„Der Professor“
Baghdadi tot: Ist dieser Mann der neue IS-Chef?
Noch vor seinem Ableben dürfte Abu Bakr al-Baghdadi bereits einen Nachfolger an der Spitze der Terrormiliz Islamischer Staat aufgebaut und diesen sogar mit zahlreichen Führungsagenden betraut haben. Es soll sich dem Vernehmen nach um den Iraker Abdullah Qardash handeln. Der unter den Kampfnamen „Der Professor“ bzw. „Der Zerstörer“ bekannte Mann soll unter Saddam Hussein in der irakischen Armee gedient haben und seit den gemeinsamen Gefängnistagen im Irak ein enger Gefolgsmann Baghdadis gewesen sein.
Bereits im August soll das Sprachrohr der Terrormiliz, die Agentur Amaq, bekannt gegeben haben, dass Qardash mit der operativen Leitung des IS beauftragt worden sei, heißt es. Laut Angaben der Terrorismus-Analytikerin und Mitbegründerin des auf die Überwachung extremistischer Websites spezialisierten US-Unternehmens Search International Terrorist Entities (SITE) Intelligence Group, Rita Katz, dürfte es sich dabei aber um einen gefälschten Amaq-Bericht handeln.
Waren Meldungen über Qardash ein Fake?
In der im Web verbreiteten Nachricht seien die Buchstaben dünner und die Schriftart des Datums unterscheide sich von originalen Amaq-Quellen. Vor allem aber sei die entsprechende Nachricht weder über offizielle Amaq-Medien verbreitet, noch auf anderen IS-Channels gesichtet worden, schreibt Katz auf Twitter.
Damals waren auch Berichte über den schlechten Gesundheitszustand Baghdadis im Umlauf. Nun ist der IS-Chef tot. Aber seine Bewegung lebt, was nicht zuletzt Warnungen zahlreicher Staaten beweisen. Nicht nur die kurdischen Volksverteidigungseinheiten in Nordsyrien rechnen nun mit Vergeltungsschlägen nach wie vor aktiver IS-Terrorzellen. In Syrien läuft der Einsatz gegen die IS-Spitze weiter.
SDF-Sprecher Mustafa Bali teilte mit, die beiden US-geführten Operationen gegen Baghdadi und den Dschihadistensprecher Abu al-Hassan al-Muhajir hätten die oberste Führungsebene des IS in Nordwestsyrien „faktisch ausgeschaltet“, weitere hochrangige IS-Mitglieder versteckten sich aber noch in der Gegend.
Video: Hier starb IS-Anführer Baghdadi
Brutal gegenüber Opponenten
Ob sich unter diesen auch Qardash befindet, ist unklar. An der Seite Baghdadis dürfte sich Qardash, dessen Alter unbekannt ist, viel Respekt erarbeitet, aber auch zahlreiche Feinde geschaffen haben. Denn als einer der wichtigsten politischen Entscheidungsträger und Chefideologen ging er auch brutal gegen all jene vor, die gegen die Linie der IS-Führung waren. Seine Bestrafungsmaßnahmen bescherten ihm einen weiteren Tarnnamen: „Der Zerstörer“.
„Newsweek“ berichtete am Sonntag unter Berufung auf eine Geheimdienstquelle aus der Region, die laut Angaben des Magazins nicht einmal seine Nationalität bekannt geben wollte, dass Qardash die Führung der Terrormiliz bereits übernommen habe. Ob der Zellengenosse des „Kalifen“ im irakischen Gefängnis von Bucca, wo Dschihadisten und frühere irakische Militär- und Geheimdienstleute Kontakte untereinander geknüpft und sich gegenseitig radikalisiert hatten, tatsächlich jene Führungsrolle erfüllen wird wie sein Vorgänger, darf aber angezweifelt werden.
Droht nun Machtkampf mehrerer „Nachfolger“?
Denn der IS, der während seiner Hochphase ein Drittel der Territorien Syriens und des Irak unter seine Herrschaft gebracht hatte, besteht nunmehr aus einzelnen Terrorzellen, die offenbar auch untereinander in Konkurrenz stehen. Terrorismusexperten sprechen nämlich schon seit geraumer Zeit von einem Machtkampf zwischen tunesischen, irakischen oder saudischen IS-Gruppierungen. Es könnte also durchaus sein, dass gleichzeitig mehrere „Nachfolger“ um das Erbe Baghdadis kämpfen werden.
„Oberstes Ziel erreicht, als Märtyrer gestorben“
Die Geschichte lehre aber, dass die Dschihadistenmiliz sehr „widerstandsfähig“ sei, schreibt SITE-Leiterin Katz auf Twitter (siehe auch oben). Sie werde „sich den Tod Baghdadis zunutze machen, um neue Anhänger zu rekrutieren und zu Angriffen aufzurufen“. Denn das oberste Ziel des Dschihad habe der IS-Führer erreicht: „als Märtyrer zu sterben“.
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