Holz, Sekte, Isolation
Fall Ruinerwold: Wie passt das alles zusammen?
„Es gibt viele Spekulationen, aber die Polizei will Fakten. Es gibt noch viele unbeantwortete Fragen“, bringt Polizeisprecherin Grietje Hartstra die Problematik rund um den mysteriösen Fall im niederländischen Ruinerwold auf den Punkt. Seit Dienstag sickern täglich neue Informationen und Details zu den Vorkommnissen auf dem Bauernhof durch. Klarheit bringen diese jedoch bislang nicht. Vielmehr drängt sich immer stärker die Frage auf: Wie passt das alles eigentlich zusammen?
Eine Sondergruppe mit 25 Beamten ist seit Montag auf dem Bauernhof in Ruinerwold vor Ort und versucht unter Hochdruck, die vielen offenen Fragen zu klären. Allem voran muss herausgefunden werden, in welchem Verhältnis der 58-jährige Österreicher Josef B. und die sechs Geschwister sowie deren bettlägriger Vater standen. Die Familie hauste auf dem Hof, den der gebürtige Wiener gemietet hatte. Er selbst soll dort aber nicht gelebt haben.
Josef B. wurde unter dem Verdacht der Freiheitsberaubung und Benachteiligung der Gesundheit anderer festgenommen, am Donnerstag wurde die U-Haft über ihn verhängt. Allerdings wird noch geprüft, ob die Familie überhaupt unfreiwillig auf dem Hof lebte, auch wenn die Polizei mittlerweile davon ausgeht, dass die sechs Kinder gegen ihren Willen festgehalten wurden.
„Wir denken, dass die sechs Personen dort nicht aus freiem Willen gelebt haben."
Polizeisprecherin Nathalie Schubart
Gegen eine Gefangenschaft spricht jedenfalls der Umstand, dass der älteste Sohn der Familie, der 25-jährige Jan, seit mehreren Monaten in sozialen Netzwerken aktiv war. Er war es allerdings auch, der seit einigen Wochen in einem Lokal in Ruinerwold auftauchte, dort letztlich um Hilfe bat und so den Fall überhaupt erst ins Rollen brachte.
Zusammen im Kreis bewegen
Wahrscheinlich erscheint, dass sowohl die Familie als auch Josef B. einer Sekte angehören könnten. So sagten mehrere Quellen gegenüber dem niederländischen Medium RTV Drenthe, dass alle Beteiligten Anhänger der Moon-Bewegung aus Korea, der sogenannten Vereinigungskirche, seien. Ein Ritual der Sekte sei beispielsweise, dass sich Mitglieder jede halbe Stunde zusammen im Kreis bewegen müssen.
Mitglieder der Sekte würden zudem Spenden erhalten. So sei die Familie über all die Jahre mit finanziellen Mitteln versorgt gewesen. Laut niederländischen Medien sei auch jede Menge Bargeld auf dem Hof gefunden worden.
Josef B. galt laut seiner Familie zudem schon lange als Eigenbrötler. „Er war bei einer Sekte, ist sich selber besser vorgekommen als Jesus. Seit zehn Jahren haben wir keinen Kontakt mehr“, so ein Bruder des 58-Jährigen.
Umso widersprüchlicher steht dazu allerdings der Ermittlungsstand des oberösterreichischen Landeskriminalamts: So lebte Josef B. zwar rund zehn Jahre in Oberösterreich, während dieser Zeit habe es aber keine Hinweise auf eine Mitgliedschaft in einer Sekte gegeben. „Vorerst“, heißt es dazu allerdings. Und auch die Vereinigungskirche wies bereits am Mittwoch gegenüber der APA entsprechende Berichte zurück: Der 58-jährige Österreicher sei weder bei der Vereinigungskirche in Österreich noch in den Niederlanden Mitglied gewesen.
Über Holzhandel kennengelernt?
Kennengelernt haben könnten sich Josef B. und die Familie jedenfalls abseits möglicher Verbindungen zu einer Sekte über den Holzhandel. So betrieb der Vater in Zwartsluis bis 2008 einen Spielwaren- und Holzhandel. Josef B. hatte wiederum im wenige Kilometer entfernten Meppel eine Firma registriert, die auf Holz spezialisiert ist.
2010 zog Josef B. dann vom oberösterreichischen Bezirk Perg in die Niederlande und mietete den abgelegen Bauernhof. Die Familie - die Mutter der Kinder soll bereits 2004 gestorben sein - dürfte ebenfalls vor etwa neun Jahren auf den Hof gezogen sein. Keines der Familienmitglieder war dort jedoch bei der Grundverwaltung registriert.
Aber tauchte die Familie vielleicht freiwillig unter? Oder trieb Josef B. die Familie als Sekten-Guru in die Isolation? Bislang kooperierte der Österreicher nicht mit den Ermittlern, der Vater und die sechs erwachsenen Kinder wurden an einen sicheren Ort gebracht. Was tatsächlich auf dem abgelegen Hof passierte, können wohl nur sie beantworten ...
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