Bis zum 21. Oktober verdient ein Mann so viel wie eine Frau das ganze Jahr über. Die Schere bei Vollzeitlöhnen schließt sich - langsam.
„Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sollten im 21. Jahrhundert nicht diskutiert werden müssen“, sagt Sabine Herlitschka, „doch das ist der Fall“, fügt die Infineon-Vorständin und Chefin von 4500 Mitarbeitern hinzu. „Dass wir über ungleiche Einkommen reden müssen“, findet Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl „empörend“.
Die Zahlen geben den beiden recht: 41.785 Euro verdient eine Vollzeit arbeitende Frau im Schnitt im Jahr, das sind 10.248 Euro weniger als ein Mann mit derselben Arbeitszeit. Gründe dafür gibt es viele: Frauen wählen häufiger schlechter bezahlte Branchen, haben aufgrund der Kindererziehung weniger Dienstjahre usw. Selbst bei gleicher Ausbildung, Qualifikation und Erfahrung bekommen sie oft schlichtweg weniger bezahlt als ihre Kollegen.
Die gute Nachricht: Die Lohnschere schließt sich. Die schlechte: Sie tut es langsam. Seit 2010 hat sich der Equal Pay Day, also der Tag, an dem ein Mann so viel verdient hat wie eine Frau im ganzen Jahr, um knapp einen Monat nach hinten verschoben - von 29. September auf den 21. Oktober. In der Vergangenheit gab es von Jahr zu Jahr Sprünge bis hin zu einer Woche - von 2018 auf 2019 war es nur ein Tag.
In Städten wird fairer bezahlt
Der Lohnunterschied betrug zuletzt 20 Prozent – deutlich mehr als im EU-Schnitt. Von finanzieller Gleichberechtigung sind wir weit entfernt – Länder wie Schweden (12,6 Prozent), Luxemburg oder Italien (jeweils fünf Prozent) haben klar die Nase vorne. In einzelnen Regionen ist die Situation noch prekärer: In Mödling verdienen Männer um 21.000 Euro mehr, in Wels Land 15.000 Euro, in Salzburg-Umgebung 14.000 Euro. Ostösterreicherinnen sind tendenziell besser gestellt als Westösterreicherinnen: Während der durchschnittliche Lohnunterschied in Vorarlberg 27 Prozent beträgt, sind es in Wien 14,5 Prozent. In Städten wird fairer bezahlt als auf dem Land.
Die hohe Teilzeitquote – 48 Prozent bei den Frauen gegenüber zehn Prozent bei den Männern – verstärkt das Problem. Sie wirkt sich nachteilig auf Einkommen und Pensionen aus – und schadet der Wirtschaft. Denn, so sagte AMS-Chef Johannes Kopf kürzlich: Wenn alle Frauen, die Teilzeit arbeiten, ihre Arbeitszeit um drei Wochenstunden erhöhen, würde das den Fachkräftemangel beheben.
„Politik muss Rahmenbedingungen schaffen“
Lösungsansätze gegen die Lohnschere gibt es einige: In Island etwa gilt seit 2018 ein Gesetz, das es Unternehmen verbietet, Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit ungleich zu bezahlen. „Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen – von Kindergärten bis Pflegedienstleistungen“, so Anderl. „Wir müssen traditionelle Rollenbilder weiterentwickeln und attraktive Bildungs- und Jobchancen für Frauen offensiv aufzeigen“, fügt Infineonchefin Herlitschka hinzu.
Teresa Spari und die Bundesländerredaktionen, Kronen Zeitung
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