Vor drei Jahren, mitten in Hype um Krypto-Währungen wie den Bitcoin, hat ein Geschwisterpaar aus Bulgarien eine digitale Währung namens OneCoin angekündigt - und mit geschicktem Marketing Milliarden von Investoren eingesammelt, die vom großen Geld träumten. Doch der „Bitcoin-Killer“ war ein Schwindel, der nur seine Erfinder Ruja Ignatova und Konstantin Ignatov reich machen sollte. Konstantin wurde vor einem halben Jahr verhaftet, von seiner Schwester - in der Szene nennt man sie die „Krypto-Queen“ - fehlt bis heute jede Spur.
An ihre Fersen hat sich der BBC-Journalist Jamie Bartlett geheftet, der sich seit Jahren mit dem Verbleib Ignatovas beschäftigt und sein Publikum in einem Podcast über seine Recherchen auf dem Laufenden gehalten hat. Am Wochenende wurde die letzte Episode gesendet.
In einem Hintergrundbericht skizziert Bartlett, wie er über die letzten Jahre in die OneCoin-Welt eingetaucht ist, mit Weggefährten der angeblichen Expertin gesprochen hat - und auf die menschlichen Tragödien stieß, welche die „Krypto-Queen“ und ihr Bruder zu verantworten haben.
OneCoin wuchs rasant - durch Events und Pyramidenspiel
Geködert wurden viele der geprellten Investoren bereits 2015 und 2016: „Krypto-Queen“ Ignatova war auf Marketing-Tour in aller Welt, inszenierte sich mit teuren Kleidern und rotem Lippenstift als schillernde Lady des Krypto-Goldrauschs und führte in vollen Veranstaltungshallen aus, wie ihr OneCoin sich zum „Bitcoin“-Killer entwickeln und seine Investoren reich machen würde.
Auf Facebook tauchte die „Krypto-Queen“ in solchen Annoncen auf:
Weltweit fielen unzählige Investoren auf sie herein - in Europa insbesondere in Deutschland und Großbritannien, die größten finanziellen Schäden durch den OneCoin-Betrug sollen laut Bartletts Recherchen aber in China entstanden sein, wo allein 2016 mehr als 400 Millionen Euro in OneCoin investiert wurden. In guten Quartalen spülte die Betrügerei mehr als 600 Millionen Euro in die Kassen der Betrüger - auch, weil man Pyramidenspiel-Mechanismen nutzte, damit Investoren ihrerseits wieder viele neue Investoren anlockten. Über die Jahre sollen auf diesem Weg mehrere Milliarden Euro zusammengekommen sein.
Nach zwei Jahren Blockchain-Experten gesucht
Die Anzeichen, dass es sich um eine Betrügerei handelte, verdichteten sich erst Ende 2016, als längst riesige Summen in den OneCoin investiert waren. Die Macher von OneCoin machten sich zu dieser Zeit auf die Suche nach einem Blockchain-Experten. Eine Blockchain ist eine dezentrale Buchhaltung, die jedem Nutzer einer Krypto-Währung Einblick in die Transaktionen gewährt und die Währung somit manipulationssicher macht.
Jede Krypto-Währung basiert auf dieser Technologie - umso erstaunlicher war es für den norwegischen Krypto-Experten Bjorn Bjercke, als OneCoin mit einem Jobangebot an ihn herantrat, das die Entwicklung einer OneCoin-Blockchain zum Thema hatte. Der Entwickler sagte - wissend, dass da etwas nicht stimmen konnte - ab, wenig später wurden Ermittlungen aufgenommen.
Geld verprasst und untergetaucht
Ignatova hatte zu diesem Zeitpunkt bereits im großen Stil mit dem Geld der Investoren eingekauft, investierte in Luxusimmobilien in der bulgarischen Hauptstadt Sofia und dem Schwarzmeer-Badeort Sosopol.
Im Herbst 2017 tauchte sie unter: Als die heute 39-jährige Oxford-Absolventin zu einer Veranstaltung in Lissabon reisen wollte, bestieg sie stattdessen einen Flieger nach Athen, wo sich ihre Spur verliert. Die OneCoin-Geschäfte übernahm der Bruder. Während der vor einigen Monaten vom FBI am Flughafen Los Angeles in Gewahrsam genommen wurde, fehlt von der schillernden „Krypto-Queen“ bis heute jede Spur.
Für Bartlett kein Wunder: „Sie ist eine unglaublich faszinierende Person. Sie ist auf eine seltsame Art und Weise sehr tapfer und auf eigenartige Weise eine Figur der Obsession für die Leute, die ihr folgen.“ Sein Bild der „Krypto-Queen“ habe sich verändert - vom hübschen Gesicht einer Betrugskampagne hin zu einer „hochgradig intelligenten und fähigen“ Kriminellen. Dazu passe, dass sie in FBI-Dokumenten als „Expertin für die Graustufen des Lebens“ beschrieben wird, die virtuos nach Schlupflöchern in Gesetzen suche, um sich mit diesem Wissen die Taschen zu füllen.
Viele Anleger haben alles verloren
Die „Krypto-Queen“ ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Ihr Bruder hat in den USA zwischenzeitlich gestanden, dass der OneCoin nichts weiter als eine riesige Betrügerei war. Zurück bleiben die vielen Menschen, die gutgläubig in den angeblichen Bitcoin-Killer investiert und dabei alles verloren haben.
Betroffene hat Bartlett in den letzten Jahren viele entdeckt: Menschen, die nicht nur ihr eigenes Vermögen verloren, sondern auch ihre Familie zur fatalen Investition überredet hatten. Anlegerinnen, die monatelang auf der OneCoin-Website die angeblich steigenden Kurse verfolgten - und schließlich feststellen mussten, dass die angeblichen Gewinne nicht mehr in echtes Geld umgetauscht werden konnten. Und - besonders tragisch - Familien in Uganda, die auf Empfehlung ihres auf das falsche Krypto-Geld hereingefallenen Priesters ein paar Hundert Dollar zusammengekratzt und in OneCoin investiert haben, um der Mutter eine kleine Altersvorsorge bieten zu können. Eine, die es in Wahrheit nie gab.
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