Seit 2003 im Bau
Venedig: Hoffen auf heiligen Markus und auf Mose
Nach den Flutwellen der vergangenen Tage versucht Venedig den Neustart. Am Montag öffneten wieder die Schulen, die Vaporetti, die Wasserbusse der Lagunenstadt, verkehren wieder nach Plan. Wohnungsbesitzer, Shopinhaber und Handwerker begannen, die teils enormen Schäden zu beseitigen. Bürgermeister Luigi Brugnaro sprach am Wochenende von einem Ausmaß von einer Milliarde Euro. Die Hoffnung der Stadt liegt nun auf dem heiligen Markus und auf Mose, dem Projekt, das die Stadt eigentlich vor solchen Überschwemmungen schützen sollte und das sich seit 2003 im Bau befindet.
Auch am Sonntag heulten in der Lagunenstadt wieder die Sirenen, der Markusplatz und die Seitengassen standen erneut unter Wasser. Und die Gefahr ist nicht gebannt: Die Gezeitentabelle weist für die nächsten Tage bei Flut ähnlich hohe Wasserstände aus.
Mose soll die Stadt vor Flutwellen bewahren
Bürgermeister Luigi Brugnaro setzt im Kampf gegen die Wassermassen auf himmlischen Beistand durch den Stadtheiligen: „Ich hoffe, dass uns der heilige Markus schützt.“ Dabei wird seit Jahrzehnten an einem technischen Schutzprojekt namens „Mose“ – angelehnt an den biblischen Stammvater Moses, der bei der Flucht aus Ägypten das Meer teilte – gearbeitet. Mose soll die Stadt mittels aufklappbarer Elemente auf dem Meeresboden vor Flutwellen bewahren.
Vor allem aber Flut von Korruptionsprozessen
Seit 1984 wurde geplant, seit 2003 wird gebaut. Gewaltige Dämme und neue Inseln entstanden am Rand der Lagune. Doch statt Venedig vor den Fluten zu schützen, sorgte die Riesenbaustelle für eine Flut von Korruptionsprozessen.
Hätte Mose das katastrophale Hochwasser der vergangenen Woche verhindern können? „Man sollte wenigstens einmal versuchen, ob es funktioniert“, fordert die international tätige Architektin Jana Revedin, die seit 30 Jahren in Venedig lebt. „Jeder fürchtet sich aber, das Sperrwerk in Betrieb zu nehmen, weil man nicht weiß, wer dafür verantwortlich ist.“
Mose-Projekt könnte Sogwirkung des Wassers sogar verstärken
Denn die Auswirkungen sind unklar. „Ein UNESCO-Bericht zeigt auf, dass das Mose-Projekt vielleicht sogar die Sogwirkung des Wassers verstärkt und beschleunigt“, erklärt Revedin. „Solche Schubwellen, wie sie am vergangenen Mittwoch durch die Gassen gelaufen sind, hat es noch nie gegeben. Das Wasser stieg auch unglaublich schnell.“
Video: Venedigs Ortskern zum dritten Mal binnen Tagen überschwemmt
Revedin wünscht sich, dass der Schock des verheerenden Hochwassers aufrüttelnd wirkt: „Die internationale Gemeinschaft muss das Signal ernst nehmen. Man darf die Verantwortung für das Weltwunder Venedig nicht den lokalen Verantwortlichen überlassen.“
Waltraud Dengel in Venedig, Kronen Zeitung, und krone.at
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