Neue EU-Spitze im Amt
Wie Ursula von der Leyen Europa verändern will
Die am Mittwoch vom EU-Parlament abgesegnete neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat am Sonntag offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Als erste Frau an der Spitze der mächtigen EU-Behörde kann die 61-Jährige nun den versprochenen „Neustart Europas“ umsetzen - eine Mammutaufgabe.
Von der Leyen sowie Ratspräsident Charles Michel traten am Sonntag offiziell ihr Amt an. Bei einer Veranstaltung zum zehnten Jahrestag des Inkrafttretens des Reformvertrags von Lissabon in Brüssel bezeichnete von der Leyen die EU-Spitzen als „Wächter“ der Verträge und als „Hüter des Geists von Lissabon“. Bei dem Termin waren auch EU-Parlamentspräsident David Sassoli und die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, anwesend (siehe auch Video oben).
Bei der Feierstunde hob von der Leyen Fortschritte in der europäischen Einigung hervor. Vor zehn Jahren hätten ihre Vorgänger noch darüber diskutiert, ob Europa eine Fahne oder eine Hymne brauche. „Aber in diesen zehn Jahren sind Millionen Menschen auf die Straße gegangen und haben die Europaflagge geschwenkt.“ Es sei die Aufgabe der neuen Führung, die EU noch stärker zu machen.
Wie dies geschehen soll, hat von der Leyen bereits im Verlauf der letzten Wochen skizziert:
Bürgerbeteiligung bei EU-Reform
Die neue Kommissionschefin will ab 2020 einen groß angelegten Bürgerdialog zur EU-Reform. Diese „Konferenzen für Europa“ sollen über zwei Jahre hinweg stattfinden. Wichtige Vorschläge sollen aufgegriffen werden.
Migration
Beim Außengrenzschutz will von der Leyen schneller vorankommen. Statt bis 2027 soll die EU-Behörde Frontex bereits bis 2024 auf 10.000 Beamte ausgebaut werden. Zudem plant sie einen neuen Anlauf bei der festgefahrenen EU-Asylreform und will dazu laut Diplomaten im Februar oder März Vorschläge vorlegen. Bei der umstrittenen Seenotrettung im Mittelmeer will die künftige Kommissionschefin „eine dauerhaftere Antwort“ und nicht mehr „Einzelfalllösungen“.
Außen- und Verteidigungspolitik
Die frühere deutsche Verteidigungsministerin fordert in der Außen- und Sicherheitspolitik Mehrheitsentscheidungen im Rat der Mitgliedsstaaten, um Europa handlungsfähiger zu machen. Die EU als wirtschaftliche „Supermacht“ muss aus ihrer Sicht „die Sprache der Macht“ lernen und im Verteidigungsbereich „eigene Muskeln“ aufbauen. Ihre Behörde soll „eine geopolitische Kommission“ werden. Sie werde sich „nicht scheuen, selbstbewusst und bestimmt aufzutreten“.
Erweiterung
Von der Leyen bekräftigt die „europäische Perspektive“ der Länder des westlichen Balkans. Sie spricht sich für Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aus, die bisher auf Ebene der Mitgliedsstaaten blockiert werden.
Brexit
Das mit London ausgehandelte Austrittsabkommen ist für von der Leyen „der einzige und bestmögliche Deal“. Der bereits dreimal verschobene EU-Austritt bleibt für sie ein großer Unsicherheitsfaktor - auch weil die Briten trotz Mitgliedschaft bis mindestens Ende Jänner bisher keinen EU-Kommissar stellen wollen. Damit könnten Rechtsakte der neuen Kommission juristisch angefochten werden.
Klima
Europa soll 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Von der Leyen will in ihren „ersten 100 Tagen“ ein entsprechendes Gesetz vorlegen. Das EU-Etappenziel bei der Treibhausgasverringerung bis 2030 will sie von 40 Prozent auf 50 oder 55 Prozent erhöhen. Damit Firmen aus Drittstaaten mit geringeren Klimaauflagen kein Umwelt-Dumping betreiben, soll eine „CO2-Grenzsteuer“ eingeführt werden. Die Kosten der Bekämpfung des Klimawandels beziffert von der Leyen bis 2030 auf eine Billion Euro.
Rechtsstaatlichkeit
In der EU laufen gegen Polen und Ungarn Strafverfahren wegen Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien. In der Frage zeigte sich von der Leyen, die bei ihrer knappen Wahl im EU-Parlament im Juli auf Stimmen aus Osteuropa angewiesen war, lange zurückhaltend. Nun forderte sie, hier dürfe Europa „niemals Kompromisse eingehen“.
Soziales Europa
Von der Leyen will den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorantreiben. Zudem will sie „faire Mindestlöhne“ und eine europäische Arbeitslosenrückversicherung, die Mitgliedsstaaten in Krisenzeiten finanziell entlasten soll.
Digitale Wirtschaft
Die Kommissionschefin plant die Bündelung von Ressourcen, damit die EU bei wichtigen Zukunftstechnologien aufholen kann. Gleichzeitig sollen die Europäer ihre Wirtschaftsmacht nutzen, um in der digitalen Welt Regeln zum Schutz der Daten der Bürger zu gewährleisten.
Außenhandel
Von der Leyen will in jedes Freihandelsabkommen Verpflichtungen auf „höchste Standards“ beim Klima- und Arbeitnehmerschutz sowie im Kampf gegen Kinderarbeit aufnehmen. Sie will den Posten eines hochrangigen Beamten schaffen, der die Durchsetzung in den Partnerländern überwacht.
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