Noch kein Durchbruch
EU und Briten ringen weiter um Brexit-Abkommen
Im Ringen um ein Brexit-Abkommen suchen die EU und Großbritannien weiter fieberhaft nach einer Einigung. Bei den Marathonverhandlungen in Brüssel wurde bis Mittwochabend kein Durchbruch erzielt. Beide Seiten äußerten sich optimistisch, erklärten aber zugleich, mehrere wichtige Probleme seien noch nicht gelöst. Ob der EU-Gipfel ab Donnerstag eine mögliche Einigung damit noch absegnen kann, ist laut Diplomaten ungewiss.
Nach stundenlangem Ringen am Dienstag bis Mitternacht hatten die Verhandlungsteams am Mittwochvormittag ihre Gespräche in Brüssel wiederaufgenommen. Beide Seiten hatten Diplomaten zufolge am Dienstag begonnen, eine mögliche Einigung in einen Rechtstext zu übertragen.
Barnier: „Noch eine Reihe bedeutender Probleme zu lösen“
Der europäische Verhandlungsführer Michel Barnier erklärte Mittwochmittag nach Angaben der EU-Kommission, die Gespräche verliefen „konstruktiv“. Es gebe aber „noch eine Reihe bedeutender Probleme zu lösen“. Der britische Premierminister Boris Johnson sagte bei einer Kabinettssitzung in London, er halte „ein gutes Abkommen“ weiterhin für möglich. Er verwies aber ebenfalls auf mehrere offene Fragen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte, beide Seiten hätten sich auf die Grundzüge eines Abkommens geeinigt, sodass die Verhandlungen „theoretisch“ innerhalb einiger Stunden abgeschlossen werden könnten. „Alles geht in eine gute Richtung, aber wie Sie sicher bemerkt haben, ist beim Brexit und unseren britischen Partnern alles möglich“, sagte Tusk in einem Interview mit dem polnischen Nachrichtensender TVN24.
Irlands Premierminister Leo Varadkar sah noch „viele Probleme“. Er sei aber überzeugt, dass beide Seiten ein Abkommen „bis Ende des Monats“ wollten. Dies könnte darauf hindeuten, dass Varadkar davon ausgeht, dass für die Verhandlungen noch mehr Zeit nötig ist und ein Durchbruch vor dem EU-Gipfel eher unwahrscheinlich ist.
„Wir wissen nicht, ob es einen Deal geben wird“, sagte ein EU-Diplomat. Er könne sich derzeit „nicht vorstellen, dass die Staats- und Regierungschefs morgen mehr sagen als ,Das sieht nicht so schlecht aus.‘“ Je mehr eine mögliche Einigung von den bisherigen Verhandlungsergebnissen abweiche, desto unwahrscheinlicher sei es, dass der Gipfel schon abschließend grünes Licht geben könne.
Johnson will Briten am 31. Oktober aus der EU führen
Johnson will sein Land am 31. Oktober aus der EU führen, notfalls auch ohne Abkommen. Allerdings hatte das britische Parlament Johnson im September per Gesetz dazu verpflichtet, eine Brexit-Verschiebung zu beantragen, sollte es bis zum 19. Oktober keine Einigung mit der EU auf ein Abkommen geben.
Der britische Brexit-Minister Steve Barclay bestätigte, dass seine Regierung ohne Abkommen um eine Verschiebung bitten würde. Für den Fall einer Einigung, die dann eine schnelle Ratifizierung durch das Unterhaus erfordern würde, sagte Barclay aber, es sei „wichtig, dass wir am 31. Oktober austreten“.
Selbst bei einem Erfolg der Gespräche zwischen London und Brüssel bleibt aber die Frage, ob Johnson das Abkommen tatsächlich durch das Unterhaus bekommt. Brexit-Hardliner sind strikt dagegen, dass Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs stattfinden, um das Grenzproblem zum EU-Mitglied Irland zu lösen. Insbesondere die mit Johnsons konservativen Tories verbündete nordirische DUP gilt hier als Unsicherheitsfaktor.
Kommt es vor dem EU-Gipfel nicht mehr zu einem Durchbruch, könnten die EU-Staats- und Regierungschefs die Brexit-Frage vor Ende Oktober auch auf einem Sondergipfel behandeln. In Brüssel gilt bei einigen EU-Vertretern zudem selbst bei einem Abkommen eine „technische Verlängerung“ beim Brexit als wahrscheinlich. Denn die Zeit, um eine Vereinbarung bis Ende Oktober in den Parlamenten zu ratifizieren, sei schon jetzt zu knapp.
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