90 Prozent der Sitze
Erdrutschsieg für das Demokratie-Lager in Hongkong
Mit einer Rekordbeteiligung und einem Erdrutschsieg für pro-demokratische Kandidaten, die sich mit 390 von 452 Sitzen eine klare Mehrheit von fast 90 Prozent gesichert haben, haben die Bezirksratswahlen in Hongkong geendet. Die Bevölkerung stärkte damit der Protestbewegung den Rücken. Die Wahlbeteiligung lag bei 71,2 Prozent, teilte die Wahlkommission in der Nacht auf Montag Ortszeit mit. 2,94 der 4,1 Millionen wahlberechtigten Hongkonger gaben demnach ihre Stimmen ab - so viele wie nie zuvor.
Als nach Mitternacht die ersten amtlichen Ergebnisse bekannt gegeben wurden, brach in einigen Wahllokalen Jubel aus: Sprechchöre mit „Befreit Hongkong - Revolution jetzt“ waren zu hören - ein Slogan vieler Demonstranten auf den Straßen im letzten halben Jahr während der immer gewalttätigeren Proteste in der Sonderverwaltungszone. „Dies ist die Macht der Demokratie. Das ist ein demokratischer Tsunami“, sagte Tommy Cheung, ein ehemaliger Studentenprotestführer, der einen Sitz im Bezirk Yuen Long nahe der chinesischen Grenze für sich entscheiden konnte."
Erstmals seit Monaten erlebte die chinesische Sonderverwaltungsregion ein Wochenende ohne große Demonstrationen und Ausschreitungen. Stattdessen bildeten sich am Sonntag lange Warteschlangen vor den Wahllokalen.
Mit dem großen Interesse an der Wahl unterstrichen die Hongkonger ihren Wunsch nach echter Demokratie und politischen Veränderungen und sendeten zugleich eine klare Botschaft an Peking. Beobachter hatten in dem Urnengang ein Referendum darüber gesehen, ob die schweigende Mehrheit nach fast sechs Monaten andauernder Proteste noch hinter der Anti-Regierungsbewegung steht.
Schwere Schlappe für Regierungschefin
Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam sagte nach der schweren Schlappe in einer ersten Stellungnahme, dass die Regierung die Ergebnisse der Wahl respektiere und dass sie „den Ansichten des Volkes aufgeschlossen zuhören“ werde. Sie hofft, dass der Frieden sowie die Sicherheit und Ordnung bestehen bleibe.
Können kaum nennenswerte Entscheidungen treffen
Dennoch haben die Wahlen vor allem symbolische Bedeutung, da die Bezirksräte der Stadt nicht wirklich über politische Macht verfügen. Sie können keine Gesetze verabschieden oder selbst nennenswerte Entscheidungen treffen. Als Gremien beraten sie die Regierung und machen Vorschläge, wie sich die Lebensqualität in den Stadtteilen verbessern lässt. Das bei der Wahl dominierende Lager erhält Sitze im 1200-köpfigen Wahlkomitee, das alle fünf Jahre den Hongkonger Regierungschef wählt. In dem Gremium ist aber sichergestellt, dass am Ende stets der von Peking favorisierte Kandidat gewinnt.
Mehr als 1000 Kandidaten traten bei diesen Lokalwahlen an. „Die Wahl ist die letzte Möglichkeit, unsere Meinung zu äußern. Die meisten Proteste wurden von der Regierung verboten“, sagte ein 26 Jahre alter Bankangestellter nach der Abgabe seiner Stimme. „Bei den letzten Wahlen gab es in unserem Bezirk nur Pro-Peking-Kandidaten. Dieses Mal war auch eine demokratische Kandidatin dabei. Es hat sich etwas geändert.“
Hoffnung darauf, dass die Zusammenstöße vorbei sind
In Hongkong war es in den vergangenen zwei Wochen zu immer gewalttätigeren Zusammenstößen zwischen Polizei und radikalen Demonstranten gekommen. An den drei Tagen vor der Wahl blieb es allerdings ruhig in der Millionenmetropole. Sie hoffe, dass die Stabilität der letzten Tage nicht nur mit den Wahlen zusammenhänge, sagte Regierungschefin Lam bei Abgabe ihrer Stimme. „Ich hoffe, dass niemand mehr Chaos in Hongkong will und wir diese schwierigen Zeiten mit einem Neustart hinter uns lassen können.“
Die Protestbewegung fordert seit Monaten Lams Rücktritt. Ihr Unmut richtet sich gegen die Regierung, das als brutal empfundene Vorgehen der Polizei und den wachsenden Einfluss der kommunistischen Führung in Peking.
Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ unter chinesischer Souveränität autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger genießen - anders als die Menschen in der Volksrepublik - viele Rechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit, um die sie jetzt aber fürchten.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.