Polizei zog Stecker

Darknet-Serverfarm in altem NATO-Bunker entdeckt

Digital
27.09.2019 16:24

Bei einer Razzia gegen mutmaßliche Cyberkriminelle in Deutschland und im benachbarten Ausland, die aus einem ehemaligen NATO-Bunker heraus agiert haben sollen, hat die Polizei sieben Verdächtige aus Rheinland-Pfalz und Hessen festgenommen. Der Umfang der beschlagnahmten Daten sei „gigantisch“, erklärten die Ermittler.

Den insgesamt 13 Beschuldigten werfen sie vor, ein Rechenzentrum für illegale Webseiten betrieben zu haben. Die Ermittlungen seien deutschlandweit einzigartig. Die mutmaßlichen Cyberkriminellen sollen ein Rechenzentrum in einem früher von der NATO genutzten Bunker im rheinland-pfälzischen Traben-Trarbach betrieben haben, in dem Webseiten krimineller Täter gespeichert waren. Die Ermittler werfen den Beschuldigten vor, diesen Kriminellen ihre Taten durch ihr Rechenzentrum erst ermöglicht zu haben. Ein Service soll darin bestanden haben, kriminellen Kunden Schutz vor staatlichen Zugriffen zu geben.

Die Ermittler werfen den mutmaßlichen Tätern Steuerdelikte, die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie Beihilfe zu hunderttausenden Drogendelikten und weiteren Straftaten vor. Sie sollen zahlreiche Webseiten gehostet haben, über die international agierende Kriminelle verbotene Waren wie Drogen, gefälschte Dokumente und gestohlene Daten vertrieben, Kinderpornografie verbreiteten und groß angelegte Cyberangriffe verübten.

Größter Darknet-Schwarzmarkt war Kunde
Kunden der mutmaßlichen Täter seien zum Beispiel die Betreiber des weltweit zweitgrößten Marktplatzes im Darknet zum Kauf von Drogen, Wallstreet Market, gewesen. Dieser wurde im April nach Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, des Bundeskriminalamts und des FBI zerschlagen. Ebenso sei 2016 ein Cyberangriff auf 1,25 Millionen Telekomrouter über einen Server in dem ehemaligen NATO-Bunker gesteuert worden.

„Wir gehen davon aus, dass uns die Auswertung der Daten noch mehrere Monate oder Jahre beschäftigen wird“, erklärte der Präsident des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz, Johannes Kunz, am Freitag. Das Ermittlungsverfahren sei deutschlandweit einzigartig. „Erstmals wird nicht gegen einen Betreiber von Shops oder Marktplätzen ermittelt, sondern gegen diejenigen, die diese Straftaten erst möglich machen“, erklärte der Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz, Jürgen Brauer.

(Bild: APA/dpa/Felix Kästle)

Ermittlungen dauerten fünf Jahre
Die Behörden ermittelten fünf Jahre lang gegen die Gruppe. Bei einer koordinierten Razzia am Donnerstagabend in Deutschland und im benachbarten europäischen Ausland wurden sieben Tatverdächtige, sechs Männer und eine Frau, festgenommen. Insgesamt wird jedoch gegen 13 Beschuldigte zwischen 20 und 59 Jahren ermittelt.

Das Amtsgericht Koblenz erließ Haftbefehle gegen die Festgenommenen wegen Fluchtgefahr. Bei der Durchsuchung wurden etwa 200 Server, zahlreiche Unterlagen, Datenträger und eine größere Summe Bargeld beschlagnahmt. 650 Polizisten waren auf deutscher Seite dafür im Einsatz. Die Razzia dauerte bis in den Freitagnachmittag an.

(Bild: APA/AFP)

Niederländer (59) ist Hauptverdächtiger
Als Hauptbeschuldigter gilt den Ermittlern zufolge ein 59-jähriger Niederländer, der das Rechenzentrum ab 2013 aufgebaut haben soll. Er habe den ehemaligen Natobunker gekauft und das fünfstöckige Rechenzentrum sukzessive aufgebaut. Ihm werden Beziehungen zur organisierten Kriminalität vorgeworfen.

Der Betrieb eines Rechenzentrums, das illegale Seiten hostet, sei grundsätzlich nicht strafbar, erklärte Generalstaatsanwalt Brauer. „Strafbar ist das Verhalten nur, wenn die Betreiber des Rechenzentrums das illegale Verhalten ihrer Kunden kennen und mit ihrem Betrieb fördern.“

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