Die in der Kriminalitätsstatistik erfassten Anzeigen spiegeln nur die „Spitze des Eisbergs“ wieder, sagen Experten der Statistik Austria. Demnach werde nämlich bei Weitem nicht jede kriminelle Handlung bei der Polizei angezeigt. Einer aktuellen Befragung zufolge wird rund ein Viertel der Einbruchsdiebstähle nicht gemeldet. Noch viel größer ist die Dunkelziffer bei Gewalthandlungen: Drei Viertel melden Gewalterfahrungen nicht!
Das ist das Ergebnis einer Grundrechtebefragung 2019, die die Statistik Austria als nationalen Teil einer EU-weiten Studie durchgeführt und nun als Sonderkapitel im Rahmen der Studie „Wie geht‘s Österreich?“ veröffentlicht hat. Die Befragung zeigt auch, dass von häuslicher Gewalt überwiegend Frauen betroffen sind. In den vergangenen fünf Jahren waren 242.000 Frauen in Österreich mit Gewalt in privaten Räumen konfrontiert. Interessant ist auch, dass diese Form von Gewalt in allen Einkommensschichten annähernd gleich stark verbreitet ist. Bestätigt wird von der Befragung, dass Gewalt überwiegend von Männern ausgeht.
Männer öfter im öffentlichen Raum betroffen
Männer hingegen sind Gewalt häufiger an öffentlichen Orten ausgesetzt. Den Zahlen der Statistik Austria zufolge hat ein Drittel der 16- bis 29-Jährigen Männer in den vergangenen fünf Jahren Gewalt erlebt. Im Unterschied zu den männlichen Betroffenen wirkt sich Gewalt bei Frauen häufiger auf die seelische Gesundheit aus. 90.000 Frauen gaben an, als Folge einer Gewalterfahrung an Depressionen zu leiden. Knapp 30 Prozent der betroffenen Frauen haben Angstzustände.
12,8 Prozent haben Gewalt erlebt
Laut Grundrechtebefragung haben in Österreich in den vergangenen fünf Jahren 843.000 Menschen (12,8 Prozent) Gewalt erlebt. Die am häufigsten genannte Form von Gewalt sind Ohrfeigen, das Bewerfen mit Gegenständen, Stoßen oder An-den-Haaren-Ziehen (9,8 Prozent). Etwa halb so groß ist die Anzahl der Personen, die mit der Faust oder einem Gegenstand geschlagen wurden (5,2) oder getreten bzw. verprügelt wurden (4,4).
„Hohes Dunkelfeld an Fällen“
73 Prozent der Betroffenen haben ihre Gewalterfahrungen und allfällige Verletzungsfolgen nicht bei der Polizei gemeldet. „Wir haben eine gute Kriminalitätsstatistik, aber ein hohes Dunkelfeld an Fällen“, sagte Alexandra Wegscheider-Pichler von der Statistik Austria am Donnerstag. Die Kriminalitätsstatistik könne daher auch nur einen beschränkten Ausschnitt der Sicherheitslage bieten, folgern die Experten.
Drei Viertel der Eigentumsdelikte gemeldet
Die Grundrechtebefragung belegt, dass auch Erfahrungen mit Eigentumsdelikten weiter verbreitet sind, als durch die Anzeigenstatistik anzunehmen wäre. Demnach haben rund 680.000 Personen zumindest einmal in den vergangenen Jahren einen Einbruchsdiebstahl erlebt. Nur drei Viertel der Betroffenen haben einen Vorfall auch tatsächlich gemeldet. Diese „Datenlücken“ versucht die Statistik Austria mit der aktuellen Befragung zu verkleinern. „Der Vorteil ist, dass wir hier wirklich in die Haushalte gehen“, sagte Generaldirektor Konrad Pesendorfer - damit man nicht mehr nur die „Spitze des Eisbergs“ sieht, sondern auch die nicht zur Anzeige gebrachten Delikte abgebildet werden können.
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