Angst vor Nachahmern
Halle-Terrorist: Mit dem Hubschrauber zum Richter
Am Donnerstagnachmittag ist Stephan B. per Hubschrauber nach Karlsruhe gebracht worden, wo er dem Haftrichter vorgeführt wurde. Dieser ordnete Untersuchungshaft an. Der Rechtsextreme, der zwei Menschen erschossen und ein Massaker an gläubigen Juden in einer Synagoge in Halle geplant haben soll, wurde von Beamten einer Spezialeinheit begleitet. Unterdessen wächst die Angst vor Nachahmern. Stephan B. habe vergleichbare Taten, die vorher begangen worden seien, nachgeahmt, und „er wollte nach unserer Erkenntnis auch andere zu solchen Taten zur Nachahmung anstiften“, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank. B. habe ein „Nachahmer im doppelten Sinne sein“ wollen.
Der Täter habe sich demnach zum Ziel gesetzt, in der Synagoge ein Massaker anzurichten und eine weltweite Wirkung zu erzielen. Nach Angaben von Justizministerin Christine Lambrecht handelte es sich bei dem 27-jährigen Schützen um einen Einzeltäter mit antisemitischen und rechtsextremistischen Motiven. Stephan B. werde zweifacher Mord und versuchter Mord in neun Fällen vorgeworfen. In seinem Auto wurden laut Frank insgesamt vier Kilo Sprengstoff in zahlreichen Sprengvorrichtungen sichergestellt.
B. wurde am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt, es wurde U-Haft verhängt. Der 27-jährige Deutsche hatte bei seiner Festnahme vier Schusswaffen bei sich, darunter auch eine vollautomatische, so Frank: „Der Beschuldigte wollte sich zu dem Gotteshaus Zutritt verschaffen und möglichst viele Personen jüdischen Glaubens töten.“ Stephan B. wurde in zwei Krankenhäusern behandelt. Er habe Schussverletzungen am Hals, hieß es aus Sicherheitskreisen. Die Nacht habe er in einem Spital in Weißenfels in Sachsen-Anhalt verbracht, am Donnerstag sei er dann für eine Operation in ein Krankenhaus in Halle gebracht worden.
Bei Angriff auf Synagoge selbst gebaute Waffen benutzt
Bei dem Angriff auf die Synagoge von Halle hat Stephan B. übrigens selbst gebaute Waffen benutzt. Die Waffen waren nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht richtig zusammengesetzt, weswegen es Ladehemmungen gegeben hatte. Es werde noch geprüft, ob sich der Täter Waffen aus dem Darknet - einem nicht öffentlich einsehbaren Bereich im Internet - beschafft habe. Dass der rechtsextreme Schütze an der Tür des Gotteshauses gescheitert war, dürfte ein größeres Blutbad verhindert haben ...
Nach seiner Flucht war der Todesschütze auf der Bundesstraße 91 südlich von Halle festgenommen worden. Zuvor führte die Flucht aus Halle in den Ort Landsberg etwa 15 Kilometer östlich der Saalestadt. Im Ortsteil Wiedersdorf gab der 27-Jährige Schüsse auf ein Ehepaar ab, wechselte das Auto und setzte seine Flucht mit einem gekaperten Taxi fort.
Ministerin will Rechtsextremismus im Netz bekämpfen
Ministerin Lambrecht bezeichnete den Rechtsextremismus als eine der aktuell größten Bedrohungen, die der Rechtsstaat mit allen Mitteln bekämpfen müsse. Rechtsextremismus trete in Deutschland immer gewalttätiger und aggressiver auf. Der Nährboden beginne oft zunächst mit Worten, denen dann Taten folgen. Es gehöre zur Staatsräson, dass Juden in Deutschland sicher leben könnten. Die SPD-Politikerin kündigte an, Vorschläge zu machen, wie Internetplattformen verpflichtet werden könnten, rechtsextreme Äußerungen zu verhindern.
Halle trauert um die Opfer
Zu den vielen erschütterten und trauernden Hallensern gesellten sich im Laufe des Tages viele Spitzenpolitiker: Schon am späten Vormittag kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an. Er sprach von einem „feigen Anschlag“ und von einem „Tag der Scham und der Schande“. Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) war vor Ort, zusammen mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), dessen Amtskollegen aus dem Bundesland, Holger Stahlknecht (CDU), und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, besuchte er die Synagoge und den Tatort am Döner.
Sie alle strömten ins Paulusviertel, am Rand der Innenstadt. Es ist eine der begehrtesten Wohngegenden. Viele Familien leben hier - und Studierende in Wohngemeinschaften. Die Ludwig-Wucherer-Straße, an der das Dönerlokal liegt, in dem der Attentäter einen Mann erschoss, hat sich zu einem belebten Viertel mit Cafés und Ateliers entwickelt.
Damit steht es sinnbildlich für die Entwicklung der ganzen Stadt. Sie profitierte in den vergangenen Jahren auch vom Boom der sächsischen Nachbarstadt Leipzig. Wegen steigender Mietpreise dort wohnen inzwischen viele Studierende in Halle. Die Stadt an der Saale hat selbst eine Uni und eine Kunsthochschule, ist Sitz der Nationalen Akademie der Wissenschaften. Seit Kurzem hat Halle mit seinen mehr als 239.000 Bewohnern die ebenfalls wachsende Landeshauptstadt Magdeburg überholt und ist die größte Stadt in Sachsen-Anhalt.
Rechtsextreme Szene in der Stadt aktiv
Doch auch die rechtsextreme Szene ist in der Stadt präsent. Montags hält ein bekannter Rechtsextremist regelmäßig Demos ab. Nur wenige Minuten Fußweg von der Synagoge entfernt gibt es eine Immobilie, die der vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen Identitären Bewegung gehört. Der AfD-Landtagsabgeordnete und frühere Chef der Rechtsaußen-Strömung „Patriotische Plattform“, Hans-Thomas Tillschneider, hatte dort zwischenzeitlich sein Büro.
Die Stadt gehe konsequent gegen Rechts vor, beteuerte Stadtchef Bernd Wiegand im Fernsehen. Der parteilose Politiker hofft, bei der bevorstehenden Bürgermeisterwahl wiedergewählt zu werden. Die erste Runde ist am kommenden Sonntag. Ihm werden gute Chancen eingeräumt. Wiegand verwies darauf, dass Rechtsextremismus und Antisemitismus gesamtgesellschaftliche Probleme seien. „Wir waren bedauerlicherweise Ort des Terrorismus an diesem Tag, aber insgesamt müssen die gesellschaftlichen Anstrengungen weitestgehend und vielfältig erhöht werden.“
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