die nur 800 Meter entfernte Insel nicht betreten zu dürfen. Einige Migranten hätten gedroht, ins Wasser zu springen.
Salvini: „Ihr hättet in aller Ruhe nach Spanien fahren können“
Salvini twitterte unterdessen, er werde nicht nachgeben. „In den vergangenen 16 Tagen hättet ihr in aller Ruhe nach Spanien fahren können“, schrieb er mit Blick auf die spanische Herkunft der Hilfsorganisation Proactiva Opern Arms. Sechs EU-Länder, darunter Deutschland und Spanien, hatten sich zuletzt bereit erklärt, Migranten zu übernehmen. Dennoch darf die Open Arms bisher nicht in den Hafen einfahren.
Lega-Chef sieht „gefährlichen Präzedenzfall“
Salvini sieht sich bei seinem harten Kurs in der Migrationspolitik mit zunehmendem Widerstand in der Regierung konfrontiert. In einer Antwort an Conte schrieb Salvini, dass der Premier allein die Verantwortung für die Landung der Minderjährigen übernehmen müsse und dass dieser Beschluss ein „gefährlicher Präzedenzfall“ sei. Die Gefahr sei, dass Italien als „einziger Verantwortlicher für die Aufnahme und die Versorgung aller minderjährigen Migranten im Mittelmeer oder auf der ganzen Welt“ betrachtet werde.
In seinem Schreiben betonte der Lega-Chef, dass er im Zeichen der „loyalen Zusammenarbeit“ die Evakuierung erlauben werde, er ändere jedoch nicht seinen Kurs in Sachen Migration. Seit Tagen beklagt der Vizepremier eine „Strategie“, Italien zu zwingen, Rettungsschiffen seine Häfen wieder zu öffnen. Salvini sieht sich in der Regierung aus seiner Lega und den Fünf Sternen zunehmend isoliert.
Weiteres Schiff mit 354 Migranten wartet auf Einfahrt in sicheren Hafen
Südlich von Sizilien wartete auch das Rettungsschiff Ocean Viking mit 356 Migranten auf die Erlaubnis, in einen sicheren Hafen fahren zu können. Die Organisationen SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen hatten diese Menschen in mehreren Einsätzen in Sicherheit gebracht.
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