36 Minuten Wahnsinn
Halle-Mörder: „Dann spreng‘ ich mich halt rein“
36 Minuten lang streamte der im deutschen Halle festgenommene Stephan B. live über eine Games-Plattform, wie er ein „Massaker“ in einer Synagoge anrichten wollte. Einer verschlossenen Tür und Ladehemmungen seiner selbst gebastelten Waffen ist es zu verdanken, dass der Wahnsinn nicht noch mehr Opfer gefordert hat. Dem 27-Jährigen werden zweifacher Mord und siebenfacher Mordversuch zur Last gelegt. B. gestand die Tat. Er habe aus einem rechtsextremistischen, antisemitischen Motiv heraus gehandelt, packte der mutmaßliche Attentäter bei einem mehrstündigen Termin beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes aus.
„Hi, mein Name ist Anon, und ich glaube, der Holocaust ist nie passiert“, wendete sich Stephan B. in Selfie-Perspektive direkt an die Zeugen seiner Wahnsinnstat. Fünf Menschen wurden live zu Beobachtern, wie der 27-Jährige seinen grausamen Plan in die Tat umzusetzen versuchte, insgesamt 2200 Personen sahen die Aufnahmen auf der Streamingplattform Twitch, bevor sie gelöscht wurden.
In den Szenen, die noch kursieren, erklärt Stephan B. teilweise sehr undeutlich und teils auf Deutsch, teils auf Englisch, was ihn dazu veranlasste: Der Feminismus und der damit einhergehende Geburtenrückgang seien schuld, und die Zuwanderung - und dahinter stecke „der Jude“.
„Vielleicht kommen sie ja raus“
Vor der Synagoge, in der sich zum Zeitpunkt des Angriffes 51 Menschen aufhielten und das wichtigste jüdische Fest, Jom Kippur, feierten, scheiterte Stephan B. an einer verschlossenen Tür. „Scheiß drauf, dann spreng‘ ich mich halt rein“, ist der 27-Jährige zu hören, oder: „Vielleicht kommen sie ja raus.“ Er klingt, als würde er gerade ein Videospiel spielen.
In seinem Auto ist ein wahres Waffenarsenal zu sehen - inklusive zahlreiche Sprengsätze. Einen der selbst gebastelten Sprengsätze wirft er über die Mauer, es knallt. Einen weiteren Sprengsatz zündet er und läuft weg. Als eine Passantin vorbeigeht, schießt B. der 40-Jährigen kaltblütig in den Rücken. Dann versucht er, die Tür der Synagoge aufzuschießen - ohne Erfolg.
„Döner, nehmen wir“
In einem Döner-Imbiss in der Nähe tötet der Deutsche anschließend einen Mann. Das Opfer flehte nach Angaben eines „Bild“-Redakteurs, der das ganze Video kennt, um sein Leben. Doch B. hatte keine Gnade, schoss auf ihn. Den Mord leitete der Rechtsextreme ein mit „Döner, nehmen wir“. Offenbar hatte die Waffe des 27-Jährigen eine Ladehemmung, er kehrte zum Auto zurück und holte eine weitere Waffe („Sorry, Leute, die verdammt Luty ist Schrott, Mann“). Mit dieser ging er in den Laden zurück und schoss auf sein zweites Opfer, bis der 20-jährige Mann sich nicht mehr bewegte.
Als er die Polizei sah, beendete Stephan B. nach 36 Minuten den Livestream und verabschiedete sich von seinen Zusehern: „So, Guys, das war‘s.“ Seine spätere Festnahme wollte er ebenfalls nicht zeigen.
Manifest verfasst
Wie der Attentäter von Christchurch, der in zwei Moscheen 50 Menschen tötete, verfasste der 27-Jährige eine Art Manifest. Das PDF-Dokument zeige Bilder von Waffen und enthalte einen Verweis auf das Live-Video, das von der Tat verbreitet wurde. In dem Text werde das Ziel genannt, „so viele Anti-Weiße zu töten wie möglich, vorzugsweise Juden“. Das Dokument dürfte vor gut einer Woche am 1. Oktober angelegt worden sein und gebe weitere Hinweise darauf, wie viel Planung und Vorbereitung der Täter in die Attacke gesteckt habe, schrieb Rita Katz, Leiterin der auf die Beobachtung von Extremisten spezialisierten Site Intelligence Group, am Mittwochabend auf Twitter.
Am Donnerstagabend wurde B. einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Ihm gegenüber habe der Rechtsextremist, der sich inzwischen wegen des Verdachts auf zweifachen Mord und siebenfachen Mordversuch in Untersuchungshaft befindet, seine Wahnsinnstat gestanden und umfangreich ausgesagt, wie es hieß.
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