Beugt sich dem Druck
Boliviens Präsident Morales kündigt Neuwahlen an
Nach wochenlangen massiven Protesten hat sich Boliviens Staatspräsident Evo Morales dem Druck gebeugt und am Sonntag Neuwahlen angesetzt. Er kündigte zudem an, die Wahlkommission auszutauschen. Bei der Frage, ob er erneut antreten werde, blieb er aber vage. „Kandidaturen müssen jetzt zweitrangig sein“, sagte er im Radio. „Vorrang hat die Beruhigung Boliviens.“ Sein Herausforderer Carlos Mesa forderte Morales zum Verzicht auf eine Kandidatur auf.
Morales war in den vergangenen Tagen verstärkt unter Zugzwang geraten. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) empfahl am Sonntag Neuwahlen, weil sie bei dem Urnengang am 20. Oktober nach eigenen Angaben ernstzunehmende Unregelmäßigkeiten festgestellt hatte. „Die Manipulierungen der Computersysteme sind so schwerwiegend, dass sie vom Staat gründlich untersucht werden müssen“, so das Fazit. Die Verantwortlichen müssten gefunden werden. Daher müsse die Wahl annulliert werden und es zu Neuwahlen kommen.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bezeichnete die Ankündigung von Morales, einen neuen Wahlprozess einzuleiten, als „positiv“. „Wir rufen alle Beteiligten, insbesondere die Behörden, dazu auf, ihren demokratischen Verantwortlichkeiten gerecht zu werden und die angemessenen Entscheidungen zu treffen, damit es zu einer schnellen Versöhnung kommt und weitere Gewalt vermieden wird“, teilte Mogherini am Sonntag mit.
Morales regiert das Land seit 2006
Bei der Wahl im Oktober lagen Morales und Mesa zunächst Kopf-an-Kopf. Die Auszählung wurde dann für einen Tag unterbrochen. Nach ihrer Wiederaufnahme führte der Linke Morales, der das Land seit 2006 regiert, mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten. Dies löste massive Proteste aus. Auch die OAS nannte es statistisch „unwahrscheinlich“, dass es zu einem so großen Vorsprung gekommen sei.
Morales‘ Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl, Carlos Mesa, forderte am Sonntag den Rücktritt des Staatschefs, wenn dieser „noch einen Funken Patriotismus“ habe. Weder Morales noch sein Vizepräsident Alvaro García seien „in der Lage, den Wahlprozess zu leiten“. Ein Gesprächsangebot von Morales wies Mesa zurück. Mit Morales und dessen Regierung gebe es „nichts zu verhandeln“, sagte er.
Opposition spricht von Wahlbetrug
Luis Fernando Camacho, ein Anführer der jüngsten Proteste, sprach von „klarem Wahlbetrug“ und forderte Morales zum Rücktritt auf. Morales hatte im Zusammenhang mit den Protesten von einem „Putsch“ gewaltbereiter Gruppen gegen ihn gesprochen. Er erhielt dabei von dem umstrittenen linken venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro Rückendeckung.
Bei Protesten gegen das Wahlergebnis kamen bisher drei Menschen ums Leben, mehr als 250 weitere wurden verletzt. Am Samstag besetzten Demonstranten die Zentralen zweier Staatssender. Die Mitarbeiter des Fernsehsenders Bolivia TV und des Radiosenders Radio Patria Nueva verließen das Sendergebäude in der Hauptstadt La Paz am Samstag unter den Buh-Rufen Hunderter Demonstranten. Am Freitag hatten sich zudem Einheiten der Elite-Polizeieinheit Utop in mehreren Städten auf die Seite der Demonstranten gestellt.
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