Klimakiller Internet

So bringen Google & Co den Planeten zum Kochen

Web
20.10.2019 06:00

Die Digitalisierung heizt die Klimakrise an! Der ständig steigende Datenverkehr im Netz sorgt schon jetzt für mehr Treibhausgas-Emissionen als der gesamte Flugverkehr. Experten schlüsseln auf, wie viel heiße Luft mit einer einzigen Google-Abfrage produziert wird und was man dagegen tun kann.

Es dauert exakt eine halbe Sekunde, und Google wirft nach der Eingabe des Suchbegriffs „Klimawandel“ mehr als 28 Millionen Treffer aus. Beim Durchklicken der wichtigsten Links zu den Ursachen für die globale Erwärmung ist man rasch beim Themenmix zwischen fossiler Energie, Amazonas-Abholzung und Fleischkonsum. 

Relativ zeitnah tauchen dann die bekannten Bilder der verhungernden Eisbären in der Arktis auf. Verhältnismäßig wenig wirft der Online-Gigant aus Mountain View in Kalifornien zu den negativen Folgen der Digitalisierung aus - und das dürfte gute Gründe haben.

(Bild: AFP)

So viel CO2 verursacht jeder Österreicher mit Suchabfragen - pro Tag
0,2 Gramm CO2 pro Suche klingt zunächst einmal läppisch. Wenn das aber auf einen durchschnittlichen Nutzer und das Jahr hochgerechnet wird, sieht es schon etwas anders aus. 30 Millionen Abfragen alleine in Österreich verursachen sechs Tonnen Kohlendioxid, pro Tag wohlgemerkt. 

Da passt dann auch ein aktueller Bericht des renommierten „Guardian“ ins Gesamtbild. Dieser belegt nämlich, dass der eigentlich auf sein grünes Image bedachte US-Riese im Zuge von diversen Investitionen jüngst „substanzielle Summen“ an Lobbyingfirmen für Klimawandelleugner überwiesen hat.

(Bild: ©phasin - stock.adobe.com)

Kein Einzelfall
Google ist freilich kein Einzelfall beim „Internet-Fußabdruck“. Bei E-Mails und in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram sind die Ergebnisse ähnlich. Fast schon öko-kriminell wird es dann aber bei Streaming-Diensten, weil jedes hochauflösende Video Energie wie ein nimmersatter Datenkrake absaugt. Mit geschätzten 114 Kilo auf dem Treibhausgaskonto kann es ein Netflix-Abonnent mit so mancher Rostlaube aus der Sowjetzeit aufnehmen. 

Die Bilanz: Wenn man den Energieverbrauch für Übertragung, Kühlung der Rechenzentren und Produktion von Computern zusammenzählt, ist die Digitalisierung global für vier Prozent der jährlichen Treibhausgase verantwortlich. Klimaexpertin Jasmin Duregger von Greenpeace in Wien zieht den Vergleich: „Der kommerzielle Luftverkehr verursachte vergangenes Jahr 918 Millionen Tonnen CO2, das entspricht 2,5 Prozent der weltweiten Emissionen.“

(Bild: EPA)

„Datenvolumen explodiert“
Nicht gerade rosig sind auch die Zukunftsprognosen. „Das in den Netzen bewegte Datenvolumen wird in den nächsten Jahren förmlich explodieren“, wagt Professor Günter Getzinger vom ISDS-Institut für Interaktive Systeme und Datenwissenschaft an der TU Graz einen Ausblick. Die Ursachen für diese Revolution sind vielfältig. Stichwort: autonome Mobilität und Blockchain-Technologie, die etwa die Kryptowährung Bitcoin nutzt.

Was sind mögliche Lösungsansätze? „Deutlich verbessert werden könnte die Ökobilanz, wenn Konzerne wie Apple oder Amazon zur CO2-Neutralität verpflichtet werden würden. Das ginge leicht mit freiwilligen Vereinbarungen zwischen Regierungen und diesen Unternehmen“, so Getzinger zur „Krone“. 

Microsoft hat im Zuge eines Pilotprojekts ein Rechenzentrum auf dem Meeresboden versenkt. Dort soll es sich effizienter kühlen lassen. Ein Beispiel wiederum aus der Praxis: Es gibt bereits alternative Suchmaschinen wie den Anbieter Ecosia, der verspricht, mit den erzielten Gewinnen Bäume zu pflanzen. 

(Bild: AFP)

Umdenken in allen Bereichen
Zur Rettung des Weltklimas braucht es ein Umdenken in allen Bereichen. Die Verharmlosung oder Verteufelung unterschiedlicher Faktoren ist wohl nicht zielführend. Kontraproduktiv ist vermutlich auch ein in diesem Kontext immer wieder heraufbeschworener Konflikt Jung gegen Alt. Die Generation Greta hat es schlussendlich in der Hand. Dazu sollte sie aber vielleicht öfter einmal das Smartphone zur Seite legen - und das nicht nur freitags.

Übrigens: Das Durchforsten diverser Homepages und der Mail-Verkehr für die Fertigstellung dieses Artikels verursachte - Pi mal Daumen - ein Kilogramm Kohlenstoffdioxid. Es geschah mit hehren Absichten. Rechercheflüge oder Ausfahrten mit dem Segelboot waren nicht notwendig.

(Bild: stock.adobe.com)

So viel Kohlenstoffdioxid verursacht ein durchschnittlicher User im Internet mit diesen Anwendungen pro Jahr:
Google: 27,4 Kilogramm
Outlook: 14,6 Kilogramm
YouTube: 3,2 Kilogramm

Facebook: 0,3 Kilogramm

CO2-Verbrauch im Vergleich (pro Person):
Linienflug von Wien nach Salzburg: 117 Kilo
Netflix-Abo (täglich ein gestreamter Film pro Jahr): 114 Kilo
Autofahrt Wien-Salzburg mit Diesel-Pkw: 59 Kilo

Die Kilo-Werte sind auf 365 Tage hochgerechnet. Die „Krone“-Schätzungen basieren auf Expertendaten und Online-Rechnern. Sie berücksichtigen u. a. Stromverbrauch und Energiebedarf für die Server sowie die Übertragung. Es wurde ein für junge Menschen niedriges Surfverhalten angenommen, zum Beispiel zehn Google-Anfragen bzw. zehn E-Mails pro Tag oder nur ein YouTube-Video täglich. Die Facebook-Zahlen beruhen auf Anbieterangaben - und weichen deshalb nach unten ab.

Gregor Brandl und Katharina Pirker, Kronen Zeitung

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