„Großartiger Deal“
Monatelang verhandelt – endlich Brexit-Abkommen
Die Unterhändler der EU und Großbritanniens haben sich nach monatelangem Hin und Her auf einen Brexit-Vertrag geeinigt. Dies bestätigten der britische Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Donnerstagmittag in Brüssel. Johnson sprach von einem „großartigen Deal“, Juncker bezeichnete die Vereinbarung als „fair“. Michel Barnier, Chefverhandler der EU, sagte, das Abkommen schaffe vor allem Rechtssicherheit. Auch erster Widerstand regt sich bereits: Die nordirische Unionistenpartei DUP sowie Labour-Chef Jeremy Corbyn erklärten am Donnerstag, den ausgehandelten Brexit-Deal nicht unterstützen zu können.
„Wir haben einen neuen Deal, der die Kontrolle zurückholt - nun sollte das (britische) Parlament am Samstag den Brexit abschließen, damit wir zu anderen Prioritäten übergehen können, wie die Lebenskosten, NHS (das britische Gesundheitssystem, Anm.), gewalttätige Kriminalität und unsere Umwelt“, twitterte Boris Johnson.
Juncker: „Wo ein Wille, da ein Deal“
„Wo ein Wille, da ein Deal - wir haben einen!“, freute sich Juncker auf Twitter und postete ein Schreiben von ihm an EU-Ratspräsident Donald Tusk, das darüber informiert, dass die Verhandler eine Vereinbarung über ein geändertes Nordirland-Protokoll erzielt hätten. Juncker empfahl, dass der EU-Gipfel den Deal annehmen solle.
Barnier: „Abkommen schafft Rechtssicherheit“
Michel Barnier, Chefunterhändler der EU, betonte, das neu ausgehandelte Abkommen zum Brexit schaffe vor allem Rechtssicherheit. Es werde eine Übergangsphase bis Ende 2020 geben, so Barnier. Eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sei ausgeschlossen.
Nordirland werde dazu begrenzt weiter EU-Regeln unterliegen und bilde das Eingangstor in den EU-Binnenmarkt. Zugleich werde die Provinz aber auch der britischen Zollhoheit unterliegen. Damit sei ein faires Abkommen gefunden, um einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu sichern. Zugleich sei der Weg geebnet für ein Handelsabkommen der EU mit Großbritannien, in dem es weder Zölle noch Quoten gebe, sagte Barnier.
Nordirische DUP lehnt Brexit-Abkommen ab
Die nordirische Unionistenpartei DUP erklärte kurz nach Bekanntwerden der Einigung, den ausgehandelten Brexit-Deal nicht unterstützen zu können. Die DUP bleibe bei ihrer ablehnenden Haltung, sagte ein Parteisprecher. Auch Labour-Chef Jeremy Corbyn bekundete bereits seine Ablehnung. Das britische Parlament muss der zwischen der EU und der Regierung in London erzielten Vereinbarung zustimmen.
Johnson will sein Land am 31. Oktober aus der EU führen. Die Verhandlungsführer beider Seiten hatten in den vergangenen Tagen versucht, letzte Details einer Einigung vor dem Gipfel zu klären. Knackpunkt war der künftige Status von Nordirland.
Keine harte Grenze in Irland
Die EU-Kommission versicherte, dass das neue Brexit-Abkommen eine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der zur EU gehörenden Republik Irland verhindern werde. Die Wirtschaft der irischen Insel und das Karfreitagsabkommen würden in all ihren Dimensionen geschützt, ebenso wie der EU-Binnenmarkt, erklärte die EU-Behörde am Donnerstag. Nordirland bleibe Teil des britischen Zollgebiets.
Das gemeinsame Zollterritorium zwischen der EU und Großbritannien, das der Austrittsvertrag von 2018 vorgesehen hätte, wurde nunmehr aus dem Nordirland-Protokoll auf Wunsch der britischen Regierung entfernt. Die beiden Seiten hätten eine Lösung gefunden, wie eine Zollgrenze auf der irischen Insel verhindert werde. Im Hinblick auf die Regulierungsvorschriften bleibe Nordirland an einen beschränkten Satz von EU-Binnenmarktregeln gebunden.
Nordirland bleibt an EU-Regeln gebunden
Laut EU-Kommission betrifft dies die Gesetzgebung zu Waren, Hygienebestimmungen für Veterinärkontrollen, Regeln für die Produktion und die Vermarktung von Agrargütern, die Mehrwertsteuer und Abgaben auf Güter sowie die Regeln zu Staatsbeihilfen. Die EU und Großbritannien hätten zudem einen neuen Zustimmungsmechanismus vereinbart, der den Mitgliedern des nordirischen Parlaments eine „entscheidende Stimme“ für die Anwendung von EU-Recht in Nordirland gebe.
EU-Parlament könnte sich Vertrag rasch vornehmen
Sollte das britische Parlament doch der Einigung zustimmen, so hat EU-Parlamentspräsident David Sassoli schon Bereitschaft signalisiert, die Ratifizierung des neuen Brexit-Vertrags rasch in Angriff zu nehmen. Zunächst müsse man sich den Text genau anschauen und auch die Abstimmung im britischen Unterhaus abwarten, sagte Sassoli am Donnerstag. „Das Europäische Parlament steht natürlich bereit, seine Arbeit zu machen und seine Pflicht zu erfüllen.“ Das EU-Parlament tagt kommende Woche in Straßburg.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.