„Krone“-Interview
Warum der Islam die Modernisierung nicht schafft
Der wachsende Einfluss von Religion in der Politik war ein Thema des „Dialogs der Zivilisationen“ auf dem heurigen „Rhodos-Forum“ auf der griechischen Insel. Nach dem „säkularen“ 20. Jahrhundert folgt die Rückkehr zur religiösen Identität. 84 Prozent der Weltbevölkerung folgen religiösen Regeln, davon sind 80 Prozent aus Gründen der Religion mit Verletzung der Menschenrechte konfrontiert. Von Gewalt und Kriegen wird besonders die islamische Welt heimgesucht. Die „Krone“ wollte von Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik und einer der Referenten auf der Konferenz, die Gründe für diese Krise wissen.
„Krone“: Es gärt in der islamischen Welt. Was ist da los?
Ednan Aslan: Es gibt eine Krise. Sie kommt daher, dass die Moslems in einer modernen Gesellschaft nicht wissen, was sie vom Koran erwarten können und was nicht. Nun gibt es Organisationen, die diese Krise missbrauchen und den Menschen Angebote machen, die einfach nicht realistisch sind.
Es ist also eine Bildungs- und Wissensfrage?
In der heutigen Welt der Wissenschaft produziert die islamische Welt höchstens fünf Prozent des Wissens. Wo sind die Nobelpreisträger? In dieser Krise kommen immer wieder Personen, die predigen, wir waren einst den anderen voraus, wurden aber zurückgedrängt. Dadurch vermeidet man eine aktuelle Debatte. Die Moslems müssen endlich diese Opferrolle ablegen.
Warum schafft der Islam die Modernisierung nicht?
Wenn man endlich die Freiheit hätte, in den islamischen Ländern die Stellung der Religion zu hinterfragen, hätten wir das Problem nicht. Wenn man aber eine bestimmte Stellung in der Geschichte als ein unveränderliches Dogmatismusgebäude für heilig erklärt, machen wir auch keinen Fortschritt. In Europa hatte man sich mit der Stellung der Bibel auseinandergesetzt. Wenn man den Islam reformieren will, kann das nur in Freiheit geschehen. Einfach nur Fragen zulassen!
Die islamische Welt ist aber leider voll mit autoritären Regimes.
Dort ist eine Debatte nicht möglich, weil sie nicht nur die Religion tangiert, sondern auch die Stellung der Regimes und ihrer Führer. Sie wird unweigerlich zu einer Frage des Führungsstils. Wenn Sie dort eine Debatte führen wollen, sind Sie am nächsten Tag im Gefängnis oder werden, wie in Saudi-Arabien, hingerichtet. Man muss die Religion aus der Gefangenschaft durch die Politik befreien!
Freiheit beginnend an den Universitäten?
Ja, was darf dort überhaupt gelehrt werden? Für Reformen braucht es freies Denken, nicht Übernahme von Ritualen. Viele Absolventen sind gar nicht in der Lage, sich mit den Quellen der religionshistorischen Entwicklung auseinanderzusetzen. Al-Kaida und IS haben nur vollzogen, was an den Universitäten gelehrt wird! Wenn Völker nicht in der Lage sind, die Zukunft zu gestalten, suchen sie die Rettung in der Vergangenheit. Der Islam droht, die Zukunft zu verlieren! Und so wird diese Haltung auch nach Europa importiert.
Kein Fortschritt ohne mündige Bürger, aber keine mündigen Bürger ohne Bildung?
Ja, es ist leider ein Faktum, dass bei muslimischen Familien in Europa Bildung nicht ausreichend geschätzt und gefördert wird.
Was antworten Sie Menschen in Europa, die sagen: „Der Islam ist für uns nichts als eine Belastung“?
Der Umstand, dass Muslime zwar hier leben, aber immer noch einen Fuß in ihren Heimatländern haben, belastet die Verhältnisse. Wir sind nicht Muslime von Beruf, die sich nur bemerkbar machen, wenn es um Minarette und Kopftuch geht, sondern Bürger dieses Landes! Muslime müssen sich auch in den vielen anderen Aspekten des öffentlichen Lebens als Mitbürger einbringen. Es bleibt die Grundsatzfrage: Welchen Islam wollen wir der Welt präsentieren?
Kurt Seinitz, Kronen Zeitung/krone.at
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