In die unsäglichen Untiefen der globalen Lebensmittel-Politik konnte man zum Finale des heurigen steirischen herbst in der Performance „Chow Down! (Friss!)“ abtauchen. Der russische Künstler Andrei Stadnikov inszenierte in der Grazer Maria Verkündigungskirche einen höchst brisanten Leichenschmaus
Es ist keine fünf Jahre her, dass die russische Regierung einen Importstopp auf Lebensmittel aus der EU ausrief. Fanden Waren dennoch den Weg über die Grenze, wurden sie nicht etwa an Arme verteilt, sondern schlicht vernichtet. Es war wichtiger den Willen der politischen Eliten zu befriedigen, als die Mäuler der Hungrigen zu stopfen.
Reale Welt - fiktiver Todesfall
In dieses reale Szenario montiert Andrei Stadnikov in „Chow Down! (Friss!)“ den fiktiven Tod des russischen Staatschefs hinein. Bei dessen Begräbnis werden nicht nur pathetische Reden geschwungen, sondern es wird auch ein verschwenderischer Leichenschmaus aufgetischt. Sogar die Erde, die man dem Toten eigentlich in sein Grab nachwerfen soll, ist essbar und landet in den Mägen der Elite - und das vor den Augen der sichtbar ausgehungerten Totengräber.
Skurrile Wiederauferstehung
Frei nach dem Motto: „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen“ lässt Stadnikov eine präpotent plappernde Elite auf die stummen Sehnsüchte der Hungrigen treffen: Doch anders als bei Marie Antoinette endet das ganze nicht in einem brutalen Tod, sondern in einer skurrilen Wiederauferstehung. Denn der Staatschef nagt sich am Ende durch sein essbares Leichentuch und stimmt einen Gospel der Hoffnung an.
Finale Lachnummer
Wurde der Saulus zum Paulus? Mitnichten, denn der musikalische Moment der Hoffnung entpuppt sich als finale Lachnummer, über die nicht alle lachen können. Und das Finale des heurigen Performance-Angebots im herbst entpuppte sich als einer der Höhepunkte. Mit dem brutalistischen Bau der Grazer Maria Verkündigungskirche hatte man für dieses düster-zynische Szenario außerdem das perfekte Setting gefunden.
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