Als „lächerlich“ hat Ursula Stenzel, nicht amtsführende Stadträtin der FPÖ, die Forderung nach ihrem Rücktritt wegen eines Auftritts bei einer Veranstaltung der rechtsextremen Identitären am Samstagabend in Wien bezeichnet. Immerhin bat Stenzel am Sonntag um Entschuldigung für ihre Teilnahme inklusive provokanter Rede: „Dass auch Vertreter der Identitären Bewegung anwesend gewesen sein sollen, war mir nicht bewusst“, so Stenzel. „Hätte ich davon Kenntnis erlangt, hätte ich diese Veranstaltung selbstverständlich nicht besucht.“
Stenzel bekundete weiters ihre „klare Ablehnung der Identitären Bewegung“. Sie sei wie in den vergangenen Jahren zur Veranstaltung „zum Gedenken an die Befreiung Wiens von den Türken 1683“ eingeladen worden. Das historische Ereignis des Sieges über die osmanische Armee vor den Toren Wiens durch ein Entsatzheer unter der Führung des polnischen Königs Johann Sobieski wird immer wieder von Rechtsextremen und Neonazis instrumentalisiert, wie etwa vom norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik und dem Attentäter von Christchurch.
Hofer: „Müssen viel, viel sensibler sein“
Die FPÖ bringt Stenzels Auftritt ganz schön in die Bredouille. So hatten sich die Freiheitlichen erst kürzlich nach dem Christchurch-Attentat um eine strikte Abgrenzung und Distanzierung von der rechtsextremen Bewegung bemüht. Der designierte Parteichef Norbert Hofer sagte dazu zuletzt gegenüber dem „profil“: „Beim historischen Konnex müssen wir viel, viel sensibler sein als andere Parteien. Was extrem ist, soll keinen Platz haben. Bei den Identitären ist es nachvollziehbar, dass die ein Wahnsinn sind.“
Vilimsky verteidigt Stenzel: „Böswillige Unterstellungen“
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky verteidigte Stenzel am Sonntag. Ihr eine Nähe zu den Identitären zu unterstellen, „wäre mehr als absurd“, fand er. Stenzel habe „an einem Gedenken der Ereignisse von 1683“ teilgenommen und dort auch das Wort ergriffen. Alles andere sei „böswillige Unterstellung“, denn auf die Auswahl der Teilnehmer und die „Instrumentalisierung diverser Gruppen“ habe Stenzel „nicht den geringsten Einfluss gehabt, genauso wie ihr sämtliche Teilnehmer sowie deren politische Hintergründe natürlich nicht bekannt gewesen sein konnten“, hieß es in einer Aussendung der FPÖ. Stenzel werde aber künftig erhöhte Sensibilität bei ihren Auftritten walten lassen.
Die FPÖ kündigte an, nächstes Jahr rund um den 12. September „wieder eine eigene Veranstaltung zum Gedenken an das Ende der Türkenbelagerung im Jahr 1683“ abhalten zu wollen. „Wir laden auch alle anderen Parteien ein, sich an dieser Veranstaltung im kommenden Jahr zu beteiligen“, sagte der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp.
Identitären-Chef dankt Stenzel für Rede
Martin Sellner, Sprecher der Identitären Bewegung Österreich, bedankte sich jedenfalls via Twitter bei Stenzel für die „großartigen Worte“ bei der Kundgebung. Sellner war zuletzt wieder einmal im Fokus der Behörden gestanden, weil im Zuge einer Razzia aufgeflogen war, dass die Identitären eine großzügige Spende des Massenmörders von Christchurch erhalten hatten. Zudem gab es den Verdacht, dass Sellner durch einen Hinweis aus dem Umfeld des ehemaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) vor der Hausdurchsuchung gewarnt worden sei.
„Wieder beweist die FPÖ, welch Geistes Kind sie ist“, kommentierte Oskar Deutsch, Präsident der Isrealitischen Kultusgemeinde (IKG), die Berichte über Stenzels Teilnahme an der Kundgebung. „In jedem europäischen Staat wäre ein Rücktritt von allen Ämtern und ein Parteiausschluss die logische, unmittelbare Folge. Nur bei der FPÖ nicht“, meinte Deutsch. ÖVP, SPÖ, NEOS, Liste JETZT und die Grünen forderten indessen in Aussendungen Stenzels Ausschluss aus der Partei bzw. ihren Rücktritt als Stadträtin.
Als Stadträtin quasi „unkündbar“
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) forderte die FPÖ bei einer Pressekonferenz mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Sonntag auf, Stenzel als nicht amtsführende Stadträtin abzuberufen. Er selbst habe keine Möglichkeit, die FP-Politikerin abzuberufen, betonte Ludwig und verwies darauf, dass auch Misstrauensanträge des Landtages gegen nicht amtsführende Wiener Stadträte nicht möglich sind. Paragraf 37 der Stadtverfassung sieht Misstrauensanträge nur gegen amtsführende Stadträte vor, nicht aber gegen solche der Opposition.
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