Bereits seit zwei Jahren wird im Buwog-Korruptionsprozess verhandelt. Während viele Prozessbeobachter die Urteile kaum erwarten können, warten fünf Pflichtverteidiger nach wie vor auf ihr Geld, für das sie schon vor neun Monaten (!) Honorarnoten gestellt hatten. Es geht um offene Forderungen in der Höhe von insgesamt drei Millionen Euro. Während die Anwälte demnächst einen Devolutionsantrag (Weiterleitung einer Entscheidung an eine übergeordnete Instanz bei Verletzung der Entscheidungspflicht einer Behörde) stellen werden, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, betont man bei der Rechtsanwaltskammer, dass es sich um ein „systemimmanentes Problem“ handle und bringt auch budgetäre Probleme des Justizministeriums ins Spiel.
Das Justizministerium hat mittlerweile zugesagt, einen Teil der offenen Forderungen an die Rechtsanwaltskammer zu überweisen. Von den bewilligten 1,75 Millionen Euro werden alle fünf Pflichtverteidiger gleiche Anteile erhalten. Die Advokaten haben mitunter Verständnis dafür, dass das sogenannte Vorschusssystem so langsam abläuft und alle Honorarnoten genau geprüft werden. „Aber nun reden wir von einem Zeitraum von neun Monaten“, betont Leonhard Kregcjk. Der Wiener Anwalt vertritt Ex-Lobbyist Peter Hochegger im Buwog-Verfahren.
„Abrechnung am Ende? Kann man Buwog-Anwälten nicht zumuten“
Ins selbe Horn stößt auch sein Kollege Jörg Zarbl, seines Zeichens Verteidiger Walter Meischbergers in dem größten Korruptionsverfahren der Zweiten Repulik: „Normalerweise wird ja am Ende eines Prozesses abgerechnet. Aber beim Buwog-Prozess kann man das den Anwälten nicht zumuten.“ Genau dazu würde das sogenannte Vorschusssystem bei der Verfahrenshilfe dienen. Die Rechtsanwaltskammer als Vertretungsorgan aller Anwälte reicht Honorarnoten der Pflichtverteidiger an das Justizministerium weiter, welches jährlich eine bestimmte Summe an Vorschuss an die Kammer überweist. Aus diesem Vorschuss-Topf werden die ausgestellten Honorarnoten aller - mit Abzügen - beglichen und gegebenenfalls neue Anträge gestellt, sollte nicht alles abgedeckt sein. Allerdings, so heißt es aus Anwaltskreisen, würde nie alles komplett abgedeckt.
Im Fall Buwog ist aber noch gar nichts geflossen. Die Abrechnungen für das Jahr 2018 sind laut den Pflichtverteidigern pünktlich im heurigen März abgegeben worden. Zarbl sieht hier „Verfehlungen des Justizministeriums, weswegen wir seit einem Jahr auf unsere Honorare warten“. Michael Dohr, ebenfalls Verfahrenshelfer und juristischer Vertreter eines ehemaligen Porr-Managers, sieht auch eine Teilschuld bei der Wiener Rechtsanwaltskammer. Diese habe verabsäumt, rechtzeitig Rückstellungen zu machen, obwohl es von Anfang an bekannt gewesen sei, dass der Strafprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Meischberger, Hochegger und elf weitere Angeklagte ein sehr langwieriger werde. „Ich weiß nicht, bei wem die Schuld liegt, aber warum sollte das Ministerium so lange mit der Auszahlung warten?“, fragt sich Dohr und betont, dass bei seiner, nämlich der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, so etwas nie vorgekommen sei.
Justizministerium: „Forderungen weitestgehend abgedeckt“
Aus dem Justizministerium heißt es gegenüber krone.at, dass der Zeitpunkt der Auszahlung „immer am Jahresende“ sei, da man „abwarten muss, welches Budget zur Verfügung steht“. Die Vorschusszahlungen dürften auch „nicht ohne entsprechende budgetäre Vorsorge“ geleistet werden. Zudem variierten die Leistungen in den einzelnen Jahren sehr, sodass sie in ihrer tatsächlichen Höhe nur schwer prognostiziert werden könnten, erläutert Ministeriumssprecherin Christina Ratz. Mit der nun angeordneten Überweisung von 1,75 Millionen Euro seien die Forderungen der Jahre 2016 bis 2019 „weitestgehend (mehr als 75 Prozent) abgedeckt“, führt die Sprecherin aus und verweist auf einen ihren Informationen zufolge vorliegenden Vorschussrest bei der Rechtsanwaltskammer in der Höhe von 2,7 Millionen Euro. Demgegenüber stünden offene Forderungen in der Höhe von 4,6 Millionen Euro.
Anwaltskammer: „Budgetäre Probleme des Ministeriums“
Laut Rechtsanwaltskammer handelt es sich um ein „systemimmanentes Problem“, dass erst am Ende des Jahres verteilt werden könne, was übrig geblieben sei. Zudem spielten auch budgetäre Probleme des Justizministeriums, die „öffentlich bekannt sind“ eine Rolle, wie Generalsekretär Bernhard Hruschka im Gespräch mit krone.at erklärt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die offenen Forderungen, die bis 2016 zurückreichen. Interessantes Detail am Rande: Die meisten Forderungen sind aus der Steiermark eingelangt.
Wie das Vorschusssystem funktioniert
In den meisten Fällen bekommen Verfahrenshelfer gar kein Honorar ausbezahlt. Dieses fließt nämlich in die Pensionskasse der Rechtsanwaltskammer. Erst bei größeren Prozessen, die länger als neun Tage dauern, bekommen die Pflichtverteidiger eine 75-prozentige Vergütung. Als Berechnungsbasis dienen dabei die Tarife gemäß der Allgemeinen Honorar-Kriterien. Jeder Rechtsanwalt bekommt eine bestimmte Anzahl an Rechtshilfefällen zugeteilt. Diese können auch an andere Kollegen, sogenannte Substituenten, abgegeben werden. Dafür erhalten die Vertreter zwischen 20 und 40 Prozent des Tarifs von den Anwälten, die ihren Fall abgeben. Die eingereichten Honorarnoten werden aber von der Rechtsanwaltskammer dennoch für das Befüllen der Pensionskassen verwendet.
Für Kregcjk und Dohr ist das Vorschusssystem reformbedürftig. Gerade bei so großen Prozessen wie Buwog müsste man auf einige Mandanten verzichten, weil man nur mehr eingeschränkt Zeit für sie hätte. „Jemand muss die anderen Mandanten übernehmen. Wenn man keine Konzipienten oder ein Team hat, geht das gar nicht“, gibt Dohr zu bedenken und betont, dass jeder Anrecht auf eine adäquate Rechtsvertretung haben sollte.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.