Im Wahlkampf und auch bei den Sondierungsgesprächen war Sebastian Kurz meist ohne Krawatte anzutreffen. Was am Montag beim Jawort zur Aufnahme von Koalitionsgesprächen (siehe Video oben) sofort auffiel: Der ÖVP-Chef trug, wie immer, wenn es staatstragend wird, ein korrekt gebundenes Stück Stoff um den Hals. Im „Krone“-Interview spricht der alte und vermutlich neue Kanzler über Disziplin, mögliche Hürden, über schnelles Tempo und warum er sich über die Reaktion der FPÖ wundert.
„Krone“: Herr Kurz, die Grünen haben sich einstimmig für Koalitionsverhandlungen ausgesprochen. Hat Sie diese Geschlossenheit überrascht? Und deuten Sie das auch als Signal an die ÖVP?
Sebastian Kurz: Dass die Entscheidung einstimmig war, habe ich als sehr positiv wahrgenommen, für eine politische Zusammenarbeit braucht es eine gewisse Geschlossenheit und Disziplin. Ich hatte aber auch schon vorher den Eindruck, dass Werner Kogler in seiner Partei sehr geschätzt wird.
Die ÖVP ist seit Ihrer Obmannschaft ja für Geschlossenheit bekannt. Sie haben sich am Sonntagabend noch mit Parteigranden beraten. Gab es da keine einzige kritische Stimme?
Bei uns ist die Meinung klar: Wir sind in der Verantwortung, eine Regierung zu bilden. Wir haben keine absolute Mehrheit, daher müssen wir einen Partner finden. Es gibt die einstimmige Meinung, dies mit den Grünen zu versuchen. Die FPÖ hat von sich aus abgewunken.
Sie haben schon drei Wochen sondiert. In dieser Zeit sollte man über das Ausloten, ob es einen Sinn macht, zu verhandeln, eigentlich schon hinauskommen. Wie weit sind Sie mit den Gesprächen?
Ich habe in den Gesprächen mit Werner Kogler den Eindruck gewonnen, dass es ihm wirklich ernst ist, Österreich zu einem Vorreiter in Europa zu machen. Ich kann das nachvollziehen, dafür ist er ja auch gewählt worden. Wir allerdings wurden für unsere Haltung in der Migrationsfrage und der Standortpolitik gewählt.
Das war jetzt nicht wirklich die Antwort auf die Frage. Aber bedeutet das, dass beide Parteien bei ihren jeweiligen Kernthemen freie Hand bekommen und sich dafür bei den Schwerpunkten des anderen nicht einmischen?
Wir stehen erst am Beginn. Die Grünen haben ihre Positionen - und wir auch. Das ist bekannt. Es ist klar, wofür beide Parteien gewählt wurden.
Sie haben vor der Wahl und auch am Wahltag noch betont, dass Sie eine Mitte-rechts-Regierung wollen. Das wird sich mit den Grünen aber nicht ausgehen.
Die ÖVP hat sich nicht verändert, wir sind eine Mitte-rechts-Partei. Die Grünen sind eine Mitte-links-Partei. Beide Parteien müssen sich in einer Regierung deutlich wiederfinden.
Viele wünschen sich eine Regierung bis Weihnachten. Wird sich das ausgehen?
Ich bin jemand, der stets aufs Tempo drückt, aber es muss auch die Qualität stimmen. Im Jahr 2017 waren wir mit der FPÖ sehr schnell, da gab es aber auch wesentlich mehr Gemeinsamkeiten als jetzt. Wir werden versuchen, möglichst schnell zu sein, aber ich habe auch das Bewusstsein dafür, dass es für die meisten Grünen die erste Regierungsverhandlung ist.
Die FPÖ malt bereits den Untergang des Landes an die Wand und wirft Ihnen vor, Österreich den Grünen auszuliefern. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf Ihres ehemaligen Koalitionspartners?
Ich kann die Reaktion aus parteipolitischen Gründen verstehen. Aber es war die FPÖ, die sich selbst aus dem Rennen genommen und den Gang in die Opposition angekündigt hat. Das haben Norbert Hofer und Herbert Kickl mehrmals betont.
Politische Beobachter betonen stets den Einfluss der ausländischen Medien, die vor einer Neuauflage von Türkis-Blau warnen. Wie wichtig ist Ihnen Ihr Image außerhalb Österreichs?
Ich bilde keine Regierung, um im Ausland Applaus zu bekommen. Ich will eine gute Arbeit für Österreich.
Doris Vettermann, Kronen Zeitung
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