Red Bull Salzburg

„Kein Mensch ist so viel wert“

Salzburg
24.11.2019 22:45

Die Ablösesummen im Fußball werden höher und höher. Die Gehälter für die Profis ebenfalls. Im Interview mit der „Krone“ spricht Salzburgs Außenverteidiger Rasmus Kristensen darüber und warum er Ajax Amsterdam verlassen hat.

Rasmus, wie waren deine ersten Monate in Salzburg?

Die waren wirklich sehr angenehm. Salzburg ist eine entzückende Stadt mit vielen netten Leuten. Auch im Verein sind alle so nett und zuvorkommend, das kannte ich auf diese Weise noch nicht . Auch zuhause in meiner Wohnung habe ich es mir gemütlich gemacht, ich fühle mich hier richtig wohl.

Dein Onkel hat in Puch gespielt, du selbst warst als Kind häufig in Österreich zum Skifahren. Hast du dir das Leben hier so vorgestellt, wie es eingetroffen ist?

Alles in diesem Land ist so super, wie ich es mir gedacht habe. Das Einzige, was mich noch positiv überraschen konnte, war das Niveau, auf dem hier Fußball gespielt wird. Ich wusste, dass Red Bull Salzburg ein sehr junges, talentiertes Team hat , aber dass so viel Qualität dahintersteckt, alle so professionell sind, ist richtig cool.

Gibt es auch etwas, das dir hier nicht gefällt?

Manchmal ist es ein bisschen zu ruhig hier. Verglichen zu Amsterdam ist das eine andere Welt. Dazu wünschte ich, dass es Direktflüge von Salzburg nach Dänemark gäbe, dann könnten meine Familie und Freunde öfter kommen.

Wie würdest du dich selbst charakterisieren?

Das Wichtigste für mich ist, dass ich mich wohl fühle und glücklich bin. In Amsterdam war ich abseits des Rasens happy, aber die Situation im Klub hat mich nicht glücklich gemacht. Daher habe ich Ajax verlassen, denn für mich gehört alles zusammen. Ich brauche aber auch Ablenkung vom Fußball. Ich kann nur dann hundert Prozent geben, wenn ich auch Freiraum habe, was Anderes machen kann.

Hast du bei Ajax nicht die volle Unterstützung des Klubs erfahren?

Nicht so, wie ich es mir erwartet hätte. Mit Coach Erik ten Hag hatte ich keine schlechte, aber auch keine wirklich gute Beziehung. Wir haben nicht viel miteinander gesprochen, speziell am Ende. Wenn du dich nicht wertgeschätzt fühlst, kein Feedback bekommst, ist es schwierig.

Hier ist das anders?

So ist es. Ich habe das Gefühl, dass ich hier wichtig bin. Jesse Marsch kann man mit ten Hag nicht vergleichen, denn er will, dass sich jeder super fühlt. Ten Hag war primär darauf fokussiert, dass er gewinnt. Hier geht es aber darum, dass wir das alles als Team erreichen. Das ist eine ganz andere Mentalität, die ich sehr gut finde.

Gab es Unterschiede im Teamspirit?

Ich war dort auch mit einigen befreundet, aber die Kultur ist eine ganz andere. Dort spürst du so viel Druck von den Fans, den Medien, von alten Vereinslegenden. Hier in Salzburg kannst du dich voll auf den Fußball fokussieren. Wenn du dann noch so ein junges Team hast, ergibt sich automatisch eine tolle Atmosphäre, weil jeder voll Energie ist.

Jesse Marsch betont immer, dass jeder Einzelne wichtig für ihn ist. Ist das mehr als eine Phrase?

Ja, das ist es. Du hast ja auch eine Verantwortung als Trainer. Wenn fünf, sechs Leute wirklich unglücklich sind, sich nicht wertgeschätzt fühlen, zerstört das etwas im Team. Wir haben hier aber auch so viel Qualität, dass der Trainer es sich erlauben kann. Trotz aller Rotation sind wir die Nummer eins in der Liga und schlagen uns gut in der Champions League. Das spricht für sich selbst. 

Dein Onkel und dein Cousin waren Profis. Der Fußball steckt in deiner DNA?

Der gehört seit jeher zu meiner Familie, war stets Teil meines Lebens. Es war auch immer mein Ziel, Profi zu werden. Ich habe meinen Cousin beobachtet und wollte dasselbe erleben.

Wie sah dein Plan B aus?

Den hat man in Dänemark immer, weil wir zu sehr an den Worst Case denken. Ich war daher gewissermaßen „gezwungen“, eine Ausbildung abzuschließen. Viele angehende Spieler beenden mit 14, 15 Jahren die Schule. In meinem Klub war es aber immer wichtig, noch etwas in der Hand zu haben, falls es nicht klappt. Deshalb habe ich auch die Matura gemacht, ehe ich mich voll auf den Profi-Fußball eingelassen habe.

Wer sind die wichtigsten Leute in deinem Leben?

Natürlich meine Eltern, dazu meine Freunde. Bei uns ist es nichts Besonderes, dass einer mit dem Kicken sein Geld verdient. Wenn ich heimkomme, bin ich nur Rasmus. Für mich ist es erfrischend, mit meinen Leuten zusammen zu sein. Sie kümmern sich einen Dreck darum, dass ich Fußballer bin. Für mich ist das ungemein wichtig, mich mit ihnen über ganz andere Dinge unterhalten zu können, da sich ohnehin so vieles in meinem Leben um den Fußball dreht.

Du bist der drittteuerste Transfer der Bullen-Historie - erzeugt das Druck?

Ich wusste das gar nicht, daher habe ich mich nie damit beschäftigt.

Denkst du, dass du die fünf Millionen Euro wert bist, die der Klub für dich hingeblättert hat?

Kein Mensch der Welt ist fünf Millionen Euro wert.

Ihr verdient viel Geld - zu Recht?

Es stimmt, dass viel Geld im Fußball im Umlauf ist. Das ist der Entwicklung geschuldet. Die Klubs verdienen mehr, daher bekommen auch die Spieler mehr. Man kann das mit keinem gewöhnlichen Job vergleichen. Der Fußball ist wie das Showbusiness, es geht um Entertainment. Wenn man uns dann mit anderen Entertainern vergleicht, etwa Musiker oder Schauspieler, dann sieht man, dass diese auch so viel und noch mehr verdienen. Eine Profikarriere ist relativ kurz, etwa zehn bis 15 Jahre. Daher musst du so viel Geld wie möglich verdienen. Jeder, der das bestreitet, lügt sich selbst an.

Würdest du denn auch nach China gehen - dort gibt es noch mehr Geld?

Das kann ich mir nicht vorstellen, weil mir mein Leben hier mit all meinen Leuten sehr wichtig ist. Aber: Sag niemals nie …

Hast du schon Pläne für die Karriere danach?

Nicht speziell. Ich versuche aber schon, mir möglichst viel Wissen anzueignen in den nächsten Jahren. Dann kann ich später darauf aufbauen. Nehmen wir die Sprache: Wenn ich am Ende meiner Karriere in vier, fünf verschiedenen Ländern gespielt habe und all diese Sprachen beherrsche, kann ich das mitnehmen. Es ist ein Geschenk, als Fußballer leben und arbeiten zu dürfen. Ich bekomme hier zweimal die Woche Deutschunterricht, höre und lese jeden Tag. Ich denke, in einiger Zeit beherrsche ich die Sprache gut. Daraus kann ich auch später in meinem Leben einen Nutzen ziehen.

Wie beurteilst du deine bisherigen Leistungen?

Ich bin insgesamt recht zufrieden damit, habe gut gespielt. Ich würde gerne offensiv eine größere Rolle einnehmen, aber wir haben so viele Angreifer, dass die Defensive für mich wichtiger ist. Wir wollen ja immer die Null halten.

Ist die defensive Spielweise eine Order des Trainers?

Anweisung ist vielleicht zu viel gesagt, aber es geht um Balance in unserem System. Die ist besonders wichtig bei unserer Art des Spiels, es geht immer um die Restverteidigung. Wir pressen so extrem und attackieren mit so vielen Spielern, dass wir hinten absichern müssen.

Du wartest noch auf deinen ersten Treffer, hast erst ein Tor vorbereitet.

Ich würde mich gerne mehr einschalten. In Dänemark hatte ich viele Assists, auch Tore. Eine Torbeteiligung ist zwar nicht das Wichtigste für mich, aber ich würde trotzdem gerne öfter anschreiben. Ich hoffe, dass ich mich da noch mehr einbringen kann.

Was lief bislang nicht so gut?

Wir haben in manchen Spielen zu viele Gegentore erhalten, woran auch ich beteiligt war. Da muss ich mich gemeinsam mit dem Team noch weiterentwickeln.

Vor dem Gastspiel bei Liverpool hast du gemeint: „Das wird ein wichtiges Spiel gegen Sadio Mane, um meine Grenzen zu erkennen.“ Hat er sie dir aufgezeigt?

Beim ersten Tor hat er mich komplett aufs Glatteis geführt. Danach habe ich einen der besten Flügelspieler der Welt ganz gut kontrolliert. Ich habe gesehen, dass ich ihn im Griff haben kann. Aber du kannst noch so gut sein, so ein Spieler wird dich in jedem Spiel mindestens ein-, zweimal alt aussehen lassen. Und genau auf diese Highlights schauen die Leute. Die Duelle, die ich gewinne, sind dann nicht wichtig. Für mich persönlich ist das aber schon von Bedeutung. Bei der Defensive schaut man aber vor allem auf Fehler, bei Offensivspielern auf die guten Aktionen. Eines ist auch klar: Jeder Verteidiger, auch der Beste der Welt, ist an Gegentoren beteiligt.

Ihr seid Dritter in der Champions League-Gruppe E. Was ist noch drin für euch?

Natürlich wird es mit dem Aufstieg schwierig, wir hatten aber auch wenig Glück bisher. Wir müssen in Genk gewinnen, um die Chance am Leben zu halten. Wenn wir das schaffen, haben wir ein Finale daheim gegen Liverpool. Und dann kann alles passieren in diesen 90 Minuten! Ich bin nicht blind, aber ich glaube daran!

Denkst du, dass ein Erfolgslauf wie mit Ajax auch für die Bullen möglich ist?

Definitiv ja! Das war ein Mitgrund, warum ich hierher gewechselt bin. Du musst als Team daran glauben, auf höchstem Niveau spielen zu können. Das war im letzten Jahr der Fall und ist es auch hier in Salzburg. Wir haben die Qualität dazu.

Was erwartet euch in Genk?

Für mich war bislang jedes Spiel in etwa auf Augenhöhe. Gegen Genk waren wir so fokussiert, haben in der ersten Hälfte fast alles getroffen, das war nicht normal. Sie waren vielleicht ein bisschen naiv, daher konnten wir sie bestrafen. In Genk wird es ein ganz anderes Spiel. In der Liga läuft es nicht gut für sie, aber gegen uns haben sie absolut nichts zu verlieren.

Dazu haben sie jetzt einen neuen Coach.

Das kommt noch dazu. Es wird extrem schwer für uns, darauf müssen wir uns einstellen. Wir dürfen aber eines nicht vergessen: Wir spielen in einer schweren Gruppe mit Liverpool und Neapel. Im Europacup zu überwintern, war immer das Ziel. Wenn wir in der Königsklasse aufsteigen, wäre das historisch, aber auch in der Europa League könnten wir weit kommen.

In der Liga sitzt euch der LASK im Nacken. Wie wichtig ist das für eure Entwicklung?

Ich wünschte, wir wären 15 Punkte voraus. Ich will Titel gewinnen. Der LASK ist sicher der größte Herausforderer auf die Meisterschaft. Daher würde ich mir schon wünschen, dass der Vorsprung auf den LASK größer wäre. 

Welche Ziele verfolgst du für den Rest der Saison?

Ich will die Meisterschaft und den Cup gewinnen, dazu auch 2020 noch im europäischen Geschäft vertreten sein. Ich selbst will weiter viele Spiele absolvieren, mich verbessern. Konkrete Zahlen sind nicht wichtig für mich.

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