Ölpest vor US-Küste

Rückschlag: Erdöl verklumpt unter Stahlglocke

Ausland
09.05.2010 09:36
Die zunächst sehr aussichtsreichen Bemühungen, die Ölpest im Golf von Mexiko mithilfe einer Stahlglocke ("Pollution Containment Dome") unter Kontrolle zu bekommen, haben einen Rückschlag erlitten. Die Ingenieure des Ölkonzerns BP mussten die 100 Tonnen schwere Konstruktion, die von Freitag auf Samstag in 18-stündiger Präzisionsarbeit über die lecke Bohrung in 1.500 Metern Tiefe manövriert wurde, wieder zur Seite hieven. Grund: Das Erdöl verklumpt offenbar unter der Glocke und es bilden sich "Eis-ähnliche Kristalle", was ein Abpumpen unmöglich macht.

Die Glocke verstopfte dadurch und erhielt zu starken Auftrieb, wie ein Sprecher des Ölkonzerns BP erklärte. Einsatzkräfte mussten sie deshalb wieder von dem Leck abziehen. BP-Sprecher Doug Suttles betonte, dies bedeute noch nicht, dass die Glocke versagt habe. "Ich würde nicht sagen, dass es gescheitert ist." Experten prüften nun, wie die Kristallbildung verhindert werden könne. Dies werde vermutlich zwei Tage dauern. Eine der Möglichkeiten sei, auf zusätzliche Wärme zu setzen. Eine andere Möglichkeit sei der Einsatz von Ethanol. Die Kuppel befinde sich derzeit 200 Meter vom Öl-Leck entfernt auf dem Meeresboden.

In der Tiefe von 1500 Meter liege die Temperatur nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Die Öl- und Wasserkristalle "sehen wie Schlamm aus" und würden sich an der Spitze der Kuppel ansammeln. Die Kuppel werde dadurch instabil und beginne zu schwimmen. Erneut wies Suttles darauf hin, dass eine derartige Operation mit einer Stahlkuppel über dem Leck niemals zuvor in derartiger Tiefe versucht worden sei.

Täglich sprudeln 700 Tonnen Rohöl ins Meer
Aufgabe der Kuppel ist es, das ausströmende Öl aufzufangen, damit es anschließend auf ein Schiff gepumpt werden kann. Nach ursprünglicher Planung war vorgesehen, damit Anfang nächster Woche zu beginnen. Nach wie vor sprudeln täglich mindestens 700 Tonnen Rohöl ins Meer.

Die Kuppel ist etwa so hoch wie ein vierstöckiges Haus und wird mit Robotern in Mini-U-Booten ferngesteuert. Alleine die Aktion, die Kuppel auf dem Meeresgrund herunterzulassen, dauerte über 18 Stunden. "Das ist, als würde man in 5000 Fuß Tiefe eine Operation am offenen Herzen vollziehen, in der Finsternis und mit Roboter-gesteuerten Mini-U-Booten", sagte Lamar McKay, Chef von BP-Amerika, bereits vor Beginn der Aktion.

Unterdessen weiteten die US-Behörden das Verbot für Fischfang an der Küste vor Louisiana weiter aus. Über 10.000 Helfer seien im Einsatz, um zu verhindern, dass das Öl auf das ökologisch empfindliche Marschland am Mississippi-Delta trifft. Auch am Freitag habe man den Teile des Ölfilms auf der Meeresoberfläche verbrannt.

Langfristige Abdichtung nur mit zweiter Bohrung
Parallel prüfen BP-Ingenieure weiter, ob das Leck auch mit der sogenannten "Top-Kill"-Methode abgedichtet werden könnte. Dabei wird ein Gemisch aus Lehm und Beton direkt in die Quelle gepumpt. Langfristige Lösungen sind aber weder der "Pollution Containment Dome" noch die Beton-Abdichtung.

BP bohrt seit Tagen an einer Entlastungsbohrung, die die ursprüngliche Bohrung unmittelbar oberhalb der Lagerstätte "anstechen" soll. Durch die Druckwegnahme kann die Bohrung dann gründlich mit Zement versiegelt werden. Der Zeitrahmen dafür beträgt aber mindestens 90 Tage. Die anfänglichen Bemühungen, ein an der lecken Leitung befindliches Sicherheitsventil, das bei der Katastrophe eigentlich automatisch funktionieren hätte sollen, mittels Roboter-U-Booten zu aktivieren, dürften mittlerweile aufgegeben worden sein.

Gasblase führte zu Explosion - kein Alarmsignal an Arbeiter
Indes sind Details aus einer BP-internen Untersuchung zur Explosion auf der Bohrinsel "Deepwater Horizon" bekannt geworden. Demnach führte eine Methangasblase und eine Serien von Pannen zu dem folgenschweren Unglück. BP-Arbeiter schilderten den internen Ermittlern, dass das Gas plötzlich vom Meeresboden das Bohrgestänge emporstieg und mehrere Sicherungen und Sperren versagten, ehe es zur Explosion kam.

Die Arbeiter wurden völlig unvorbereitet von dem Unglück, bei dem elf Menschen starben, getroffen. Überlebende gingen am Freitag mit BP und dem Plattformbesitzer Transocean hart ins Gericht. "Es war ein Chaos. Nichts lief wie geplant, nichts, wie es sollte", sagte der Überlebende Dwayne Martinez dem US-Sender ABC. Die Explosion sei urplötzlich geschehen. "Die Leute brüllten", sagte Micah Sandell, ein weiterer Arbeiter. "So etwas wie das habe ich noch nie gesehen." 

Als es am 20. April rund 70 Kilometer vor der Küste der USA auf der Bohrinsel zu der Explosion kam, befanden sich dort 126 Menschen. Alarmsirenen, die im Falle einer drohenden Explosion die Arbeiter warnen sollen, ertönten den Zeugen zufolge auf der Bohrinsel nicht. "Der Vorfall zeigt, dass der Alarm entweder nicht funktioniert hat oder dass er abgestellt worden ist, weil er so oft ertönte", sagte Tony Buzbee, der als Anwalt zwei Arbeiter vertritt, die gegen den Besitzer der Bohrinsel, das Unternehmen Transocean, und den Betreiber BP Klagen eingereicht haben.

Keine neuen Genehmigungen für Ölbohrungen
Nach dem Unglück im Golf von Mexiko wird es in den USA mindestens bis zum Ende des Monats keine neuen Genehmigungen für Ölbohrungen vor der Küste geben. Das teilte US-Innenminister Ken Salazar vor dem Krisenzentrum von BP in Houston mit. Wann das Verbot aufgehoben werde, hänge vom Ergebnis der Untersuchung ab. Die Empfehlungen sollen US-Präsident Barack Obama am 28. Mai vorgelegt werden.

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