Die Jugend gehört ganz besonders geschützt. Darüber herrscht hierzulande Grundkonsens. Was jedoch tun, wenn die Kinder Straftaten begehen? Ein Streitpunkt, auch bei Experten.
Es begann mit Schlägereien und gipfelte in Einbrüchen und Raubüberfällen: Jene kriminellen Jugendbanden, die - wie vergangene Woche berichtet - im Großraum Innsbruck ihr Unwesen treiben, sorgen bei Polizei und Staatsanwaltschaft für riesige Aktenberge. Mittlerweile ist von zumindest 140 Straftaten die Rede. Schadenssumme: mehr als 130.000 Euro. Von den 34 Verdächtigen sind zwei erst 13 Jahre alt, strafunmündig und werden wohl „ungeschoren“ davonkommen.
In Wien zog die Polizei kürzlich ein Trio aus dem Verkehr, das bei drei Raubüberfällen auf offener Straße Handys und Geld erbeutet haben soll. Einer der Tatverdächtigen ist erst 13 und somit strafunmündig. Die beiden anderen (14 und 15 Jahre alt) wurden in eine Justizanstalt überstellt. In Deutschland entflammten nach einer Wahnsinnstat Anfang November, als die 15-jährige Oliwia ihren dreijährigen Halbbruder im Schlaf mit 28 Stichen tötete, teils hitzige Diskussionen über strengere rechtliche Handhabe für jugendliche und auch (jetzt noch) strafunmündige Täter. Und auch in der Alpenrepublik werden die Stimmen lauter, gegen Jugendliche mit der vollen Härte des Gesetzbuches zu agieren.
Linz, wo erst kürzlich eine 43-köpfige Bande ausgeforscht wurde, der 100 Delikte zur Last gelegt werden, geht andere Wege. Stadt, Polizei, Justiz, aber auch Streetworker und Jugendvereine schließen sich dort zusammen, um die Jugendlichen aus der sich immer schneller drehenden Gewaltspirale zu holen. Ein Blick in die österreichische polizeiliche Kriminalstatistik aus dem Jahr 2018 liefert folgende Zahlen: Insgesamt wurden von Vorarlberg bis ins Burgenland 6241 Kinder zwischen zehn und 13 Jahren als Tatverdächtige geführt. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 7,6 Prozent.
Nicht weniger als 1835 Unmündige begingen Gewaltdelikte. Die traurigen Spitzenreiter in dieser Statistik sind mit 1156 Delikten Ladendiebstähle, gefolgt von Sachbeschädigungen, Taschendieb-Aktionen, Fahrraddiebstählen und Einbrüchen. Doch auch in Richtung schwere Verbrechen weist die Statistik leider Zahlen auf: 37 Überfälle wurden im Vorjahr von Zehn- bis 13-Jährigen in Österreich begangen.
Überall Diskussion um Strafmündigkeit unter 14
Wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist unmündig. Ein Strafverfahren gegen Personen dieses Alters gibt es nicht. Ab dem 15. Lebensjahr ändert sich alles. Dann wird bis zum 18. Lebensjahr nach dem Jugendstrafrecht verhandelt. Es droht die Hälfte der Strafe für Erwachsene. Wobei das Alter von 14 Jahren keine absolute Grenze ist. In Zweifelsfällen muss ein psychiatrischer Gutachter klären, ob ein Verdächtiger zur Verantwortung gezogen werden kann. Wenn der Gutachter feststellt, dass er noch nicht reif genug ist, das „Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“, gibt es kein Strafverfahren. „Verzögerte Reife“ nennt sich das.
Auch sogenannte junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 21 Jahren profitieren noch von Erleichterungen im Strafrecht. In vielen europäischen Ländern wird über eine Senkung des Alters der Strafmündigkeit diskutiert. Nach schockierenden Misshandlungen junger Straftäter in Haftanstalten geht in Österreich aber eher die Tendenz in die andere Richtung: Minderjährige sollen nur in Ausnahmefällen inhaftiert werden. Auch in anderen Ländern denken Experten so.
Matthias Lassnig, Stefan Steinkogler, Florian Hitz und Peter Grotter, Kronen Zeitung
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