Die Verteidiger der beiden Angeklagten sprachen im Namen ihrer Mandanten großes Bedauern aus. Doch die Operation sei nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden. Ein Schuldeingeständnis gab es nicht.
Das Risiko des Einatmens von Erbrochenem bei der angewandten Narkose „Sedoanalgesie“ sei bei nüchternen und nicht nüchternen Patienten gleichermaßen gering, wurde seitens der Verteidigung erklärt. Die Staatsanwältin warf den bisher unbescholtenen Angeklagten aber Behandlungsfehler am Abend des 16. April vor. Obwohl die Eltern darauf hingewiesen hätten, dass der kleine David zu Hause noch Joghurt und Früchte bis etwa 19.00 Uhr gegessen habe und damit die Sechs-Stunden-Frist für eine erforderliche Nüchternheit im Fall einer Narkose nicht eingehalten worden sei, sei das Kind um 21.00 Uhr operiert worden.
Der erstangeklagte Chirurg habe zu wenig lang und zu wenig intensiv versucht, die kleine Blutung an der Wange des Kindes mit konservativen Maßnahmen zu stillen, sagte die Staatsanwältin. Laut dem Sachverständigen-Gutachten hätten dazu 15 bis 30 Minuten gereicht. „Die Operation wurde zu früh durchgeführt.“
Dass der Patient nicht nüchtern war, lastete die Staatsanwältin auch dem zweitangeklagten Anästhesisten an. Zudem habe er während des Eingriffes das Narkosemittel Propofol überdosiert. Es sei es zum Erbrechen des Patienten und einer Aspiration gekommen. „Der Sauerstoffmangel im Gehirn war so groß, dass er daran gestorben ist.“
Der Verteidiger des Chirurgen, Rechtsanwalt Helmut Hüttinger, hielt den Strafantrag „nicht gerechtfertigt“. Diese Art des bei David durchgeführten Narkoseverfahren könne auch bei nicht nüchternen Kindern durchgeführt werden. Der Angeklagte sagte dazu, in seiner 27 Jahre langen Tätigkeit als Kinderchirurg in den Salzburger Landeskliniken sei die Sedoanalgesie laufend bei Kindern durchgeführt worden, es sei zu keiner Aspiration gekommen. Deshalb habe er auch dem Vorschlag des Narkosearztes im Fall David zugestimmt.
Auf die Frage der Staatsanwältin, warum das Thema der Nüchternheit so wichtig sei vor einer OP, antwortete der Chirurg, bei einer Vollnarkose seien ihm die sechs Stunden Nüchternheit bekannt, bei einer Sedoanalgesie sei das im Haus anders praktiziert worden. „Wir haben gesehen, es ist gut gegangen - bis zu dem fürchterlich tragischen Fall. Es tut mir unendlich leid.“
Der zweitangeklagte Anästhesist, der seit 2008 in den SALK beschäftigt war und im Prozess von Rechtsanwalt Martin Schuppich vertreten wird, verwies auf eine Studie aus der Schweiz. Demnach könne zwei Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme bei Kindern auch das im Fall David angewandte Narkoseverfahren durchgeführt werden. Das Aspirationsrisiko sei sehr selten. „Sechs Stunden ist fast nicht machbar bei einem Kind in der Größe.“ Nachdem ein massiver Sauerstoffsättigungsabfall bei dem Kind festgestellt worden war, wurde es beatmet. Für ihn sei es schlüssig, dass es zu einem Stimmritzenkrampf und dann zu einer Aspiration gekommen sei. „Eine primäre Aspiration kann ich aber nicht ausschließen.“
Beide Ärzte verneinten die Frage von Richterin Gabriele Glatz, die sich akribisch in den Akt eingearbeitet hatte, ob eine Operation des Buben zu diesem Zeitpunkt dringend notwendig war. Es sei kein absoluter Notfall gewesen. Der Chirurg gab allerdings zu bedenken, dass das 17 Monate alte Kleinkind unruhig und deshalb konservative, blutstillende Maßnahmen wie ein Druckverband keinen großen Erfolg versprochen hätten.
Der Anästhesist schilderte, als er das Kind gesehen habe, habe er eine Blutlache am Boden bemerkt. Es sei zu einem fünfprozentigen Blutverlust in einer Dreiviertelstunde gekommen, „es war keine Aussicht auf Besserung.“ Im Gegensatz dazu sei das Risiko einer Aspiration selten. Deshalb habe er die Sedoanalgesie vorgeschlagen. Sein Verteidiger erklärte, er könne keine grobe Fahrlässigkeit erkennen. „Es ist jedenfalls versucht worden, mit aller Sorgfalt vorzugehen“, sagte Schuppich. Erkenntnisse in den vergangenen Jahren hätten ergeben, dass das Risiko einer Narkose bei einem Kind mathematisch extrem klein sei, ob nüchtern oder nicht. Zudem sei die Gabe von Propofol richtig gewesen, hier sei kein Verschulden feststellbar.
Die Verhandlung ist am Mittwochnachmittag auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Die Gutachten der Sachverständigen sollen beim nächsten Termin am Landesgericht Salzburg erörtert werden.
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