Philipp Maderthaner (38) ist Mastermind der siegreichen Kurz-Kampagnen und seitdem selbst ein Star. Ein Gespräch über das „Zaubersalz“ seines Erfolgs, wie ihn Mikl-Leitner in den Schwitzkasten nahm und über seinen eigenwilligen Musiklehrer - einen gewissen Wolfgang Sobotka.
Die Lieblingsfarbe des Firmenchefs ist schwer zu übersehen. Der Flauschteppich: türkis, der Pezziball: türkis, der Besprechungskobel: türkis, die Sitzmöbel und Trennwände: ja, auch türkis.
Philipp Maderthaner muss jetzt selbst lachen: „Aber ich hab es schon länger als die ÖVP!“ Und er gibt zu, dass sein Mobiliar 2017 die Inspiration zur neuen Parteifarbe war: „Es hat einfach gut zum Sebastian gepasst. Frisch und klar, und so viele Farben waren ja auch nicht mehr frei.“
Am Regal reihen sich Preise und Awards, die er für seine erfolgreichen Kampagnen auch international eingeheimst hat. 2018 wurde er „Österreichs Unternehmer des Jahres“.
„Spiegel“ & FAZ interviewten ihn, um sein Erfolgsgeheimnis zu ergründen
Seit der 38-Jährige mit dem lachenden Bubengesicht die zwei Kurzwahlkämpfe 2017 und 2019 höchst erfolgreich geschlagen hat, ist er in der Champions League der Kampagnen-Könner angekommen. Er ist gefragter Berater, Redner und Interviewpartner. Die renommierte FAZ widmete dem Kanzlermacher ein ausführliches Porträt, die aktuelle Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins „Spiegel“ interviewte ihn sogar über drei Seiten, um dem Erfolgsgeheimnis des Jungspunds auf die Spur zu kommen. Das wollen wir auch.
Während er durch sein 2012 gegründetes „Campaigning Bureau“ am Schwedenplatz führt, in dem auf zwei Ebenen 50 Mitarbeiter auf mittlerweile 800 Quadratmetern werken, erklärt er: „Um erfolgreich zu sein, müssen die drei großen C stimmen: Candidate, Cause und Campaign.“ Also: Kandidat, Anliegen und Strategie der Kampagne. „Eine Kampagne kann nicht richten, was ein Kandidat nicht hat“, kann er sich einen kleinen Seitenhieb auf MitbewerberInnen nicht verkneifen.
„Unser Zaubersalz ist die ,Mitmach-Pyramide‘“
Über 350 Kampagnen wurden vom gebürtigen Niederösterreicher schon gezimmert. Nicht nur für Sebastian Kurz, sondern vorwiegend für große Unternehmen und NGOs wie Coca-Cola, Ö3, die ÖBB oder das Rote Kreuz. „Kampagnen sind ein faszinierendes Instrument, um Veränderungen zu erwirken und Menschen zu mobilisieren“, schwärmt er von seiner Mission: „Das funktioniert in der Politik gleich wie in der Wirtschaft. Unser Zaubersalz ist die ,Mitmach-Pyramide‘. Sprich: Die Hürde muss niedrig, die Belohnung hoch sein. Da ticken alle Menschen gleich. Ein kleiner Schritt fällt leichter als ein großer. Ein Klick auf Facebook geht schneller als tausend Seiten lesen und ausfüllen.“ Und noch ein Geheimnis sei verraten: „Menschen suchen Zugehörigkeit und Anerkennung. Sie möchten sich persönlich angesprochen und ernst genommen fühlen. That’s it!“
Der in Waidhofen an der Ybbs aufgewachsene Sohn einer Apothekerin und eines Sozialarbeiters lernte das Handwerk von der Pike: Eigentlich ist er gelernter Koch und Kellner und wollte Hoteldirektor werden. Als er in die Hauptschule geschickt werden soll, ertrotzt er sich das Gymnasium durch Hungerstreik. Mit 15 darf er daraufhin ins Internat nach Krems: „Dafür bin ich meinen Eltern heut noch dankbar. In der Tourismusschule hab ich den Servicegedanken gelernt. Wenn sich bei mir einer bewirbt, der im Gastgewerbe gearbeitet hat, den stell ich sofort ein. Weil dann weiß ich, dass er arbeiten kann.“
In der Unterstufe macht er Bekanntschaft mit einem eigenwilligen Musiklehrer. Mit Wolfgang Sobotka, späterer Innenminister und heute Parlamentspräsident. Amüsiert erinnert sich der mitunter sehr aufgeweckte Schüler: „Er war eine Urgewalt und sehr speziell. Manchmal ist er zur Tür rein direkt zum Klavier gestürmt, hat reingeklimpert und ist wortlos wieder raus.“ Später studiert Maderthaner (nicht verwandt mit dem früheren Wirtschaftskammerchef) internationale Betriebswirtschaftslehre. In der Organisationsentwicklung lernt er, Menschen beim Changemanagement mitzunehmen.
Entdeckt wird der Youngster schon in frühen Jahren - noch als Chef der Schülerunion. Bei einer Veranstaltung läuft er der damaligen Nationalratsabgeordneten Johanna Mikl-Leitner in die Arme. Mit schwungvoller Geste zeigt er, wie die spätere Landesmutter ihn burschikos in den Schwitzkasten genommen hat: „Die Hanni meinte: ,Heast, Burschi, ich brauch eh an Mitarbeiter im Parlament!‘ Am nächsten Tag bin ich artig mit Block und Blei zum Bewerbungsgespräch, aber sie hat mich gleich am Ärmel gezogen und angeordnet: ,Da, setz di hin da! Ausschussbesprechung!‘“ Er war eingestellt.
Bei der ÖVP Niederösterreich lernt er das politische Management direkt im Wahlkampf-Maschinenraum. Mit 22 ist er schon Pressesprecher der Landespartei und fällt durch eigenwillige Ideen auf: Er erfindet den „Erwinizer“, eine Erwin-Pröll-Foto-App, und leitet dessen erfolgreiche Kampagne 2008. Da ist er erst 26. Erinnern Sie sich an die Glatzenhauben? Das war er!
Das war sein letzter Wahlkampf. Ganz sicher. Kann kommen, wer will!
Nach geschlagener Wahl reicht man den Wunderwuzzi gleich weiter nach Wien in die Bundesparteizentrale, um Josef Pröll als Kommunikationschef zur Hand zu gehen. In dieser Zeit lernt er auch den um fünf Jahre jüngeren Sebastian Kurz kennen, mit dem er sich schnell anfreundet und zu dessen engstem Kreis er seither gehört. „Die 5 Apostel“ nennen sie die einen, „Buberlpartie“ in Anlehnung an Jörg Haiders Eingreifer die anderen, und der Grüne Werner Kogler nennt sie überhaupt gleich: „junge Schnösel-Truppe“. Neben Maderthaner sind dies Kurz’ Stratege Stefan Steiner, Medienchef Gerald Fleischmann, Bundesgeschäftsführer Axel Melchior und Elisabeth Köstinger - wie einst Susanne Riess einzige Frau im Männerbund. Maderthaner winkt ab: „Unsere lange Freundschaft ist ganz einfach ein ungeheurer Vorteil bei der Zusammenarbeit. Da braucht man kein Gegockel mehr und das ganze Eitelkeits-Klimbim. Man kennt einander, vertraut und versteht sich blind.“
Ein paar graue Strähnen haben sich in den Naturlockenkopf geschummelt, den er seit einer Ayurveda-Kur an der Mosel 2017 trägt, bei der er seine stressbedingten Schlafstörungen loswerden wollte. Wahlkampf will er keinen mehr leiten. Auch international nicht. Kann kommen, wer wolle. Bing! Bing! Bing! WhatsApp, iMessage, Mails, SMS. Während er sein unruhiges Handy auf lautlos stellt, will er wissen, wann die Geschichte erscheint: „Kommenden Sonntag? Das ist klass’. Das lesen sie dann auch bei mir daheim. Da wird sich mein Opa freuen. Ich schenk ihm ja jedes Jahr ein ,Krone‘-Abo.“ Wer braucht da noch „Spiegel“ oder FAZ?
Edda Graf, Kronen Zeitung
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