Rechtsstreit dauert an

Kuh-Urteil: Parteien ziehen jetzt vor den OGH

Tirol
27.08.2019 16:10

Das erstinstanzliche Urteil nach einer tödlichen Kuh-Attacke im Tiroler Pinnistal im Jahr 2014 ist im Berufungsverfahren vom Oberlandesgericht (OLG) Innsbruck nur teilweise bestätigt worden. Es sieht nicht die volle Schuld beim Bauern, sondern geht von einer Mitschuld des Opfers aus, erklärte OLG-Vizepräsident Wigbert Zimmermann am Dienstag. Sowohl der Landwirt als auch der Witwer ziehen nun vor den Obersten Gerichtshof.

Am 28. Juli 2014 war im Pinnistal, einem Seitental des Stubaitals, eine 45-jährige Deutsche, die mit ihren Hund unterwegs war, von Kühen attackiert und zu Tode getrampelt worden. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen den Hinterbliebenen und dem Landwirt erging im Februar das Urteil im Zivilprozess.

Demnach musste der Bauer dem Witwer und dem Sohn rund 180.000 Euro sowie eine monatliche Rente an die beiden in der Höhe von insgesamt rund 1500 Euro zahlen. Der gesamte Streitwert des Prozesses lag bei rund 490.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte noch im Jahr 2014 die Ermittlungen gegen den Landwirt eingestellt.

Anwalt des Bauern: „Was heißt das?“
Das nunmehrige OLG-Urteil bezeichnete Ewald Jenewein, Anwalt des beklagten Landwirts, als eine „deutliche Besserung“. Trotzdem werde sein Mandant aller Voraussicht nach dagegen beim Obersten Gerichtshof (OGH) weiter vorgehen. Denn das Urteil bringe eine „massive Rechtsunsicherheit für Landwirtschaft und Tourismus“ mit sich. Das OLG habe den Standpunkt des Erstgerichts übernommen, wonach der Bauer aufgrund der „hohen Frequenz“ am Wanderweg verpflichtet gewesen wäre, einen Zaun aufzustellen. „Was heißt das? ,Hohe Frequenz‘ ist ein untauglicher Begriff für Rechtssicherheit“, so der Anwalt.

Der Bauer selbst sei „schon erleichtert“, sagte Jenewein über seinen Mandanten. „Die Schadensbeträge werden ja auch geringer und es geht in eine richtige Richtung.“ Trotzdem sei sein Mandant nicht zufrieden. „Er ist davon überzeugt, dass er die Tiere fachgerecht gehalten hat. Außerdem hatte er ja auch Warnschilder angebracht“, erklärte Jenewein. Er hoffe jedenfalls, dass der OGH die Entscheidung korrigieren wird.

Auch Witwer bringt Revision beim OGH ein
Doch auch der Witwer wird gegen das OLG-Urteil Revision beim Obersten Gerichtshof einbringen. Wenn man die Fakten berücksichtige, sei das Urteil ernüchternd, meinte der Anwalt des Witwers, Michael Hirm. Trotzdem sei das Urteil „kein Drama“ für seinen Klienten. Denn es gebe auch positive Aspekte. „Der Sachverhalt, also was passiert ist, ist festgestellt“, erklärte Hirm. Damit sei es möglich, dass der OGH das erstinstanzliche Urteil wiederherstelle.

Die Reaktionen der Politik nach dem erstinstanzlichen Urteil bezeichnete Hirm als „völlig übertrieben“. „Diese ganze Aufregung ist nur entstanden, weil die Standesvertretung der Bauern ihr eigenes Klientel verunsichert und sich danach als Messias präsentiert hat“, sagte er. Man hatte bereits das Ende der Almwirtschaft beschworen und sei überhaupt nicht auf die Fakten eingegangen. Das Urteil sei eine Einzelfallentscheidung, die nicht auf alle Bauern umgelegt werden könne, betonte der Rechtsanwalt.

„Massive Gefährdung für Almwirtschaft“
Die gesamte Causa hatte die Wogen hochgehen lassen. Das Urteil sorgte für einen Aufschrei bei den Verantwortlichen in der Landwirtschaft. Von einem Ende der Almbewirtschaftung in der jetzigen Form und einer „massiven Gefährdung für die Almwirtschaft“ war die Rede. Ein Runder Tisch in Tirol war die Folge, Politik und Landwirtschaft versprachen, den Bauern schadlos zu halten. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erklärte, dass es eine Versicherung für alle Almbauern geben werde. Zudem wolle man weiterhin mit Info-Kampagnen auf Prävention und Aufklärung setzen.

(Bild: Christof Birbaumer)

Verhaltensregeln für Wanderer
Außerdem wurde eine Gesetzesänderung beschlossen. Nun werden auch Almbesucher und Wanderer in die Pflicht genommen, Verhaltensregeln auf Almen und Weiden einzuhalten. Auch für Tierhalter soll es deutlich mehr Rechtssicherheit geben, wenn Landwirte bundesweite Standards einhalten.

In den angeführten Verhaltensregeln werden Almbesucher angewiesen, den Kontakt mit Weidevieh zu vermeiden. Vor allem eine Begegnung von Mutterkühen und Hunden sollte vermieden werden. Hunde sind zudem an der kurzen Leine zu führen und bei einem absehbaren Angriff durch ein Weidetier sofort von der Leine zu lassen. Ebenfalls darf der Wanderweg nicht verlassen werden. Blockiert Weidevieh diesen, dann soll es mit möglichst großem Abstand umgangen werden. Zäune sind zu beachten und Tore zu schließen. Weisen Kühe Anzeichen von Unruhe - wie das Heben und Senken des Kopfes oder Scharren mit dem Hufen - auf, müsse die Weidefläche zügig verlassen werden.

Politiker nach Urteil „erleichtert“
Am Dienstag reagierte Tirols Agrarlandesrat Josef Geisler (ÖVP) „erleichtert“ auf das Urteil des OLG. „Das Ersturteil war ein Schock und hat zu Beginn der Almsaison zu einer massiven Verunsicherung in der Almwirtschaft geführt“, meinte er. Und der Präsident der Österreichischen Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, erklärte, das Urteil bestätigte, wie wichtig und notwendig die Gesetzesänderung sei.

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