„Methodische und inhaltliche Schwächen“ habe das Gutachten über die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen, sagt die Arbeiterkammer. In Auftrag gegeben hatte es Ex-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Eine Gegenstudie der Universität Graz, beauftragt von der Arbeiterkammer, zeigt hingegen: Statt 100 Millionen Euro pro Jahr könnten maximal 30 Millionen Euro eingespart werden.
Das neue Gutachten stammt von Otto Krickl vom Institut für Organisation und Institutionenökonomik der Uni Graz. Dieses attestiert der Studie der Ex-FPÖ-Ministerin „eine Unausgewogenheit in der Argumentation, indem Potenziale weitgehend überbewertet, mögliche Zusatzkosten bzw. negative Effekte hingegen kleingeredet werden“. Manche Annahmen seien nicht transparent, die für die Modellrechnungen herangezogen wurden. Daher seien diese „mit den Regeln einer guten wissenschaftlichen Praxis unvereinbar“.
Gutachten: Falsche Zahlen bei Verwaltungs- und Beschaffungskosten
In Hartinger-Kleins Studie werden die gesamten Verwaltungskosten mit 1,57 Milliarden Euro angenommen. Das beinhalte aber alle Sozialversicherungsträger und nicht nur die von der Fusion betroffenen Krankenkassen. Statt der behaupteten Verwaltungseinsparungen von rund 100 Millionen Euro ist laut Krickl nur mit rund einem Drittel zu rechnen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass im Ministeriumsgutachten die Beschaffungskosten doppelt berücksichtigt worden seien.
Außerdem seien bestehende Einkaufskooperationen nicht herangezogen worden. Dass in den Modellrechnungen unterstellt werde, dass bisher keine trägerübergreifenden Maßnahmen zur Effizienzsteigerung umgesetzt worden seien, entspreche nicht den Tatsachen. Und im Bereich der Heilbehelfe und Hilfsmittel seien „die dargestellten Potenziale weitgehend bereits ausgeschöpft worden“. Auch die angeführten Einsparungen von 27 bis 40 Millionen Euro im IT-Bereich sind laut der AK-Studie nicht nachvollziehbar.
Experte kritisiert „realitätsfremde“ Fusionskosten
Nicht nachvollziehen kann der von der AK beauftragte Gutachter auch die in der Ministeriumsstudie genannten Fusionskosten, die auf das Zwei- bis Zweieinhalbfache der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten, in Summe auf 300 bis 400 Millionen Euro, geschätzt werden. Für Krickl sind diese Berechnungen „realitätsfremd“, weil auch die Komplexität unterschätzt werde und negative Einmaleffekte fehlen würden. Im Gegensatz zur Studie der Wiener Wirtschaftsuni bewertet Krickl auch das Risiko eines Scheiterns der Fusion als sehr hoch.
„Die vielen Fehler, die unser Gutachten aufdeckt, zeigen, wie überhastet und unvorbereitet die Fusion der Krankenkassen durchgeführt wurde“, erklärte Wolfgang Panhölzl, Leiter der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien, in einer Aussendung. „Außerdem zeigt es: Das Gutachten des Sozialministeriums hat die Kosten der Fusion kleingeredet.“ Für Panhölzl steht damit jetzt schon fest, dass die Reform die genannten Ziele einer Senkung der Verwaltungskosten und der Verbesserung der Gesundheitsversorgung nicht erreiche.
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