Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat in den vergangenen Monaten für viel Aufsehen gesorgt. Aber kein Zeitungsinterview gegeben. Wenn es um den Klimaschutz geht, macht er eine Ausnahme und spricht mit der „Krone“.
„Krone“: Herr Bundespräsident, Sie reisen zum UN-Klimagipfel in New York Ende nächster Woche. Greta Thunberg ist schon dort und hat ein vielbeachtetes Zeichen gesetzt, indem sie per Segelschiff nach Amerika geschippert ist. Für Sie wird sich das jetzt in den verbleibenden Tagen wohl nicht mehr ausgehen, oder?
Alexander Van der Bellen: Nein. (Lacht)
Wie werden Sie reisen?
Leider unvermeidlich zu solchen wichtigen Konferenzen: mit dem Flugzeug.
Haben Sie ein schlechtes Gewissen dabei?
Naja, entweder man fliegt zur UNO-Konferenz oder man lässt es bleiben. Es geht aber diesmal nicht nur um die UNO-Generalversammlung, sondern auch um den Klimagipfel, den UNO-Generalsekretär Antonio Guterres organisiert hat. Mir ist es in dem Fall sehr wichtig, da hinzufahren, um für mehr Mut beim Klimaschutz zu werben. Was man tun kann - und das haben wir auch getan -, ist, die verursachten CO2-Emissionen zu entschädigen.
Ablasshandel, hieß es früher einmal.
Naja. Kompensation. Für einen Klimafonds. Zur großen Klimakonferenz in Katowice in Polen letztes Jahr im Dezember sind wir mit dem Zug gefahren.
Sie haben die Klimakrise sehr stark zu Ihrem Thema gemacht. Unter anderem auch bei allen großen Auftritten in diesem Sommer, von Bregenz über Salzburg, Alpbach bis zum Bruckner-Fest in Linz. Haben Sie damit etwas bewegen können?
Ich finde, es bewegt sich etwas. Und wenn ich dazu einen kleinen Beitrag leisten kann, gerne. Für mich ist das Thema ja nicht neu, ich habe vor sicher 30, 35 Jahren schon an der Universität Wien im Rahmen von Wirtschaftsvorlesungen und Seminaren die Klimakrise thematisiert und was Ökonomen dazu beitragen können. Insofern ist das einfach eine Fortsetzung einer langen Tradition.
Damals war das aber schon noch sehr avantgardistisch?
Ja, und es ist eigenartig, wie die Diskussion einmal einen Höhepunkt hat, dann wieder fast einschläft. Aber ich bin überzeugt, diesmal wird sie nicht wieder einschlafen.
Wir von der „Krone“ werden auch immer wieder gefragt, wie lange wir uns mit dieser Thematik beschäftigen werden. Ich sage: Bis es erledigt ist. Und bis dahin wird das Thema nicht verschwinden.
Da haben Sie Recht. Vor allem, weil viele Menschen auch in Österreich die Klimakrise mittlerweile hautnah selber spüren.
Das Thema ist auch im Wahlkampf voll angekommen. Erfüllt Sie das mit Genugtuung? Das war’s ja vor zwei Jahren ganz und gar nicht, wie wir wissen.
Ich bin froh, dass es jetzt so ist. Auch weil ich überzeugt bin, wir haben noch Zeit, aber nicht mehr viel. Und wenn jetzt die Politik den Menschen behilflich ist bei der Umstellung auf die neuen Gegebenheiten, dann ist das entscheidend. Wenn ich mir die Welt in 20, 30 Jahren vorstelle, die wird anders sein als die jetzige. Und diese Anpassungsprozesse finden einerseits im Markt, andererseits durch freiwilliges Verhalten statt, es braucht aber vor allem entsprechende Weichenstellungen durch die Politik. Und da kann’s nur gut sein, wenn in Österreich die Parteien nach dem 29. September für Lösungen zusammenarbeiten werden.
Aber nicht alle Klimaschutzkonzepte der Parteien werden Sie voll zufriedenstellen können.
Vielleicht weil ich mich auch schon länger damit beschäftigt hab als manche andere. Entscheidend ist, was nach der Wahl passiert.
Wenn die Politik im Regierungsprogramm für die nächsten Jahre Ihrer Meinung nach zu wenig liefert in Sachen Klimaschutz, ist es denkbar, dass Sie da etwas einfordern können oder einfordern werden?
Der Bundespräsident soll das langfristige Wohlergehen Österreichs im Auge haben. Dieser Verantwortung werde ich nachkommen, nach bestem Wissen und Gewissen. Ich werde mich daher bei dieser Regierungsbildung in sachlicher und personeller Hinsicht einbringen, vielleicht etwas mehr als zuletzt.
Auch beim Klimaschutz.
Absolut, das ist ein zentrales Thema.
Würden Sie den Satz, dass Sie von der nächsten Regierung mehr Klimaschutz erwarten, unterstreichen?
Ja, würde ich unterstreichen. Wir reihen uns damit ein in die internationale Gemeinschaft. Wir tun etwas für die Zukunft unserer Kinder und wir tun auch im wirtschaftlichen Bereich etwas Gutes, denn das ist ein Zukunftsmarkt, nach wie vor. Davon bin ich überzeugt.
Aber im Gegenzug ist es schon korrekt festzustellen, dass bisher zu wenig passiert ist? Dass auch in Österreich zu wenig getan wurde?
Ja, wir brauchen nur auf die Daten schauen, die CO2-Emissionen sind im Wesentlichen konstant über die letzten 30 Jahre und müssen reduziert werden, keine Frage.
Robert Habeck, der Chef der deutschen Grünen, der bereits als möglicher neuer Kanzler gehandelt wird, hat im Interview mit der „Krone“ in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass die Politik dafür sorgen müsse, dass wir im Alltag moralisch entlastet werden, und er sagt, die Politik soll Dinge im Großen regeln, damit wir im Kleinen auch widersprüchlich sein können. Diese Widersprüchlichkeit kennen wir doch alle. Wo tun Sie sich selbst im persönlichen Umfeld leicht und wo müssen Sie sich quälen?
Naja, also in Österreich fliegen wir nicht mehr, das müsste schon ein besonderer Notfall sein. Wir fahren mit dem Zug und wenn es nicht anders geht mit dem Auto. Wo tu ich mir schwer? Ich kann als Bundespräsident meine Auslandsbesuche bei Staatsoberhäuptern nicht davon abhängig machen, ob ich mit dem Zug fahren kann.
Der US-Erfolgsautor Jonathan Safran Foer hat ein neues Klimabuch vorgelegt, mit großen Fragen und sehr persönlichen Antworten. Er berichtet, wie schwer vieles ist, etwa der Verzicht auf Fleisch. Er meint aber auch, dass er durch das Berichten von diesen Schwierigkeiten, die man da hat mit seinem eigenen Gewissen, Verbündete findet.
Die Leute werden jetzt nicht alle zu Heiligen werden. Ich halte es für falsch, eine Art Umerziehungsprogramm zu lancieren, dass alle Österreicher zu Vegetariern werden. Da mach ma nur böses Blut. Aber etwas weniger Fleisch täte uns gut. Und die Politik muss die richtigen Weichen stellen.
Trotzdem werden oft die Klimaschützer als Spaßverderber dargestellt. Bald dürfen wir nicht mehr nach London fliegen, nicht mehr mit dem Auto an den See fahren oder in die Stadt und Schnitzel dürfen wir auch keines essen.
Es wird schon welche geben, die Spaßbremsen sind. (Lacht) Ich sag nur umgekehrt, wenn das mit der Klimakrise so weitergeht, wird uns das Lachen bald vergehen.
Wir werden unseren Lebensstil ändern müssen.
Ja. Wir werden andere Autos fahren, wir werden städtebaulich mehr darauf achten müssen, dass die Distanzen zwischen Wohnort und Arbeitsort möglichst kurz sind, wir brauchen mehr Möglichkeiten, den öffentlichen Verkehr zu nutzen, Bahn und Bus, Straßenbahn, U-Bahn in den Städten. Aber wir haben in der Vergangenheit auch andere Herausforderungen gemeistert. In den 50er-Jahren waren unsere Seen verschmutzt, heute haben sie Trinkwasserqualität.
Eingewendet wird auch gern, was kann ich als einzelnes kleines Menschlein da überhaupt beitragen oder was kann das kleine Österreich im Weltkonzert denn bewirken? Wenn wir umdenken, anders umgehen mit dem Klima, was nützt es denn?
Wenn alle Nationen das sagen, steuern wir auf eine Katastrophe zu. Und es wird jetzt auch langsam bewusst, dass dieses Schwarzfahrerargument, alle anderen sollen was tun, nur wir nicht, dass das nicht nur unmoralisch ist, sondern unseren Kindern auf den Kopf fallen wird.
Apropos Kinder: Helga Kromp-Kolb, wohl die große Klimaautorität in Österreich, hat in einem Interview mit Conny Bischofberger für die „Krone“ für Aufregung gesorgt, weil sie meinte, „wenn wir unsere Eltern gefragt haben, wie war das im Nationalsozialismus, was hast du gewusst, was hast du getan, genauso werden uns einmal unsere Kinder und Enkel fragen, wie war das beim Klima, was hast du gewusst, was hast du getan“ - und für diese Aussage hat sie teilweise empörte Reaktionen geerntet. Wie sehen Sie das?
Lassen wir den historischen Vergleich beiseite, der zu diesen Reaktionen geführt hat. Tatsächlich ist es ja heute teilweise schon so, dass die ältere Generation von den Jugendlichen gefragt wird: Habt’s ihr euch nicht interessiert? Habt ihr das nicht nachgelesen? Ist diese oder jene Autofahrt wirklich nötig?
Man hat den Eindruck, die Klima-Thematik ist längst über die jungen Leute, die am Freitag demonstrieren, weit hinausgewachsen.
Ja, das kann ich nur bestätigen. Von mehreren Ebenen interessanterweise, also von den Jungen und ganz Jungen geht ein Druck auf die Älteren aus, zum Beispiel Eltern und Großeltern. Zum anderen kriegen Investmentfonds von ihren Kunden Druck, in nachhaltige Investitionen zu gehen und raus aus Kohle, Öl und Gas. Also auch von der rein kommerziellen Seite kommt ein Druck auf uns alle und auf die Politik, diese Fragen ernster zu nehmen als in den letzten 20 Jahren.
Insgesamt schwingt in der ganzen Debatte trotzdem viel Pessimismus mit, die Welt stünde am Abgrund, ein wahlkämpfender Politiker hat zuletzt sogar die Formulierung gebraucht, irgendwann würden unsere Kinder auf einem unbewohnbaren Planeten verbrutzeln.
Ich weiß, wer das war. (Lacht)
Während Sie aber davon reden, dass Sie das Ganze durch die „Fridays for Future“-Bewegung mit einer gewissen Fröhlichkeit sehen.
Fröhlichkeit ist übertrieben. Ich hab auch andere Momente. Aber mit Zuversicht, Optimismus und viel Energie, ja. Weil jetzt ist schon ein bisserl Alarmstufe Gelb. Im öffentlichen Bewusstsein, auch bei Leuten in der Industrie, weit über das ursprüngliche Klimaretter-Spektrum hinaus. Das ist jetzt nicht mehr zu bremsen. Und das ist gut. Klar ist: Wenn wir nichts täten, weiter so handeln, als ob wir das Jahr 1980 hätten, naja, schlafen Sie mal bei 35 Grad in der Nacht. Das ist schon extrem belastend. Aber ich will als Bundespräsident nicht DAS in den Vordergrund stellen, sondern vermitteln, dass Veränderungen auf uns zukommen, die wir aber managen können. Gerade wir in Österreich können das, weil wir so gute Voraussetzungen haben, was unser Umweltbewusstsein betrifft, weil wir ja wissen, wie wichtig die Natur ist, wie wichtig die Schöpfung. Ich leide mit, wenn ich sehe, dass der nächste Fichtenwald vor sich hinwelkt. Da geht man doch nicht achtlos vorbei.
Wir wollten zwar nur über Klimaschutz reden. Eine letzte Frage habe ich noch, die an sich im weiteren Sinne aber doch auch mit ein wenig Klimaschutz zu tun hat. Jetzt touren die Parteien, die Politiker mit hohem Energieaufwand noch wochenlang durchs Land. Bedauern Sie, dass Sie sich nicht mit Ihrem Wunsch nach einem Wahltermin Anfang September durchgesetzt haben und der Zauber schon vorbei wäre?
Ach, ich seh das ganz nüchtern. Die Vorstellung eines nahen Wahltermins schien mir attraktiv, im Nachhinein hab ich mir gedacht, wie hätte ich als Parlamentarier darauf reagiert (lacht), und muss gestehen, ich als Parlamentarier hätte natürlich einen späten September-Termin gewählt, aus dem schlichten Grund, dass die Wähler teilweise noch im Urlaub sind, wenn der Wahlkampf im August ist.
Apropos August: Bei den ORF-„Sommergesprächen“ wurden auch Kurz-Fragen gestellt - davon hätte ich jetzt noch ein paar ...
Ach, das liebe ich ...
... mit der Bitte um kurze Antworten!
Wenn’s sein muss.
Airpower.
Ja, da gehen viele Tonnen CO2 in die Luft. Solche Spektakel sollten eine seltene Ausnahme bleiben.
Amazonas-Brände.
Da tut einem das Herz weh. Ich hoffe, die Brasilianer, oder sagen wir, Präsident Bolsonaro, betrachtet das nicht als Einmischung von außen, aber wir haben nur einen Planeten, der Amazonas geht uns einfach alle an.
Atomenergie als Ausweg.
Nein. Schon gar nicht bei uns!
Klimakrisen-Leugner.
Wenn jemand nicht lesen kann, wird’s Zeit, dass er es lernt. Aber wenn jemand lesen kann und nicht will, na dann ist er Ignorant.
Die „Krone“-Klimakampagne ...
... ist sehr wichtig.
Klaus Herrmann, Kronen Zeitung
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