Ein Plüschhund. Brennende Kerzen. Weiße Blumen. Ein kleiner Altar vor der Kirche im Salzburger Stadtteil Gneis, der an das Blutbad vom Sonntag erinnert. Johann S., 90 Jahre alt, raste mit seinem Wagen in die Menge, überrollte zweimal ein vierjähriges Mädchen. Danach verblutete es in den Armen seines Vaters. Vor allem, dass nach Informationen der „Krone“ offenbar sämtliche Knöpfe in dem Unfallauto beschriftet sind, sorgt für Diskussionen.
Totenstill ist es am Montag vor dem Gotteshaus. Ein einziges Auto steht auf dem Parkplatz vor dem Pfarramt. Es ist der Wagen jener Eltern, die einen Tag zuvor ihr kleines Mädchen verloren haben. Das nur, weil ein 90-jähriger Salzburger offenbar das Brems- mit dem Gaspedal verwechselt hat.
Die syrische Flüchtlingsfamilie sucht Halt bei Pfarrer Peter Zeiner, versucht, das Geschehene zu verarbeiten. Beim Gang zum Wagen muss die kraftlose Mutter gestützt werden. Die Familie wird bereits von einer Frau mit ihrem kleinen Sohn an der Hand erwartet. Sie weinen, liegen sich in den Armen. Gegen Mittag machen sich die Trauernden auf zum schwersten Gang ihres Lebens - in die Gerichtsmedizin, wo der Geistliche auf Wunsch der Eltern ein letztes Gebet spricht.
Johann S. hat nicht nur das Mädchen überfahren, auch eine Frau hat der gebrechliche 90-Jährige mit seinem Toyota vor der Kirche in Gneis erfasst. Das Opfer liegt mit schweren Kopfverletzungen im Spital. Die Überlebenschance ist groß.
„Fühlen Sie sich noch straßentauglich?“
Eine letzte Vernehmung des Todeslenkers steht noch aus. Fragen wie „Warum sind alle Knöpfe im Wagen beschriftet?“ oder „Fühlen Sie sich noch straßentauglich?“ kommen auf ihn zu.
Überdies muss sich auch sein knapp über 40 Jahre alter Sohn für sein respektloses und unangebrachtes Verhalten an der Unfallstelle verantworten. Er soll Einsatzkräfte behindert haben, soll seinen Vater wieder in den Pkw gesetzt haben und Fahrerflucht begehen haben wollen und soll sogar vor den Augen der Polizisten versucht haben, Spuren am Auto zu verwischen.
Keine Altersgrenze für Kfz-Lenker
Nach jedem schweren Unfall mit betagten Lenkern dieselbe Diskussion: Soll es Fahrverbote ab einem gewissen Alter geben? Die aktuelle Rechtslage: Wer sich fit genug fühlt, darf ein Auto lenken. Im Fall des Falles kann die Polizei den Amtsarzt einschalten. Der Hausarzt ist nicht zuständig.
„Behutsam, aber mit Nachdruck“
Marion Seidenberger ist Verkehrspsychologin des ÖAMTC. Sie hält nichts von zwanghaften Überprüfungen. Einsichtigkeit müsse vom Autofahrer selbst kommen.
Krone: Verursachen ältere Fahrer häufiger Unfälle?
Marion Seidenberger: Nein, die meisten bringen Erfahrung und weniger Risikofreude mit. Sie wissen, dass sie Fahrten bei Schlechtwetter oder Dunkelheit vermeiden sollen, trennen Fahren und Alkohol strikt, halten Tempolimits ein und vermeiden eher Ablenkung durch Smartphone oder Navigationsgeräte.
Gehören Fahrten ab einem gewissen Alter verboten?
Unabhängig vom Alter sollte man sich fragen, ob Sehkraft oder Reaktion ausreichen, um ein Auto zu lenken. Fahrfehler können jedem Lenker passieren.
Was raten Sie der Familie?
Bei Kratzern oder Dellen das Gespräch suchen! Dann kann man anbieten, gemeinsam eine Runde zu fahren. Behutsam, aber mit Nachdruck, denn Einsicht ist ein Prozess. Man will seine Fehler nicht präsentiert bekommen.
Sandra Aigner und Stefan Steinkogler, Kronen Zeitung/krone.at
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