Neue schwere Vorwürfe

Berlin-Anschlag: Hinweise bewusst unterdrückt?

Ausland
15.11.2019 09:46

Im Fall Anis Amri, der am 19. Dezember 2016 auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ein Blutbad angerichtet hatte, sind neue brisante Details aufgetaucht. Laut Zeugenaussage eines Polizisten hätte ein Informant schon früh auf die Gefährlichkeit des späteren Attentäters hingewiesen. Doch die Hinwiese wären vom Innenministerium nicht ernst genommen worden. Der damalige Minister Thomas De Maiziere wollte demnach über keine Warnungen zu Amri mehr unterrichtet werden. 

Amri hatte am 19. Dezember 2016 in Berlin einen Lastwagen gekapert. Er raste damit über den Weihnachtsmarkt und tötete zwölf Menschen. Nach dem Anschlag floh er nach Italien, wo ihn die Polizei erschoss.

Berlin-Attentäter Anis Amri (Bild: YouTube.com)
Berlin-Attentäter Anis Amri
(Bild: APA/AFP/Odd Andersen)
Der Berliner Weihnachtsmarkt nach dem verheerenden Anschlag (Bild: AFP/ODD ANDERSEN)
Der Berliner Weihnachtsmarkt nach dem verheerenden Anschlag

Der Polizist aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen erhob im Untersuchungsausschuss im deutschen Bundestag nun schwere Vorwürfe gegen das Innenministerium, das Bundeskriminalamt (BKA) und die Berliner Polizei.

BKA-Beamter verwies nach „ganz oben“
Demnach hätte ihm ein BKA-Beamter am Rande einer Besprechung beim Generalbundesanwalt am 23. Februar 2016 gesagt, der Informant des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes, der damals auf die Gefährlichkeit des späteren Attentäters hingewiesen habe, „mache zu viel Arbeit“. Diese Auffassung werde auch von „ganz oben“ vertreten, habe ihm der BKA-Beamte in dem Vieraugengespräch gesagt. Auf seine Nachfrage, wer mit „ganz oben“ gemeint sei, habe der Beamte damals entweder das Innenministerium oder den damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) selbst genannt sowie einen leitenden Kriminaldirektor des BKA im Bereich Staatsschutz.

Polizist war „konsterniert und geschockt“
Wie der „Focus“ berichtete, sei der Polizist nach diesem Gespräch „konsterniert und geschockt“ gewesen und habe darüber auch direkt im Anschluss mit zwei Staatsanwälten gesprochen. Er habe den Eindruck gewonnen, dass der ihm sonst als sehr kompetent bekannte BKA-Beamte „sozusagen als verlängerter Arm diese Meinung so wiedergegeben hat, wie es ihm vorgegeben wurde“. Der erste Gedanke des Informanten, als er von dem Anschlag gehört habe, sei laut dem Zeugen gewesen: „Lass es nicht Amri sein.“ Amri sei jemand gewesen, „dem ich einen Anschlag jederzeit zugetraut hätte“.

„Befragung von Ex-Innenminister nun unausweichlich“
Seit dieser Zeugenaussage gehen die politischen Wogen in Deutschland hoch. „Wenn eine V-Person, die als einzige Quelle auf die Gefahr von Anis Amri aufmerksam gemacht hat, mundtot gemacht werden sollte und das auch vom Innenminister ausgegangen sein soll, wäre das ein erschütternder Skandal“, erklärte der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Benjamin Strasser. Eine Befragung von Ex-Innenminister de Maiziere zu dem Vorfall sei nun unausweichlich geworden.

"Werden das auf Dauer nicht hinnehmen": Innenminister De Maiziere (Bild: ASSOCIATED PRESS)
"Werden das auf Dauer nicht hinnehmen": Innenminister De Maiziere

„Einflussnahme von höchster Stelle steht im Raum“
„Die Verhinderung von Terroranschlägen scheint dem BKA weniger wichtig gewesen zu sein als die Ausschaltung einer bis dato perfekt informierten Quelle“, kritisierte Martina Renner (Linke). Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sagte: „Es steht im Raum, dass hier von höchster Stelle gezielt Einfluss darauf genommen wurde, die Ermittlungen gegen Anis Amri zu torpedieren."

Amri hatte nach seiner Einreise 2015 zunächst in Nordrhein-Westfalen gelebt. In Hildesheim knüpfte er Kontakte zu dem Kreis um den Hassprediger Abu Walaa, der nach Einschätzung der Behörden damals als Statthalter der Terrormiliz Islamischer Staat in Deutschland agierte und junge Salafisten ermunterte, in das IS-Gebiet auszureisen. Im März 2016 verlegte Amri seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin.

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