Rücktritt verkündet
Bolivien: Ära Morales endet nach 13 Jahren
Nach landesweiten Massenprotesten gegen seine umstrittene Wiederwahl hat Boliviens Staatschef Evo Morales am Sonntag seinen Rücktritt verkündet. „Ich verzichte auf mein Präsidentenamt“, sagte der frühere Koka-Bauer von seiner Heimatregion Cochabamba in Zentralbolivien aus im Fernsehen. Kurz zuvor hatte er den Rückhalt der Führung von Armee und Polizei verloren, die ihn ebenso wie die Opposition zum Rücktritt aufforderten, obwohl er erstmals Neuwahlen versprach. Er war der erste indigene Präsident eines lateinamerikanischen Landes.
Angesichts zunehmender Gewalt bei den Protesten, einer Serie von Rücktritten im eigenen Lager und massiven Vorwürfen von Wahlbetrug blieb Morales am Ende nur der Rücktritt. „Unser großer Wunsch ist es, dass der soziale Frieden wiederkehrt“, sagte der 60-Jährige am Sonntag in einer Fernsehansprache. Er trete zurück, um die Gewalt der Opposition zu stoppen. Die Welt solle erfahren, wie sich Oligarchen gegen die Demokratie verschworen, sagt er. Morales hatte zuvor von einem Putschversuch gegen sich gesprochen.
Morales spricht von „illegalem Haftbefehl“
Morales hatte unmittelbar nach der Ankündigung seines Rücktritts auf Twitter erklärt, dass die Polizei einen „illegalen Haftbefehl“ gegen ihn habe und dass „gewalttätige Gruppen“ sein Haus angegriffen hätten. Der Chef der bolivianischen Polizei äußerte dagegen in einem Fernsehinterview, es gebe keinen Haftbefehl gegen Morales. Auch einige von Morales‘ Verbündeten in Lateinamerika bezeichneten die Wende der Ereignisse ebenfalls als „Putsch“, darunter der venezolanische Präsident Nicolas Maduro und der designierte argentinische Präsident Alberto Fernandez.
Nach der Rücktrittsankündigung des 60-jährigen Dauer-Präsidenten strömten indessen Tausende Menschen auf die Straßen der Hauptstadt La Paz (siehe Video oben), schwenkten die bolivianische Fahne und feierten den Abgang von Morales mit Böllern.
Morales regierte das Land seit 2006
Im Oktober war der frühere Koka-Bauer für eine vierte Amtszeit angetreten. Boliviens Verfassung hätte eine weitere Kandidatur des Präsidenten eigentlich nicht zugelassen, das Verfassungsgericht gestand Morales 2017 aber das Recht auf eine weitere Amtszeit zu. Die Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober war hochumstritten, das offizielle Ergebnis wurde von der Opposition wegen Vorwürfen des Wahlbetrugs nicht anerkannt.
Bei der Wahl im Oktober lagen Morales und sein Herausforderer Carlos Mesa zunächst Kopf an Kopf. Die Auszählung wurde dann für einen Tag unterbrochen. Nach ihrer Wiederaufnahme führte der Linke Morales, der das Land seit 2006 regiert, mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten. Dies löste massive Proteste aus. Die Organisation Amerikanischer Staaten nannte es statistisch „unwahrscheinlich“, dass es zu einem so großen Vorsprung gekommen sei.
Experte: Proteste in Südamerika erinnern an Arabischen Frühling
Bei den wochenlangen Protesten infolge der Präsidentschaftswahl waren drei Menschen ums Leben gekommen, mehr als 380 weitere wurden verletzt. Zuletzt spitzte sich die Lage in dem südamerikanischen Land von Stunde zu Stunde zu. Für den kolumbianischen Politikberater Mauricio de Vengoechea erinnern die aktuellen Unruhen in vielen lateinamerikanischen Ländern an den Arabischen Frühling. „Es gibt Ähnlichkeiten, weil die Bürger der einzelnen Länder von den Protesten der Nachbarländer inspiriert werden“, sagte er am Sonntag.
Morales war der erste indigene Präsident eines lateinamerikanischen Landes. In Bolivien, einem der ärmsten Länder der Region, in dem 62 Prozent der Bevölkerung indigener Abstammung sind, war Morales zu Beginn seiner ersten Amtszeit als Unterstützer und Förderer der unteren Gesellschaftsschichten hoch angesehen. Zwar floriert Bolivien - das Armenhaus Südamerikas - unter dem Sozialisten wirtschaftlich, doch sein zunehmend selbstherrliches und autoritäres Gehabe stieß immer mehr Bolivianern bitter auf. Vor allem die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes fühlen sich von Morales über den Tisch gezogen.
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