Das WM-Qualifikationsspiel zwischen Österreich und der DDR, das sich heute zum 30. Mal jährt, war in vielerlei Hinsicht ein historisches. Wenige Tage nach dem Mauerfall war es das letzte Pflichtspiel der Deutschen Demokratischen Republik. Auf österreichischer Seite wurde Toni Polster an diesem 15. November 1989 beim 3:0-Sieg vom Verstoßenen zum Helden. Und die Sportreporter-Legende Peter Elstner wurde an diesem Tag endgültig zur Kultfigur.
Die Vorzeichen waren klar: Österreich brauchte im Heimspiel in Wien einen Sieg und musste hoffen, dass die Türkei nicht gegen die Sowjetunion gewinnt. Vor dem Anpfiff wurde ÖFB-Stürmer Toni Polster von den eigenen Fans ausgepfiffen, weil er zuletzt in ein Leistungsloch gefallen war. „Ich schämte mich für jeden Zuschauer“, erzählt Peter Elstner noch heute - und schreibt dies auch so in seinem brandneuen Buch „Pepi, lass mi eine ...!“ (hier gibt es alle Infos zu diesem unterhaltsamen und gleichermaßen spannenden Werk!)
Doch Polster ließ sich davon nicht unterkriegen bzw. reagierte auf die beste Art und Weise: Er schnürte einen Dreierpack und schoss Österreich zur WM 1990 in Italien - die Türkei hatte gleichzeitig gegen die Sowjets verloren.
Doch nicht nur dieses Spiel ging in die heimische Fußballgeschichte ein, auch eine skurrile Kabinen-Szene nach diesem legendären Match kennt heutzutage Jung und Alt - und wird auf YouTube immer noch gern angeklickt. Im Mittelpunkt: der damalige Teamchef Josef Hickersberger und Peter Elstner.
Bei der Präsentation seines Buchs in Wien ließ die Reporterlegende im Beisein mehrerer ehemaliger Fußballgranden wie Christian Keglevits, Michael Konsel und Zoran Barisic sowie Ex-ORF-Kollege Sigi Bergmann diese Anekdote Revue passieren. Doch was war da genau passiert?
„Da muss man etwas ausholen“, so Elstner. Er und Hickersberger kannten sich bereits seit vielen Jahren, denn der ehemalige Teamchef arbeitete drei Jahre lang in der ORF-Teletext-Redaktion und man lief sich deshalb im ORF-Zentrum öfter über den Weg. Beide liefen auch für die österreichische Fußball-Journalisten-Auswahl auf. Nach einem Freundschaftsspiel mit den Reporterkollegen auf Malta sinnierten Elstner und Hickersberger über das Verhältnis zwischen Presse und Sportlern.
Dabei machte „Hicke“ klar, dass er es als Trainer niemals erlauben würde, Journalisten nach einem Spiel in die Kabine zu lassen - was zur damaligen Zeit ja nicht unüblich war. Auf Elstners Frage, ob er eine Ausnahme machen würde, wenn er eines Tages ein großes Spiel gewinnen würde, soll Hickersberger gesagt haben: „Na, das wäre zu überlegen. Aber nur, wenn es ein entscheidender Sieg wäre, dann könnte ich mir vorstellen, dass du hineindürftest.“ So jedenfalls war es in der Erinnerung von Elstner.
Am 15. November 1989 wollte der damalige ORF-Reporter dieses Versprechen einlösen und nach dem Sieg gegen die DDR in die Kabine der Österreicher. Was danach passierte, ist mittlerweile legendär (siehe Video unten ab Minute 4:15). „Wir stehen jetzt vor der Kabine, aber die österreichische Mannschaft lässt uns leider nicht hinein“, so Elstner, der jedoch nicht ans Aufgeben dachte. Als die Kabinentür einen Spalt aufging, versuchte er es erneut: „Darf jetzt wer herkommen? Herr Hickersberger, kann bitte der Lindenberger herkommen oder ein Spieler, bitte, wir sind nur zwei Minuten auf Sendung, das ist live alles.“ Als das alles nicht fruchtete, machte Elstner kein Geheimnis aus seinem Ärger: „Na gut, dann sagen wir Danke und lassen euch im Jubel allein. Schade, dass die Zuschauer nicht dabei sein dürfen.“ Der Buchtitel „Pepi, lass mi eine ...!“ spielt natürlich auf diese skurrile Anekdote an.
Hickersberger, der das Vorwort in Elstners Werk schrieb, will jedoch nichts vom angeblichen Kabinen-Versprechen an Elstner wissen: „Ich erinnerte mich schon damals nicht mehr daran.“ Außerdem waren sowohl Trainer als auch Spieler nicht gut auf den ORF zu sprechen, weil sie von der Vorberichterstattung schwer enttäuscht waren.
Dass in „Sport am Montag“ zwei Tage vor dem wichtigen Match gegen die DDR das Spiel gar keine Rolle spielte und stattdessen die erotische Ausstrahlung von Fußballern das Hauptthema war, sei „eine glatte Themenverfehlung“ gewesen und machte das ÖFB-Team „sprachlos“, so Hickersberger. Dass Elstner nicht in die Kabine durfte, war deshalb in gewisser Weise auch eine Racheaktion.
Mittlerweile können sowohl Elstner als auch Hickersberger über dieses Stück Zeitgeschichte lachen. Und die Sportreporter-Legende liegt genau richtig, wenn sie sagt: „Hätte man uns, wie geplant, in die Kabine gelassen, kein Mensch könnte sich heute an diesen Teil der TV-Übertragung erinnern ...“
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