Perchten und Krampusse: Brauchtum oder nur brutal?
Es war die Woche der Perchten, Teufel und Krampusse. Und wieder einmal forderten die Läufe zahlreiche Verletzte. Aber nicht nur Zuschauer, sondern auch auch die Akteure werden Opfer von Gewalt. Brauchtum oder Brutalität? krone.tv auf den Spuren eines Spektakels, das sich immer öfter gegen die Perchten selbst richtet.
Hunderte warten im Wiener Prater gespannt auf den Grusel. 100 Maskenträger sind es, die das Publikum an diesem Abend am Riesenradplatz das Fürchten lehren. Die ganz Kleinen werden von Engeln für ihre Tapferkeit mit Bonbons belohnt. Nach viel Pyro, Musik von Rammstein und Glockenläuten ist die Show vorbei, Applaus von den Zuschauern hinter den Absperrgittern. Die Besucher sind zufrieden - eine Mutter schwärmt: „Mein Sohn überhaupt, der freut sich sehr. Seine Schwestern hatten auch nur ganz wenig Angst.“
„So ein A****loch“ Offiziell verläuft alles ohne Zwischenfälle. Ein Percht nimmt seine schwere Holzmaske ab, der Schweiß rinnt ihm von der Stirn bis zur Wange. Er zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen Zug. „So ein A****loch, ich packs nicht, mich hat ein Sicherheitsmann vom Prater an den Hörnern gezogen!“ Ausführlich darüber reden möchte er aber nicht. Es sind Attacken wie diese, die immer öfter vorkommen. Davon kann Marcel Holy (16) aus Fürstenfeld in der Steiermark ein Lied singen.
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
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„Die Rute gehört dazu“ Am 23. November ist er beim Krampuslauf in der Thermenhauptstadt von einem Zuschauer angegriffen worden. Wieder hat man nach den Hörnern geschnappt, diesmal waren es seine. Die Folge: „Ich hatte ein schweres Schleudertrauma, eine geprellte aber angebrochene Nase - viel hat für einen Bruch nicht mehr gefehlt - und eine Gehirnerschütterung.“ An diesem Abend trug er ausgerechnet die Maske, die ihn zum Laufen inspiriert hat, vor zwei Jahren hat er sie sich endlich kaufen können. Auf Facebook startete der Fürstenfelder einen Zeugenaufruf. Leider ohne Erfolg. Erst seit dieser Woche kann er sich wieder ohne Schmerzen bewegen: „Wir werden immer als die Schlechten dargestellt, die Kinder und Frauen schlagen. Das ist ein Krampuslauf, da gehört die Rute dazu, das war schon damals so. Es gibt Plätze weiter hinten, wenn man dort steht, passiert auch nix.“
„Möchtegern-Perchten“, wie der 16-Jährige einige seiner Kollegen pauschal verurteilt, ruinieren seiner Meinung nach den Brauch: „Es gehört die Birkenrute einfach dazu, und nicht irgendein Pferdeschweif, irgendeine Latexpeitsche, auch kein blutverschmierter Zombieschädel. Wir haben Masken, die schauen aus wie damals der „Postkarten-Krampus“. „Er befürchtet in Zukunft vermehrte Vorschriften für Läufe und fordert mehr Respekt gegenüber den Akteuren, die „Tausende Euros in Ausrüstung investieren“. Respekt, weil sich „das gehört“.
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
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12.000 Euro Schmerzensgeld Wie komplex die Schuldfrage werden kann, zeigt ein Fall im oststeirischen Pichelsdorf am Kulm. 2017 fand in der Gemeinde der letzte Perchtenlauf statt. Ein junger Besucher behauptete damals, von einem Percht zu Boden gestoßen worden zu sein. Er forderte Schmerzensgeld in der Höhe von 12.000 Euro inklusive Pflegekosten von der Veranstalterin. Doch tatsächlich ereignete sich der Vorfall nicht direkt am Gelände und während der Veranstaltung.
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
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Aloisia Kopeinig spricht von schlaflosen Nächten, nur weil sie das Wintergeschäft mit Perchtenläufen aufbessern wollte. „Die Drohung, du kommst vor Gericht für etwas, wo ich nicht einmal wusste, das es passiert ist! Mir ist es echt nicht gut gegangen.“ Kraft schenkte ihr zu der Zeit Ehemann Hannes - und eine Rechtschutzversicherung für die Anwaltskosten. „Man kann einen Perchtenlauf nicht versichern.“ Für die Wirtin herrschen „amerikanische Verhältnisse“, wo das Reden zu kurz kommt.
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
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Ob es im neuen Jahr vielleicht einen Lauf geben wird? „Nein, sicher nicht.“ Warum? „Wenn du im Nachhinein mit solchen Vorwürfen beschuldigt wirst, für die du nix kannst, spricht es nicht dafür, dass ich mir die Arbeit noch einmal antun werde.“
(Bild: Alexander Bischofberger-Mahr)
„Das Uralte sollte man vergessen“ „Brauchtum verändert sich“, sagt die Ethnologin Dr. Helga Maria Wolf. Sie spaziert zu einer antiken Vitrine in ihrer Wiener Wohnung und kramt einen Zwetschkenkrampus mit Kürbiskopf hervor. Ideal für „Halloween“. „Hier sieht man, wie alles sich vermischen und kombinieren lässt. So kommt das Alte wieder zurück, revitalisiert, neu interpretiert.“
Wolf rät zur Vorsicht bei der Nostalgie zum Alten, auch beim Krampus- oder Perchtenlauf: „Es gibt alte, neue Formen, aber keine uralten Formen von Bräuchen. Was mich immer ein bisschen ärgert, wenn man dann im Internet die Homepage dieser Gruppen anschaut, dann ist alles ,uralt‘“. Da gibt es Fruchtbarkeitsdämonen, da wird der Winter ausgetrieben, wie soll man im November den Winter austreiben? Solche Interpretationen sind in den 1930er-Jahren aufgekommen, man weiß, was für Schindluder damit betrieben worden ist. Das Uralte, das Brauchtum, das Volkstum, der Vegetationszauber, das alles sollte man vergessen, das ist pure Ideologie.“
„Es gibt klare Spielregeln“ Im Thonet-Sessel sitzend erklärt sie: „Es gibt klare Spielregeln. Wenn ich mich ruhig verhalte, passiert nichts.“ Sind die Läufe ein Trauma für Kinder oder ein Brauch für alle? „Bei all den Videospielen und Sachen, die für Kinder selbstverständlich sind, ist es ist eine gewisse Angstlust, eine ambivalente und zweischneidige Geschichte. Natürlich.“ Ob sie selbst vom Krampus traumatisiert ist? Sie lacht. „Nein, ich war immer brav.“
Perchtenläufe & Co.: Wie stehen Sie zu Bräuchen? Nehmen Sie selbst an den Läufen teil, oder sehen Sie zu? Haben Sie vielleicht auch schon unangenehme Situationen erlebt? Erzählen Sie uns von Ihren Erlebnissen, und diskutieren Sie darüber im Forum!
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