Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein spricht im krone.tv-Interview (siehe Video oben) über das positive Bild ihrer Expertenregierung, Weihnachtsurlaub, was Frauen in der Politik leisten können - und mögliche künftige Funktionen für sie.
Sie arbeitet größtenteils im Verborgenen - die bei den Österreichern überaus beliebte Expertenregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. Da ist es nur logisch, dass auch Interviews mit der Kanzlerin selten sind wie ein weißer Rabe. Am Donnerstag öffneten sich doch die Tore am Wiener Ballhausplatz - und das erste Nachwahl-Gespräch durften wir nun für krone.tv führen. Die erste Kanzlerin Österreichs stellte sich den Fragen von krone.tv-Moderatorin Katia Wagner und dem Geschäftsführenden Chefredakteur der „Kronen Zeitung“, Klaus Herrmann.
„Krone“: Frau Bundeskanzlerin, hinter uns liegen mehr als vier Monate intensiven Wahlkampfs, viele sagen, es war ein besonders schmutziger, ein heftiger, der nun endlich vorbei ist. Sind Sie auch froh?
Brigitte Bierlein: Er ist vorbei, der Wahlkampf, und jetzt gilt es, in die Zukunft zu schauen.
Werden Sie womöglich zu Weihnachten noch als Kanzlerin bei „Licht ins Dunkel“ im TV-Studio sitzen?
Wir werden solange die Geschäfte nach bestem Wissen und Gewissen fortführen, wie es notwendig ist. Ich habe jedenfalls keinen Weihnachtsurlaub gebucht.
Also rechnen Sie damit.
Ich bin zumindest gewappnet.
Sie betonen den Dialog mit der Zivilgesellschaft - auch eine Empfehlung für Ihren Nachfolger?
Ich möchte keine Ratschläge geben, aber der Dialog ist in jeder Hinsicht sehr, sehr wichtig, und wir haben den Dialog mit allen gepflogen, unter anderem mit Klimaschutz-Organisationen, Religionsgemeinschaft, mit den Interessenvertretungen und auch mit den Parteispitzen. Ich halte den Dialog nicht nur als Österreicherin, sondern insgesamt für eines der notwendigen Dinge im Zusammenleben und vor allem im politischen Diskurs.
Könnte es sein, dass Sie - auch durch Ihren Kontakt jetzt mit der Zivilgesellschaft - in dieser Zivilgesellschaft eventuell eine Funktion übernehmen?
Das wird die Zukunft weisen, das könnte ich mir eher vorstellen als eine politische Funktion.
In einer Radio-Anfrage lobte ein Salzburger diese Regierung, weil sie so ordentlich und unaufgeregt arbeitet.
Es war schon sehr wichtig, dass man der Bevölkerung und dem Land nach den aufregenden Zeiten davor Ruhe bringt.
Dieses positive Bild von dieser Regierung könnte dazu führen, dass man den einen oder die andere Expertin daraus in eine neue Koalitionsregierung nimmt. Halten Sie das für möglich und für gut?
Also, dass ordentlich gearbeitet wird, hoffe ich auch von anderen Regierungen. Ob der eine oder die andere in einer künftigen Regierung als Ministerin oder Minister tätig sein wird, das obliegt den Regierungsverhandlungen der entsprechenden politischen Parteien.
Aber Sie werden nicht dabei sein?
Ich werde sicher nicht dabei sein!
Kommen Sie möglicherweise auch deshalb bei der Bevölkerung so gut an, weil Sie keine altgediente Berufspolitikerin sind? Macht das den Unterschied?
Ich glaube, dass wir sehr sachlich arbeiten, dass wir unaufgeregt arbeiten, es kommt auch vielleicht daher, dass wir aus einem Berufsfeld kommen, in dem Unaufgeregtheit am Platze ist. Der Vizekanzler war sehr lange Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, ich war Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, davor war ich in der Staatsanwaltschaft lange tätig, für Aufgeregtsein ist in solchen Berufsfeldern nicht wirklich Platz, und es mag sein, dass das gut ankommt.
Wie geht man damit um, wenn man plötzlich auf der Straße erkannt wird?
Ich bin weder auf Twitter noch auf Facebook noch den sonstigen Netzwerken, ich kenne die Reaktionen dort daher nicht. Aber von der Bevölkerung werde ich wirklich sehr positiv angesprochen, und das ist keine unangenehme Sache.
Gibt es etwas, was Sie ganz besonders an der Position der Bundeskanzlerin später vermissen werden?
Ich versuche, das Bestmögliche zu machen in dieser Zeit, und ich mach das wirklich sehr gern, es ist eine spannende Aufgabe, es ist eine bereichernde Aufgabe, und dennoch freu ich mich auch auf die Zeit danach.
Eine Bilanz über diese Expertenregierung zu ziehen ist sicherlich verfrüht, womöglich haben Sie erst Halbzeit, aber was ist dieser Expertenregierung gut gelungen?
Also zum einen die Ruhe zu bringen, wir haben außerdem auch keinen Stillstand, wie immer wieder behauptet wird. Insgesamt wurden bereits über 100 Verordnungen auf den Weg gebracht. Wir haben allerdings schmälere Kabinette, wir sind nur 12 Regierungsmitglieder, und wir haben keine Staatssekretäre. Vor allem haben wir auch geschaut, dass die nächste Regierung nicht allzu viel an Belastungen durch uns erfährt.
Ein Wort, das vor allem vonseiten des Bundespräsidenten häufig gefallen ist, ist Vertrauen. Was glauben Sie denn, wie kann man Vertrauen aufbauen in der Politik oder vielleicht auch wiederaufbauen?
Also ich halte Vertrauen auch für besonders wichtig, und es hat in der letzten Zeit durch die Vorkommnisse gelitten. Ich halte es für wichtig, dass der Dialog gepflogen wird, dass man Sacharbeit leistet und eben durch Sacharbeit das Vertrauen aufbaut. Ich bin zuversichtlich, denn ich war immer Optimistin.
Wie wichtig ist es denn, dass Österreich mit Ihnen die erste Frau als Bundeskanzlerin hat oder irgendwann vielleicht auch einmal hatte?
Ja, das war schon auch ein Grund, warum ich diese Funktion nach kurzer Überlegungszeit angenommen habe, weil ich mir gedacht habe, es ist ein gutes Zeichen für die Sache der Frauen. Es war mir dementsprechend auch wichtig, die Hälfte der Regierungsmitglieder weiblich besetzen zu können.
Aber ohne in die Kristallkugel zu schauen, können wir davon ausgehen, dass Ihr Nachfolger ein männlicher Bundeskanzler sein wird. Sie fürchten nicht, dass es wieder 100 Jahre dauert bis zur nächsten Bundeskanzlerin?
Das hoffe ich nicht, es gibt außerdem auch Vizekanzler und sonstige wichtige Funktionen in der Republik, die vielleicht dann doch weiblich besetzt werden können.
Wenn Sie Ihrer Nachfolgeregierung einen Rat geben können oder Ihrem Nachfolger, würden Sie ihm nahelegen, ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter in der nächsten Regierung wieder anzustreben?
Ich halte es für anstrebenswert, und es ist jedenfalls 100-prozentig sicher, dass Frauen dasselbe leisten können wie Männer.
Könnten Sie sich vielleicht selbst vorstellen, bei der Bundespräsidentenwahl 2022 anzutreten?
Das ist sehr ehrenvoll, eine solche Frage gestellt zu bekommen, aber ich kann mir das nicht vorstellen.
Klaus Herrmann und Katia Wagner, Kronen Zeitung
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