Welchem Menschen soll man Kontrolle geben? Warum nutzen die meisten sie für den eigenen Vorteil? Und vergiften damit ihre Umwelt.
Laut dem Staatstheoretiker Max Weber ist Macht – salopp formuliert – die Fähigkeit, „innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen“. Wolle man den Charakter eines Menschen erkennen, so „gib ihm Macht“, soll der frühere US-Präsident Abraham Lincoln gesagt haben. Was er wohl über einen seinen Nachfolger denkt, der mit Sprüchen hausieren geht wie: „Ich könnte auf der Fifth Avenue jemanden erschießen und die Leute würden mich trotzdem wählen.“
Alexander Gaisch ist natürlich - schon allein des Bekanntheitsgrades wegen - kein Donald Trump. Aber das Ausnützen seiner Position gegenüber einem Untergebenen sagt dennoch genug über seinen Charakter aus. Und wohl jeder, der den Wehrdienst abgeleistet hat, war einmal in einer Situation wie der junge Polizist.
Einer Studie zufolge sind insbesondere westliche Kulturen davon betroffen, Macht als Gelegenheit und nicht als Verantwortung zu betrachten. Machtrausch, Größenwahn, Narzissmus sind die Folge. Da wird Macht zum Problem. In erster Linie bei Vorgesetzten, aber – um noch einmal auf Lincolns Zitat zurückzukommen – grundsätzlich bei jedem, der sie inne hat.
Das Stanford-Experiment aus dem Jahr 1971, bei dem die Machtverhältnisse in einem Gefängnis simuliert wurden, zeigt die menschliche Neigung zur Macht über andere. Dabei entschieden die Forscher per Münzwurf, wer Wärter oder Gefangener war. Im Zuge des Rollenspiels entwickelten sich die Teilnehmer bis auf wenige Ausnahmen in machtbesessene Wärter und unterwürfige Gefangene. Nach einigen Misshandlungen musste das Experiment abgebrochen werden.
Jeder Fünfte geht aus Angst krank arbeiten
Laut einem Bericht der Wirtschaftskammer geht hierzulande jeder Fünfte der 15- bis 24-jährigen Arbeitnehmer krank in die Arbeit, weil er Konsequenzen befürchtet. Auch der aktuelle „Stern“ widmet sich dem Thema „Mein Chef hat mich fertiggemacht“. Studien zeigen unter anderem, dass die Anzahl an Krankenständen bei machtbesessenen Chefs anstiegen. Zuerst kränkeln die Mitarbeiter, dann verstummen und am Ende verkümmern sie.
Interview mit Psychiater Haller: „Narzissten extrem kränkbar“
Dr. Reinhard Haller ist Psychiater und Bestseller-Autor.
„Krone“: Weshalb schikanieren Mächtige ihr Umfeld?
Reinhard Haller: Macht ist ein menschliches Urbedürfnis, das bei Männern besonders stark ausgeprägt ist. Neben einer narzisstischen Störung kann es auch durch plötzliche Machtfülle zu Narzissmus kommen. Egozentrik und Bewunderungspflicht lösen aus, dass man andere niedermacht. Man ist nicht zufrieden, zu hören, wie großartig man ist. Es kommt noch dazu, wen schikanieren zu können.
Warum demonstrieren Narzissten ständig Stärke?
Während sie nach außen bewundert werden wollen, haben sie innerlich wenig Selbstwertgefühl. Sie haben Angst, nicht anerkannt und geliebt zu werden. Übermäßiges Lob ist wie eine Droge für sie. Es handelt sich nicht um starke, sondern extrem kränkbare Menschen.
Welche Beispiele gibt es in politischen Positionen?
Es ist bedenklich, dass heute viele gewählt werden. Trump, Erdogan und Co. gebärden sich nach außen extrem narzisstisch, unterdrücken ihre Ängste aber, indem sie Stärke zeigen.
Schaden Narzissten in hohen Positionen ihrer Firma?
Anfangs ist es sogar gut, wenn der Chef Narzisst ist. Sie setzen sich durch, begeistern. Nach und nach sind sie nicht mehr teamfähig, es passieren viele Fehler. Dann müssen sie Kollegen permanent entwerten.
Was passiert, wenn Vorfälle veröffentlicht werden?
Das Internet, die Medien fungieren als Korrektiv. Man wird an den Pranger gestellt, ist plötzlich arm, es prasselt viel auf einen ein. Es ist wie ein Fegefeuer und hat - wenn sich der Betroffene helfen lässt - auch eine heilende Wirkung.
Clemens Szavarsky und Stefan Steinkogler, Kronen Zeitung
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