Der ehemalige grüne Abgeordnete Karl Öllinger ist am Donnerstagnachmittag am Wiener Landesgericht wegen übler Nachrede nach Paragraf 6 Mediengesetz schuldig erkannt und zu einer Entschädigung von 1500 Euro verurteilt worden. Er hatte am 25. Jänner 2019 auf seiner Facebook-Seite zwei Fotos verbreitet, die ein Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Gothia mit ausgestrecktem rechten Arm zeigten.
Damit habe Öllinger dem Mann zu Unrecht nationalsozialistische Wiederbetätigung unterstellt, befand das Landesgericht. Öllingers Rechtsvertreterin Maria Windhager wird dagegen Berufung einlegen, wie sie nach der Verhandlung mitteilte. Die Entscheidung ist damit nicht rechtskräftig.
Fotos während Donnerstagsdemo aufgenommen
Die Fotos waren während einer Donnerstagsdemo entstanden, die wöchentlich gegen die türkis-blaue Regierung ausgerichtet wurden. Als die Demonstranten das Gebäude passierten, in dem die Gothia untergebracht ist, zeigte sich am Fenster ein Mann mit einer Geste, die von Beobachtern als Hitlergruß interpretiert wurde.
In Wahrheit habe der Mann unter den Demonstranten Schulfreunde erkannt und diesen zugewunken, erklärte dazu nun dessen Anwalt Michael Schilchegger im Landesgericht. Wie Schilchegger betonte, habe die Staatsanwaltschaft gegen seinen Mandanten kein Verfahren wegen Verdachts in Richtung nationalsozialistischer Wiederbetätigung eingeleitet. Im Übrigen sei der Betroffene damals auch nicht Mitglied der Gothia gewesen, was sich zwischenzeitlich zwar geändert habe - er übe aber „keine wie immer geartete Vereinsfunktion aus“.
Öllinger-Kommentar zum Bild: „Zum Kotzen!“
Die Fotos mit der missverständlichen Geste des Burschenschafters hatten sich über Twitter und Facebook verbreitet. Der Burschenschafter klagte in weiterer Folge mehrere Personen - darunter auch die Nationalratsabgeordnete Alma Zadic -, die die Aufnahmen kommentiert und ihn in die Nähe zur NS-Wiederbetätigung gerückt hatten. Eine Klage ereilte auch den langjährigen grünen Politiker Öllinger, der auf seiner Facebook-Seite die Bilder folgendermaßen kommentierte: „Das sind die, die sich heute beim Burschi-, äh Akademikerball der FPÖ versammeln. Zum Kotzen!“
Für seine Anwältin Maria Windhager waren diese Anmerkungen von der Meinungsfreiheit gedeckt. Öllinger habe „nichts Unwahres verbreitet“ und keine strafrechtliche Bewertung vorgenommen. Öllinger selbst - inzwischen Pensionist - meinte im Landesgericht, er sei „wie viele andere Menschen“ erschrocken, als er die Fotos in den sozialen Netzwerken entdeckte: „Ich glaube aber nicht, dass jemand aus meinen beiden bescheidenen dürren Sätzen ableiten kann, ob das Wiederbetätigung ist oder nicht.“
Richter: „Die Geste kann man nicht anders verstehen“
Richter Stefan Romstorfer sah das anders. Öllinger habe mit dem Verbreiten der beiden Bilder „zumindest den Verdacht der Wiederbetätigung erweckt“, stellte er in der Urteilsbegründung fest. „Die Geste kann man nicht anders verstehen, als dass hier allenfalls der Hitlergruß gezeigt wird“, meinte der Richter. Im Übrigen bemerkte der Richter, der Wiederbetätigungs-Verdacht sei grundsätzlich „konstruiert“ worden - das zeige sich bei Durchsicht der gesamten Fotostrecke.
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