Am Montag wird am Wiener Landesgericht der Prozess gegen den zweifachen Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher fortgesetzt, der nach seiner aktiven Karriere als Trainer eines Judo-Vereins unmündige Mädchen missbraucht haben soll. Recherchen der Austria Presse Agentur haben nun einen Verdacht bestätigt: Das einstige Sportidol wurde nach seiner Flucht in die Ukraine von Vertretern der heimischen Judo-Szene nach Kräften unterstützt. Zuvor war von einem einzelnen heimischen Judo-Funktionär berichtet worden, der sich als Fluchthelfer für Seisenbacher betätigt haben soll.
Der Reisepass, dessen sich Seisenbacher bediente - er selbst hat kein gültiges Reisedokument mehr, nach seiner Flucht war es von der Republik Österreich für ungültig erklärt worden -, war auf einen heimischen Judo-Funktionär ausgestellt. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wie berichtet wegen Begünstigung gegen den als Fluchthelfer Verdächtigen, der hauptberuflich als Detektiv arbeitet. Fakt ist, dass der Mann Seisenbacher sehr ähnlich sieht. Möglicherweise wurde daher bewusst auf seinen Pass zurückgegriffen, um diesen dem Olympiasieger zur Verfügung zu stellen.
Für Seisenbacher wurde Geld gesammelt
Der Verdacht war zudem, dass es in der Judo-Szene immer noch Personen geben dürfte, die dem einstigen Idol Seisenbacher die Stange halten und sich der Unterstützung des 59-Jährigen verschrieben haben - was die APA nun im Zuge von Recherchen bestätigen konnte. So bestätigten mehrere Gesprächspartner unter der Zusicherung, dass ihre Anonymität gewahrt wird, dass für Seisenbacher Geld gesammelt wurde, nachdem sich dieser kurz vor seiner für Mitte Dezember 2016 geplanten Verhandlung abgesetzt und damit der Strafverfolgung entzogen hatte.
Demnach existierte ein Mail-Verteiler, über den sich die Unterstützer koordinierten. Seisenbacher, der über kein Einkommen verfügte, wurde auch von Bekannten aus Judo-Kreisen in Kiew besucht, während sich die Wiener Justiz vergeblich um seine Auslieferung bemühte. Die ukrainischen Behörden vertraten nämlich den Standpunkt, dass die Missbrauchsvorwürfe gegen Seisenbacher nach ukrainischem Recht verjährt waren.
Erst als die Ukraine im Mai 2019 ein Zusatzprotokoll des Europäischen Auslieferungsübereinkommens unterzeichnete, lief Seisenbacher Gefahr, der Wiener Justiz übergeben zu werden. Beim Versuch, mit dem manipulierten Pass eines österreichischen Judo-Funktionärs die Ukraine Richtung Polen zu verlassen, wurde er Anfang September 2019 festgenommen.
Seisenbacher-Anwalt und Ex-Judoka trafen sich in Wien
Als gesichert kann gelten, dass Seisenbachers ukrainischer Rechtsvertreter bei einem Wien-Besuch Kontakt mit einem Ex-Judoka aus Seisenbachers früherem Verein hatte. Die beiden unternahmen eine Sightseeing-Tour.
In der Verhandlung gegen Seisenbacher wird am Montag unter anderem eine Frau aussagen, die als 16-Jährige vom Angeklagten auf einem Judo-Sommerlager im August 2001 bedrängt worden sein soll. Sie konnte ihren Trainer ihrer Aussage zufolge abwehren, weshalb die Staatsanwaltschaft diesen Vorgang als versuchten Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses inkriminiert hat.
Geladen ist eine weitere Frau, die als 16-Jährige eine einvernehmliche sexuelle Beziehung mit Seisenbacher unterhalten haben soll, der damals Ende 30 war. An sich ist geplant, dass das Verfahren am Montag erstinstanzlich abgeschlossen wird. Allerdings ist unklar, ob Verteidiger Bernhard Lehofer nicht zusätzliche Beweisanträge vorbringen wird, die - sollte diesen stattgegeben werden - eine Vertagung erforderlich machen könnten.
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