Ehefrau von Jamal A.:

Bluttaten von Wullowitz: „Ich hatte Angst vor ihm“

Oberösterreich
27.10.2019 06:00

Er tötete in Oberösterreich einen Flüchtlingshelfer und einen Pensionisten - der Afghane Jamal A. (33). In der „Krone“ spricht nun seine Ehefrau: „Ich wusste schon lange, dass er gefährlich ist.“

Ein Zimmer in einem Linzer Frauenhaus. Drei Betten, ein Holztisch, zwei Sessel, ein Kühlschrank; in einer Ecke ein paar Kisten mit Kleidern und Lebensmitteln. Hier, in diesem Raum, lebt nun Samana (26) mit ihren beiden kleinen Töchtern. Sie, Samana – die Ehefrau von Jamal A. (33). Jenem afghanischen Asylwerber, der am 14. Oktober im oberösterreichischen Wullowitz ein Blutbad angerichtet, einen Flüchtlingshelfer und einen pensionierten Bauern erstochen hat.

(Bild: Martina Prewein, krone.at-Grafik)

„Ich hasse meinen Mann dafür“, schluchzt die 26-Jährige: „Wie konnte er nur so grausam sein?“ Kennt sie seine dunkle Seite nicht? „Oh doch. Ich habe sie gesehen, immer wieder.“

Jamal A.s spektakuläre Amokfahrt im Juli 2019, in Freistadt, nachdem er zum vierten Mal die Führerscheinprüfung nicht bestanden hatte – angeblich hat er selbst damals schon viel Schlimmeres getan. Ständig. Wiederholt soll er in den vergangenen Monaten Streits und Schlägereien angezettelt haben, mit Männern aus seinem Umfeld, „einem von ihnen brach er sogar die Nase“. Mehrfach, so Samana, habe sie deshalb ihre Betreuer darauf hingewiesen, „dass mein Mann gefährlich ist“. Aber nichts geschah. Weswegen sich die Frau an die Polizei wandte: „Denn auch ich fürchtete mich ja vor ihm.“ Warum? Wegen seiner Stimmungsschwankungen.

(Bild: Martina Prewein, krone.at-Grafik)

„Manchmal war er lieb, manchmal eine Bestie“
Mal sei der 33-Jährige „der beste Vater auf der Welt“ gewesen; umsichtig, zärtlich, gutmütig – um kurz darauf, wegen nichtiger Anlässe, „zu einer Bestie“ zu mutieren. Frau A., wurden Sie von Ihrem Mann misshandelt? „Darüber will ich nicht sprechen. Zuletzt war er einfach völlig anders als früher.“ Früher ... Was ist das Früher des Paars? „Wir stammen aus Afghanistan“, aus Herat, Jamal A.s Mutter – „die Schwester meines Vaters. Bei uns zu Hause“, erklärt Samana, „sind Hochzeiten unter Verwandten normal.“

Versprochen seien sie und ihr Cousin einander bereits von Kindheit an gewesen, ihrer beider Eltern besitzen bis heute eine Firma, in der Sauerstoffflaschen hergestellt werden. Auch Samana und ihr Mann hätten einst in dem Unternehmen gearbeitet, „finanziell fehlte es uns an nichts, wir hatten Autos, ein hübsches Appartement“.

„Wir waren einmal glücklich miteinander“
Trotz der arrangierten Ehe, „Jamal und ich waren zunächst glücklich miteinander, mein Mann behandelte mich respektvoll“, und er verstand ihre Sehnsucht nach einem freieren Dasein im Westen. Auf Drängen der Frau hätten die zwei schließlich ihre Heimat verlassen, „wir bezahlten eine hohe Summe an Schlepper“ – und kamen 2015, mit dem Flüchtlingsstrom, in Oberösterreich an.

Wolfgang Blaschitz und Astrid Wagner haben die Verteidigung des 33-jährigen Jamal A. übernommen. (Bild: Gerhard Bartel)
Wolfgang Blaschitz und Astrid Wagner haben die Verteidigung des 33-jährigen Jamal A. übernommen.

„Zuerst waren wir in einem Heim untergebracht, später in einer eigenen Wohnung. Und wir hatten Träume. Mein Mann wollte eine Ausbildung zum Tischler machen, ich zur Kindergärtnerin.“ Doch mit der Zeit sei Jamal A. laufend unzufriedener geworden. „Er durfte bloß selten arbeiten, wir hatten wenig Geld. Er konnte sich damit nicht abfinden, kaufte trotzdem Zigaretten und lud Freunde in Lokale ein.“ Und er begann, sich psychisch zu verändern: „Er war oft sehr still und traurig – und dann wieder furchtbar aggressiv.“

„Meine Angst vor Jamal wurde mit jedem Tag größer“
Im Frühjahr 2019 sei der Afghane stationär in einer Psycho-Klinik in Behandlung gewesen, „für neun Tage“. Diagnose: Depressionen. „Er bekam Pillen verschrieben, die er nicht einnahm.“ Was geschah weiter? Seine Wutanfälle steigerten sich, in ihrer Häufigkeit, ihrer Intensität. „Meine Angst vor Jamal wurde mit jedem Tag größer.“ Die 26-Jährige befürchtete, er könne „mir oder unseren Kindern Böses antun“. Letztlich bekam er von den Behörden ein Kontaktverbot auferlegt, seine Familie betreffend. Er hielt sich nicht daran: „Er versprach mir Besserung, ich verzieh ihm.“

Der erste Tatort: das Flüchtlingsheim (Bild: Andi Schiel)
Der erste Tatort: das Flüchtlingsheim

„Ich will mich von ihm scheiden lassen“
Und jetzt? „Ich möchte Jamal im Gefängnis besuchen, ihn fragen, warum er zwei Menschen getötet hat. Danach will ich ihn nie wieder sehen – und mich von ihm scheiden lassen.“ Eine Rückkehr nach Afghanistan schließt Samana für sich und ihre Töchter aus. Wie soll ihre Zukunft in Österreich sein? „Aus der Gemeinde, in der mein Mann gemordet hat, musste ich fort. Ich bin dort nur noch die Frau des Killers. Vielleicht schaffe ich es, mir in Linz eine Existenz aufzubauen, irgendwie. Ich muss das versuchen, für meine zwei Mädchen.“ Die „niemals erfahren dürfen“, was ihr Vater verbrochen hat.

Die Bluttat von Wullowitz
Es geschah am 14. Oktober. Jamal A. hatte an diesem Montag lange geschlafen, gegen Mittag soll Flüchtlingshelfer David H. zu seiner Wohnung gekommen sein und mit ihm wegen der Vermittlung von Jobs gesprochen haben. „Ich hörte die beiden streiten“, erinnert sich Samana. Und sie war froh, als sich ihr Mann danach „friedlich verhielt“. Er habe mit den Kindern gespielt, Spiegeleier gegessen, um etwa 14 Uhr sei er mit seinem Rad losgefahren.

(Bild: APA/LAUMAT.AT/MARIO KIENBERGER, LPD OÖ, krone.at-Grafik)

Zwei Stunden später stach er in seiner ehemaligen Asylunterkunft mit einem Klappmesser auf David H. ein - der 32-Jährige erlag Tage später seinen schweren Verletzungen. Nach seinem grauenhaften Verbrechen überfiel der Afghane, nur wenige Meter vom Tatort entfernt, einen pensionierten Bauern - Franz G. (63). Er tötete auch ihn, raubte sein Auto, war damit bis in die Abendstunden auf der Flucht.

Die Tatwaffe, ein Klappmesser (Bild: Martina Prewein)
Die Tatwaffe, ein Klappmesser

Jamal A. sitzt mittlerweile in Linz in Untersuchungshaft. Er habe weder David H. noch Franz G. umbringen wollen, beteuert er in Verhören. „Ich hatte bloß vor, sie zu erschrecken“, so seine zynischen Angaben. „Aber dann“, sagt er weiters, „ist halt leider einiges aus dem Ruder gelaufen.“ Als Mörder sieht er sich nicht: „Wann werde ich endlich aus dem Gefängnis entlassen?“, fragt er jetzt ständig.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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